Archiv für die Kategorie „Therapien“

Angst, Anpassungsschwierigkeiten und Depressivität

Das sind die drei häufigsten psychischen Probleme, mit denen Krebspatienten zu kämpfen haben. Jeder Dritte ist davon betroffen. Zu diesem Schluss kommen Psychoonkologen im Rahmen einer bundesweiten Studie. Unter Federführung der Universitätsklinika Hamburg und Leipzig wurden dafür mehr als 4.000 Patienten zwischen 18 und 75 Jahre befragt. Die Ergebnisse wurden im US-Fachmagazin „Journal of Clinical Oncology“ veröffentlicht. Die Deutsche Krebshilfe hat die Studie mit 648.000 Euro gefördert.

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In den vergangenen Jahren ist die psychologische Betreuung von Krebspatienten, die Psychoonkologie, zu einem wichtigen Therapiezweig geworden. Denn eine Krebserkrankung ist ein einschneidendes Erlebnis: Ängste, Hilflosigkeit, Kontrollverlust treten an die Stelle von Sicherheit und Vertrauen. Im schlimmsten Fall kann sich eine nicht behandelte psychische Störung negativ auf den Erfolg der medizinischen Therapie auswirken.

„Durchschnittlich 32 Prozent aller von uns im Rahmen von klinischen Interviews befragten Krebspatienten benötigten psychoonkologische Hilfe“, erläutert Professor Dr. Anja Mehnert, Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie am Universitätsklinikum Leipzig und Koordinatorin der Studie. „Ein Teil der Patienten hatten sogar mit mehr als einer psychischen Störung gleichzeitig zu kämpfen.“

Häufigste Begleiter einer Krebserkrankung sind Angststörungen: Angst vor der Krankheit, vor der Therapie, vor der Möglichkeit des Sterbens. Fast jeder neunte Betroffene hatte mit Anpassungsstörungen zu kämpfen. Am dritthäufigsten waren depressive Störungen, jeder fünfzehnte Patient war davon betroffen. Auch somatoforme Erkrankungen, also körperliche Beschwerden ausgelöst durch den Stress der Erkrankung, Substanzmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit gehörten zum Spektrum der psychischen Störungen.

Besonders gefährdet waren Betroffene, die an Brustkrebs, Schwarzem Hautkrebs oder einem Tumor des Kopf- oder Halsbereiches erkrankt sind: 42 Prozent aller Brustkrebsbetroffenen benötigten psychoonkologische Hilfe, bei Kopf- oder Halstumoren waren es 41 Prozent, bei Hautkrebs 39 Prozent.

„Die Krebsart, an welcher der Betroffene erkrankt ist, spielt eine wichtige Rolle nicht nur bei der medizinischen Therapie sondern auch bei der psychoonkologischen Behandlung. Auch viele andere Faktoren, wie etwa Alter oder soziales Umfeld müssen berücksichtigt werden“, so Professor Dr. Uwe Koch-Gromus, Dekan der Medizinischen Fakultät des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf und Leiter der Studie. „Daher benötigt jeder Patient auch auf seelischer Ebene eine auf ihn maßgeschneiderte Behandlung, die entsprechend der S3-Leitlinie Psychosoziale Onkologie von Information über Beratung bis hin zur Psychotherapie reichen kann.“

Quelle: Universitätsklinikum Leipzig und Deutsche Krebshilfe e.V.

Originalpublikation: “Four-week prevalence of mental disorders in cancer patients across major tumor entities”, Journal of Clinical Oncology

Immuntherapie: Auf dem Weg in eine neue Ära?

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Die Immuntherapie wird die Krebsbehandlung in den kommenden Jahren deutlich verändern. Dabei sind die Potenziale genauso groß wie der Forschungsbedarf. Auch für die Immuntherapie steht die Frage nach der Personalisierung im Raum. Diese und weitere Themen diskutieren 5.500 Krebsexperten auf der Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie in Hamburg. Schwerpunktthemen sind in diesem Jahr die Immuntherapie sowie die Behandlung maligner Lymphome.

