Archiv für die Kategorie „Psyche/Bewältigung“

Krebspatienten wollen Normalität!

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von Dr. phil Iris Huth,  im Rahmen einer Veranstaltung der Duisburger Krebsberatungsstelle am 4. März 2020

Rund 1,7 Millionen Menschen leben in Deutschland mit einer Krebserkrankung, die in den letzten 5 Jahren diagnostiziert wurde und stellen fest: nach einer Krebsdiagnose ist nichts mehr wie es mal war! Bereits vor fast 35 Jahren hat einer der Pioniere der Psychoonkologie, Nikolaus Gerdesi, diese Situation ganz treffend als den „Sturz aus der normalen Wirklichkeit“ beschrieben. Denn Krebs erreicht uns plötzlich, unerwartet und zieht uns mit seiner Bedrohlichkeit buchstäblich den Boden unter den Füßen weg. Diese Empfindung geht einher mit dem Gefühl der Angst, der Ohnmacht und vor allem des Kontrollverlustes! Eine Krebsdiagnose versetzt den Menschen in einen Schockzustand. Es ist eine tiefgreifende, traumatische (Lebens-)Erfahrung, das heißt neben der körperlichen, auch eine seelische Verletzung. Krebs kränkt!ii Die Selbstbestimmtheit geht verloren, Normalität wird zum Ausnahmezustand. Das gesamte gewohnte Leben verändert sich, gerät ins Wanken, scheint zu entgleiten. Der Körper ist nicht mehr so belastbar wie früher, sieht möglicherweise unter der Krebstherapie anders aus. Und wer kennt sie als Erkrankter nicht, diese mitleidsvollen, verschämten Blicke, wenn die Spuren der Erkrankung sichtbar werden und man selber nebenher noch mit Scham, Wut und Trauer zu kämpfen hat.

Krebs ist nicht nur eine körperliche Erkrankung, sondern ein ganz vielschichtiges Phänomen, sowohl auf der physischen, wie auch seelischen, geistigen und sozialen Ebene. Von daher müssen auch die personellen Gefüge dem Druck dieser Erkrankung standhalten und dabei sind meist ganze Familien betroffen. Rolle und Status können sich wandeln. Nicht selten stehen berufliche, finanzielle Existenzen auf dem Spiel. Tagesabläufe sind nicht mehr wie gewohnt, wenn man noch dazu ständig beim Arzt oder in der Klinik ist und einem die Kraft für die ganz alltäglichen Dinge fehlt. Auch das gesamte Umfeld wandelt sich. Bekannte, Freunde, Kollegen, Nachbarn wissen nicht mehr genau, wie sie mit einem umgehen sollen….Da kann bereits allein die Frage „Wie geht es?“ manchmal zu einem Problem werden…. für alle beteiligten Seiten!

Jenseits der Normalität

Leben mit Krebs ist ein Leben „Jenseits der Normalität“iii, oder zumindest parallel dazu. Dabei wünschen sich Krebspatienten nichts sehnlicher, als das zu tun, was zuvor als ganz normaler Alltag und ohne groß darüber nachzudenken, als ganz selbstverständlich schien und gegenwärtig nur noch unter erschwerten Bedingungen möglich ist. Was würde man dafür geben, wenn man das Rad der Zeit zurückdrehen könnte, alles ungeschehen machen, einfach so tun könnte, als wenn nichts wäre. Doch das ist leider bei einer Krebserkrankung nicht der Fall. Krebs ist auch mit viel Stress verbunden. Umso wichtiger wird es, Normalität zu schaffen, Wege dafür zu ebnen, Verständnis für diese doch sehr besondere Situation zu erlangen, sowohl als Betroffener, als auch für das jeweilige Umfeld. Dies bestätigt auch die Leiterin des Essener Institutes für PatientenErleben Monja Gerigk. Menschen sind mehr als nur ihr Krankheitsbild, denn zwischen den Behandlungen und den Krankenhausaufenthalten ist es für sie wichtig ein Stück Normalität zu erhalten und auch leben zu können.iv