In den letzten zwei Jahren hat sich die Tumor-Immuntherapie von einem langjährigen Hoffnungsträger zu einem Therapieansatz mit großem Potenzial entwickelt. Nicht umsonst erklärte das Wissenschaftsmagazin Science den immuntherapeutischen Ansatz bei der Behandlung von Krebs 2013 zum “Breakthrough of the Year”, dem Durchbruch des Jahres. “Es spricht in der Tat einiges dafür, dass wir am Beginn einer neuen Ära in der Tumortherapie stehen. Wir sind optimistisch, dass wir bald zahlreichen Patienten neue, effektive Behandlungen anbieten können”, betont Prof. Dr. Carsten Bokemeyer, Kongresspräsident der Jahrestagung 2014, die noch bis zum 14. Oktober in Hamburg stattfindet.

Checkpoint-Hemmung als neues Therapiekonzept
Das Immunsystem reagiert zwar bei vielen Patienten auf eine Krebserkrankung, wird aber vom eigenen regulatorischen Netzwerk blockiert. Jetzt stehen Medikamente für die Aufhebung dieser internen Blockade zur Verfügung. Der derzeit am intensivsten diskutierte immuntherapeutische Ansatz ist die Hemmung wichtiger Schaltstellen der Immuntoleranz (“Checkpoint-Hemmung”).

Antikörper wie Ipilimumab, der gegen das cytotoxische T-Lymphozyten assoziierte Antigen (CTLA-4) gerichtet ist, haben in den letzten Jahren die Behandlung von Patienten mit metastasiertem Melanom erheblich verändert. “Eine CTLA-4-Blockade unterdrückt in der frühen Phase der T-Zellaktivierung im Lymphknoten die Immuntoleranz und löst so antitumorale Effekte aus”, erläutert Prof. Dr. Andreas Mackensen vom Universitätsklinikum Erlangen im Rahmen der Kongress-Pressekonferenz.

Neue Hoffnungsträger sind sogenannte PD-1-Antikörper, die mittlerweile in zahlreichen klinischen Studien evaluiert werden. Anders als CTLA-4-Blocker wirken sie in der Effektorphase des Immunsystems im peripheren Gewebe und damit an der Kontaktstelle zwischen Tumorzelle und T-Zelle. Im Juli 2014 wurde in Japan mit Nivolumab der erste PD-1-Blocker für den Einsatz beim nichtoperablen malignen Melanom offiziell zugelassen. Im September des gleichen Jahres folgte in den USA dann die Zulassung von Pembrolizumab, ebenfalls für den Einsatz beim Melanom. Europa dürfte in Kürze folgen. Unklar ist noch, wie die unterschiedlichen Therapieansätze am besten gemeinsam eingesetzt werden sollten: “Sequenzielle Therapien sind genauso denkbar wie Kombinationsbehandlungen”, betont Mackensen.

Checkpoint-Hemmung: Was ist die beste Gesamtstrategie?
“Wir benötigen dringend weitere Studien zu unterschiedlichen Therapieregimes, um den Klinikern bessere Daten an die Hand geben zu können, die es ihnen erlauben, die neuen Substanzen so einzusetzen, dass die Patienten den optimalen Nutzen haben”, fasst Prof. Dr. Mathias Freund, Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO, zusammen. “Es wird sich zeigen, ob die Checkpoint-Inhibitoren das Potential haben, auch bei anderen Krebserkrankungen als dem malignen Melanom zu einer wichtigen Säule in der Krebstherapie zu werden.”

Weitere Ansätze der Immuntherapie und Tumorvakzinierung
Neben der Checkpoint-Hemmung befindet sich derzeit noch eine ganze Reihe weiterer immuntherapeutischer Ansätze in der klinischen Prüfung. Auch sie werden bei der Jahrestagung 2014 intensiv diskutiert. So wurden beispielsweise künstlich hergestellte bispezifische Antikörper entwickelt, die sowohl an Immunzellen als auch an Tumorzellen binden und beide miteinander verknüpfen. Das könnte die Anti-Tumor-Aktivität der Immunzellen verbessern. Auf eine Stärkung der Immunabwehr zielen auch Versuche, patienteneigene Immunzellen gentherapeutisch zu verändern, um die unerwünschte Toleranz des Immunsystems gegenüber Krebszellen zu umgehen. Bei dieser Methode, die in ersten Pilotstudien beeindruckend wirksam war, werden T-Zellen des Patienten entnommen, mit einem chimären Antigenrezeptor (CAR) modifiziert und dann reinfundiert. Die gentechnisch veränderte T-Zelle attackiert Tumorzellen und führt zu einer gezielten Proliferation von T-Zellen mit Anti-Tumor-Wirkung.

Seit Jahrzehnten hoffen Patienten auch auf eine Impfung gegen Krebs. Die therapeutische Vakzinierung ist jedoch schwierig, da das Immunsystem die Tumorzellen vielfach nicht erkennt oder die Tumorzellen sich der Immunüberwachung aktiv entziehen. Ab November 2014 wird nun die erste in Europa zugelassene Vakzine für Patienten mit fortgeschrittenem Prostatakrebs an vier Zentren in Deutschland verfügbar sein. “Von den Patienten scheinen die immuntherapeutischen Ansätze bisher gut akzeptiert zu werden. Trotzdem müssen wir auch diese neuen Waffen sorgfältig und kritisch einsetzen”, betont Bokemeyer.

Weiterer wissenschaftlicher Schwerpunkt: Maligne Lymphome
Zahlreiche Vorträge auf der Jahrestagung 2014 beschäftigen sich auch mit neuen Therapieansätzen und deren molekulare Basis bei malignen Lymphomen. “In den letzten Jahren hat sich die Prognose bei nahezu allen Lymphomen verbessert, da in klinischen Studien stetig neue Therapiekonzepte erprobt werden”, erläutert Kongressvizepräsident Prof. Dr. Norbert Schmitz. Dabei steigert die Kombination von Chemotherapie und monoklonalen Antikörpern die Heilungsraten von Patienten mit Lymphknotenkrebs erheblich. “Die deutschen Lymphomstudiengruppen haben im letzten Jahrzehnt mit Hilfe großer multizentrischer Studien weltweit Standards in der Behandlung von Patienten mit verschiedenen Lymphomerkrankungen gesetzt. Leider haben sich die Rahmenbedingungen für nicht von Pharmafirmen initiierte klinische Studien so verändert, dass es fraglich erscheint, ob diese erfolgreiche Arbeit in Zukunft fortgesetzt werden kann. Auch dies wird Thema des Hamburger Kongresses sein”, so Schmidt weiter.

Jahrestagung 2014
Noch bis zum 14. Oktober treffen sich in Hamburg 5.500 Experten, um über die aktuellen Erkenntnisse in Diagnostik und Therapie von Blut- und Krebserkrankungen sowie das gesundheitspolitische Umfeld zu diskutieren. Die Jahrestagung Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie bietet mit 650 wissenschaftlichen Beiträgen von der molekularen Biologie bis hin zur Palliativmedizin ein wissenschaftlich hoch attraktives Programm. Neben qualifizierter Fortbildung stellt der Kongress auch eine wichtige Plattform dar, um hochwertige und innovative Forschung aus Deutschland, Österreich und der Schweiz durch renommierte Studiengruppen sowie klinisch und experimentell arbeitende Kolleginnen und Kollegen zu präsentieren.

Quelle und Kontakt:

Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V.

DGHO Hauptstadtbüro

E-Mail: oldenburg@dgho.de

Internet: www.dgho.de

Neue Methode kann Nebenwirkungen von Krebsmedikamenten vorhersagen

Jedes neue Krebsmedikament kann die Überlebenschancen von Patienten erhöhen. Leider bringen diese Medikamente manchmal jedoch schwere Nebenwirkungen mit sich, deren Ursachen bisher selten entschlüsselt werden konnten. Einem internationalen Wissenschaftlerteam aus München, Heidelberg, Schweden und Singapur ist es nun gelungen, eine neue Methode zu entwickeln, mit der sie Nebenwirkungen auf Zellebene erklären und sogar vorhersagen können.

Krebsmedikamente rufen neben der erhofften Wirkung auf Krebszellen oft schwerwiegende, teilweise schmerzhafte Nebenwirkungen hervor. Zu den bekannteren Nebenwirkungen gehören Haarausfall, Übelkeit und Immunschwäche. Viele Patienten leiden darüber hinaus an Kribbeln in den Händen bis hin zu schweren Nervenstörungen wie dem Verlust des Tastsinns oder klagen über Lichtempfindlichkeit, was die Lebensqualität erheblich einschränkt. Ein Grund dafür liegt in der Wirkungsweise der Medikamente: Viele greifen nicht nur die gewünschten Ziele, bestimmte Proteine in den Krebszellen, an, sondern auch andere Proteine in gesunden Zellen. Das kann in manchen Fällen die gewünschte Wirkung sogar noch steigern, sorgt in den meisten Fällen jedoch vorrangig für Nebenwirkungen. Ließen sich diese “falschen” Ziele eines neuen Medikaments vorab erfassen, könnten seine Nebenwirkungen vorhergesagt werden. Man wüsste, ob, warum und vor allem wie ein Medikament Nebenwirkungen hervorruft.

Mit einem einfachen aber ausgeklügelten Verfahren ist dies Wissenschaftlern von Cellzome in Heidelberg und dem Karolinska Institut Schweden in Kollaboration mit Professor Bernhard Küster von der Technischen Universität am DKTK-Partnerstandort München gelungen. Durch Erhitzen von Leukämiezellen auf Temperaturen zwischen 40 und 70 Grad konnten die Wissenschaftler neue Zielproteine von Medikamenten identifizieren. Durch die Hitze begannen die Proteine in den Zellen zu schmelzen. “Jedes der vielen verschiedenen Proteine in einer Zelle hat ein eigenes, charakteristisches Schmelzverhalten. Das können wir messen”, erklärt der Erstautor der Studie, Dr. Mikhail Savitski. “Geben wir den Zellen nun Krebsmedikamente, binden diese an bestimmte Proteine und verändern sie. Diese Veränderungen schlagen sich auch im Schmelzverhalten nieder, was wir wiederum messen können.” Im Idealfall binden die Medikamente nur an die gewünschten Zielproteine. In den meisten Fällen jedoch binden sie auch an Proteine, die nicht (nur) in Krebszellen, sondern auch in gesunden Zellen vorkommen. Das Resultat sind Nebenwirkungen. Mit Hilfe der Protein-Massenspektrometrie konnten die Wissenschaftler diese Veränderungen im Schmelzverhalten der Proteine in lebenden Zellen verfolgen. “Die Effekte eines Medikaments lassen sich so genau erfassen. Wir hoffen damit in Zukunft viele Nebenwirkungen erklären oder sogar vorhersagen zu können”, sagt Bernhard Küster, Leiter der beteiligten Forschergruppe am DKTK Standort der TU München.

Im Rahmen ihrer Studie haben die Wissenschaftler bereits einige Krebsmedikamente mit der neuen Methode untersucht. Darunter war auch das Medikament Vemurafenib, mit dem vor allem Patienten mit schwarzem Hautkrebs, dem Melanom, behandelt werden. Entwickelt wurde es, um das Krebsprotein B-Raf zu blockieren. Es verursacht jedoch bei vielen Patienten auch eine schmerzhafte und das Leben einschränkende Lichtempfindlichkeit. Den Wissenschaftlern gelang es nun mit ihrer neuen Methode, ein neues, unerwartetes Zielprotein dieses Wirkstoffs zu entdecken: das Enzym Ferrochelatase. Es wird für die Herstellung des Blutfarbstoffs Häm benötigt. Wird gesunden Zellen Vemurafenib verabreicht, wird die Funktion des Enzyms Ferrochelatase unterbunden, was sich im Schmelzverhalten des Enzyms messen lässt. Dieser Funktionsverlust ist bereits von einer anderen Erkrankung bekannt: Patienten mit kutaner Porphyrie, einer genetisch bedingten Stoffwechselstörung, die sich in einer sehr starken und schmerzhaften Lichtempfindlichkeit der Haut zeigt, weisen den gleichen Defekt auf. Diese Erkenntnis hat einen direkten klinischen Nutzen und gibt Bernhard Küster Anlass zur Hoffnung: “Dank unserer Ergebnisse sollte es in Zukunft möglich sein, Wirkstoffe so zu entwickeln, dass sie nicht mehr an das Enzym Ferrochelatase binden und damit die Patienten keine Lichtempfindlichkeit mehr als Nebenwirkung von Krebsmedikamenten befürchten müssen.”

Quelle: Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung und die Technische Universität München

Hinweis zur Publikation:

Mikhail Savitski, Friedrich Reinhard, Holger Franken, Thilo Werner, Maria Fälth Savitski, Dirk Eberhard, Daniel Molina, Rozbeh Jafari, Rebecca Bakszt Dovega, Susan Klaeger, Bernhard Kuster, Pär Nordlund, Marcus Bantscheff, Gerard Drewes: Tracking cancer drugs in living cells by thermal profiling of the proteome. Science 2014. DOI 10.1126/science.1255784.

Krebs und Sport: Krebspatienten belastbarer als bisher angenommen

Höhere Intensität und mehrmaliges wöchentliches Training sind möglich

 Young lady running on a rural road during sunset 
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Krebserkrankungen gehören zu den häufigsten schweren Erkrankungen mit Todesfolge in der deutschen Bevölkerung. Neue Therapien haben jedoch dazu geführt, dass die Krebserkrankungen erfolgreicher behandelt werden können und auch bei nicht heilbaren Krebserkrankungen die Überlebenszeit deutlich gestiegen ist. Dies führt zur Frage nach unterstützenden therapeutischen Maßnahmen, die die Lebensqualität verbessern und gesundheitlichen Schäden durch Erkrankung und Therapie entgegen wirken.

Wenn die Krankheit diagnostiziert ist, der operative Eingriff vorgenommen wurde und die anstrengende Chemotherapie läuft, kann mit Bewegung oder leichtem Sport begonnen werden, welche die Lebensqualität verbessern, gesundheitliche Folgeschäden verhindern und unter Umständen das Leben verlängern. Eine wesentliche Frage ist, was und wie viel körperliche Aktivität darf während und nach der Therapie durchgeführt werden. Die bisherigen Empfehlungen sind noch eher zurückhaltend und vorsichtig bezüglich der Trainingsintensitäten und des Trainingsvolumens. Doch zunehmend belegen Studien mit Patienten mit unterschiedlichen Krebserkrankungen, dass die Patienten belastbarer sind als bisher angenommen. Darauf weisen die deutschen Sportärzte hin, die in der Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) organisiert sind.

Körperliche Aktivität kann beispielsweise das Fatiguesyndrom (Erschöpfungssyndrom) reduzieren. Heute ist gesichert, dass unterschiedliche Empfehlungen bei unterschiedlicher Fatigueausprägung festgelegt werden können. Die körperliche Intensität sinkt mit zunehmender Fatigueausprägung. So empfiehlt eine internationale Expertengruppe bei einer „leichten“ Fatigue höhere Intensitäten (Ausdauertraining: 20 bis 30 Minuten pro Session, 3 bis 5 Tage/Woche, bei 60 bis 80 Prozent der maximalen Herzfrequenz / oder Krafttraining 60 bis 70 Prozent der Maximalkraft; 8 bis 12 Wiederholungen, 1 bis 2 Sätze, 2 bis 3 Tage/Woche). Bei einer starken Fatigue werden leichte Intensitäten empfohlen. Grundsätzlich kann Kraft- wie auch Ausdauertraining das Fatiguesyndrom reduzieren. Darüber hinaus zeigt sich, dass die Trainingsumfänge (in Minuten) während der Chemotherapie deutlich kürzer sein müssen als in der Nachsorge. Der beste Effekt in der Nachsorge zeigt sich nach aktueller Datenlage möglicherweise bei einem Verbrauch von 3500 Kilokalorien pro Woche.

Um Depressionen oder Angstsymptome unter Chemotherapie zu reduzieren, scheint zurzeit eine geringe Trainingsdosierung mit moderater körperlicher Aktivität (das bedeutet in etwa 4 bis 5 Stunden Spazierengehen pro Woche) effektiver zu sein als höhere Dosierungen.

Zur Symptomreduktion bei Armlymphödemen nach Brustkrebs ist die Wassertherapie (zweimal pro Woche 60 Minuten) die effektivste Methode im Vergleich zu Bewegungsaktivitäten an Land.

Es muss auf jeden Fall berücksichtigt werden, dass Steigerungen von Intensität und Trainingsvolumen durch wissenschaftliche Studien für die verschiedenen Krebserkrankungen abgesichert sein sollten. Tatsächlich kann seit circa zehn Jahren eine stetig zunehmende Generierung von wissenschaftlichen Studien beobachtet werden. Obwohl damit noch ein recht junges Forschungsgebiet, ist die körperliche Aktivität als unterstützende Therapie im Kreise der ernstzunehmenden Komplementär-, Rehabilitations- und Sportmedizin endgültig angekommen.

 

Es ist mittlerweile klar, dass der onkologische Patient ein unterstützendes therapeutisches Trainingsprogramm unter Berücksichtigung der Krebsentität (Symptomenkomplex), der medizinischen Therapie und den damit verbundenen Aus- und Nebenwirkungen benötigt. Zudem müssen persönliche Interessen und Ressourcen des Betroffenen bei der Trainingssteuerung berücksichtigt werden. Letztlich muss immer der Anspruch in Wissenschaft und Therapie die optimale Einstellung des einzelnen Patienten im Sinne der Individualisierung sein.

Eine große Herausforderung stellen die sich rasant ändernden medizinischen Therapieoptionen dar, die zum einen immer häufiger echte Heilung und zum anderen ein immer längeres Leben mit der Krebserkrankung bedeuten. Dadurch erhalten stetig mehr Menschen mit oder nach Krebs Zugang zu bewegungstherapeutischen Programmen. Auf diese Weise wird auch in Zukunft die Nachfrage nach Trainingskonzepten entsprechend des „State of the Art“ größer werden. Die Trainingskonzepte beinhalten unterschiedliche Trainingsformen wie zum Beispiel Ausdauertraining und Krafttraining. Dabei sollte ein komplexes Trainingsprogramm mit unterschiedlichen Trainingsinhalten angeboten werden, das nicht nur im moderaten Belastungsbereich angesiedelt ist, sondern Patienten angepasst durchaus höhere Belastungen und mehrmals wöchentliches Training beinhaltet. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass der Effekt des Trainings nur erzielt werden kann, wenn eine Regeneration stattfindet und in den Trainingsplan einbezogen wird. Dies umso mehr als Krebspatienten ein verändertes Regenerationsverhalten zeigen. Eine sinnvolle Planung mit Wechsel von Trainingsbelastung und Regenerationsphasen, angepasst an die Voraussetzungen der Erkrankung, der Therapie und des Patienten sind notwendig und die Herausforderung der Zukunft.

DGSP

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention e.V.

www.dgsp.de

 

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Autor: Universitätsprofessor Dr. med. Wilhelm Bloch, Leiter des Instituts für Kreislaufforschung und Sportmedizin Abteilung für Molekulare und Zelluläre Sportmedizin an der Deutschen Sporthochschule Köln

 

 

Soll ich an einer klinischen Studie teilnehmen?

PD Dr. Ruth Seggewiß-BernhardtKrebsmagazin – Ausgabe Februar 2012
PD Dr. med. Ruth Seggewiß-Bernhardt Universitätsklinikum Würzburg Internistin, Hämato-/Onkologin CCC Trial Office

Dieser Artikel soll Ihnen helfen, eine Entscheidung zu treffen. Selbstverständlich kann er nicht das Gespräch mit Ihrem Arzt oder mit Ihnen nahestehenden Personen ersetzen! Klinische Studien haben zu verbesserten Therapien gegen Tumore und Leukämien mit längerem Überleben oder gar Heilung geführt. Das gilt für Chemo- und Strahlentherapie, aber auch neue Operationstechniken. Studien ermöglichen Ihnen als Patient, frühzeitig Zugang zu neuen Medikamenten und Therapieverfahren oder auch Untersuchungsverfahren zu bekommen. Diesen Beitrag weiterlesen »

Diagnose Lungenkrebs – die Rolle des ambulanten Gespräches vor der Operation

Foto Prof. Dr. Andreas GranetznyKrebsmagazin – Ausgabe Februar 2012
Prof. Dr. Andreas Granetzny, Chefarzt Evangelisches und Johanniter Klinikum Niederrhein gGmbH , Duisburg

Erstmitteilung der Diagnose:
Es gibt ganz verschiedene Möglichkeiten, mit der Diagnose eines Lungenkrebses konfrontiert zu werden. In der Regel sollte ein kompetenter Facharzt den Patienten über die Diagnose einer Krebserkrankung und die Behandlungsmöglichkeiten aufklären. Leider trifft es die Patienten oft völlig unvorbereitet, z.B. durch die Mitteilung eines Radiologen, der ein Thorax-CT befundet hat und nun dem Patienten auf dessen drängende Frage hin mitteilt, dass eventuell ein bösartiger Lungentumor vorliegt. Diesen Beitrag weiterlesen »

Speiseröhrentumore – Neue Standards in der Behandlung

Prof. Dr. Wolfgang WagnerKrebsmagazin – Ausgabe Februar 2012
Prof. Dr. Wolfgang Wagner, Herausgeber Krebsmagazin, Paracelsus Strahlenklinik, Osnabrück

Speiseröhrenkrebs ist der Tumor mit der größten Zuwachsrate in den letzten Jahren, und zwar für die Untergruppe des sogenannten Adenokarzinoms. Die Risikofaktoren zur Entstehung dieses Tumors sind der Reflux, also die Regurgitation von Säure aus dem Magen in die Speiseröhre begleitet von Sodbrennen und Übergewicht. Die klassische Behandlung ist die Operation, wobei die Ergebnisse stadienabhängig doch recht schlecht sind. Diesen Beitrag weiterlesen »

Fortschritte in der Therapie von Knochenmetastasen

Prof. Dr. Lüftner, Dr. Overkamp, Prof. Dr. Diel

Krebsmagazin – Ausgabe
Februar 2012

Skelettbezogene Komplikationen mit gravierenden Folgen

Bei Patienten mit fortgeschrittenen Krebserkrankungen verursachen Knochenmetastasen häufig schwerwiegende Komplikationen, die in ihrer Gesamtheit als SRE bezeichnet werden. Die klinischen Symptome dieser SRE zeigen sich in pathologischen Frakturen, starken Schmerzen, sowie Rückenmarkskompressionen, die auch bis zur Querschnittslähmung führen können. Diesen Beitrag weiterlesen »

Orale Therapie in der Onkologie – Therapietreue zahlt sich aus

Foto Prof. Dr. Stefan FrühaufKrebsmagazin – Ausgabe Februar 2012
Prof. Dr. Stefan Frühauf, Zentrum für  Tumordiagnostik und -therapie, Paracelsus-Klinik Osnabrück

Die aktuelle Medikamentenentwicklung in der Onkologie geht weg von belastenden Infusionstherapien hin zur einfachen Anwendung in Tablettenform. Mehr als ein Viertel der Krebsmedikamente, die derzeit entwickelt werden sollen für die orale Einnahme verfügbar sein. Prominente Beispiele, die heute schon zur Verfügung stehen sind Imatinib für die Behandlung der chronischen myeloischen Leukämie (CML), Erlotinib und Gefitinib für die Behandlung von Lungenkrebs, Sunitinib, Sorafenib und Everolimus für die Behandlung von Nierenkrebs, Lapatinib für Brustkrebs und eine ganze Reihe weiterer Substanzen Diesen Beitrag weiterlesen »

TrueBeamTM – Fortschritt in der Strahlentherapie

Foto Bildgesteuerte StrahlentherapieKrebsmagazin – Ausgabe November 2010

Das UniversitätsSpital Zürich ist das erste Krankenhaus weltweit, das damit begonnen hat, Krebspatienten mit dem neuen TrueBeamTM-System von Varian Medical Systems zu behandeln. Dabei handelt es sich um eine neue Plattform für die bildgesteuerte Strahlentherapie und Strahlenchirurgie, die von Grund auf neu entwickelt wurde und mit bisher unerreichter Geschwindigkeit und Präzision die Behandlung auch bei Bewegungen ermöglicht. Diesen Beitrag weiterlesen »

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