Gut ist, was gut tut

Fragt man Krebspatienten was ihnen neben der Erkrankung und Behandlung zu schaffen macht, so ist es auch die Normalität der anderen. Sie nervt! Neidvoll und schmerzlich schaut man, wie die Nachbarn einfach in Urlaub fahren, wenn man selber wieder zur nächsten Chemo muss. Selbst der regelmäßige Friseurbesuch, ist nicht möglich wenn die Haare fehlen, alles simple Alltäglichkeiten, die man schlicht und ergreifend vermisst. Doch Krebspatienten haben auch ganz eigene Strategien ihre normale Welt wieder herzustellen. So beschwerte sich einmal ein junger Mann in einer psychoonkologischen Sprechstunde, dass seine krebskranke Mutter ständig putze, sie wäre doch körperlich so angegriffen. Er verstünde nicht, warum sich seine Mutter mit so stupiden, unsinnigen Sachen in ihrer Situation befasse. Es gäbe doch jetzt Wichtigeres und Schöneres zu tun, als die Wohnung in Ordnung zu halten. Ihm fehlte die Erkenntnis, dass seine Mutter damit nicht nur Ablenkungsmanöver von ihrer Krankheit startete, sondern auch versuchte, ihre Normalität, d.h. ihren normalen, gewohnten Alltag wieder herzustellen. Ich putze – also bin ich! Ein Aktionismus, der nur schwer nachvollziehbar ist, denn als Angehöriger hat man Sorge, dass sich das Familienmitglied übernimmt, gerne will man helfen. Grundsätzlich aber geht es dabei auch noch um etwas viel Bedeutsameres, nämlich um die Botschaft: Ich will als Erkrankter wieder die Kontrolle zurück, über meinen Körper, über mein Leben, über alles was mich ausmacht! Hier sollte die Devise gelten, gut ist was gut tut. „Geben Sie Ihren Bedürfnissen nach. Für irgendwas wird es schon gut sein.“v

Krebs verändert das Leben für immer

Krebs verändert das Leben nicht nur punktuell, sondern auch sehr nachhaltig, nämlich für immervi. Auch wenn die Behandlung abgeschlossen ist, ist nichts mehr wie vorher. Konditionelle Schwächen, Fatigue Syndrom (Müdigkeits- und Erschöpfungssyndrom), Polyneuropathien und andere Begleit- und Folgeerscheinungen/Nebenwirkungen der Krebsbehandlung machen den Patienten noch lange zu schaffen. Hier gilt es, gut auf sich aufzupassen und alle Angebote rehabilitativer Maßnahmen, sowie alle Möglichkeiten der sozialen, beruflichen und finanziellen Hilfen auszuschöpfen, um die möglichen Einschränkungen in einem begrenzten, „normalen“ Rahmen zu halten.

Umgang und Kommunikation mit Krebspatienten

Krebspatienten bekommen überdies viel zu hören, oft ungefragt. Krankheitsbeschreibungen von anderen, läppische Aufmunterungen der Marke „Wird schon wieder!“, unbedachte Taktlosigkeiten, oder wohlgemeinte Ratschläge, was man alles zu tun und zu lassen hat. Kommunikation ist im Umgang mit Krebspatienten eine hochsensible Angelegenheit. Es ist ein weiteres und weites Feld der Tretminen und Fettnäpfchen. Dies beginnt oft schon mit der Mitteilung der Diagnose, setzt sich mit der Weitergabe der Information an Angehörige, Freunde und in allen künftigen Begegnungen fort. Man weiß als Betroffener nicht so recht, was man dem Gegenüber an Gesprächsinhalten und eigenen Emotionen zumuten kann und umgekehrt weiß das Umfeld nicht so genau, welche Themen man anschneiden kann, soll und darf. Es bilden sich Kausalketten aus Befangenheit, Unsicherheit und schließlich Rückzug. Damit ist im Krankheitsfalle niemandem gedient. Es ist wahrscheinlich die Mischung aus reden, zuhören und auch einmal miteinander schweigen können, die hilft. Und es ist der Wunsch der Patienten nicht immer nur über Krankheit reden zu wollen, sondern auch mal wieder lachen zu dürfen – eben ganz „normale“ Gespräche zu führen. Denn zweifelsohne bleibt der Umgang mit einer Krebserkrankung ein Ringen um Sprache und Emotionen, denn „Krebspatienten sind anders“vii. Da hilft nur Offenheit und die Frage an den Erkrankten: Was brauchst du jetzt?

Auch auf der Beziehungs- und Partnerschaftsebene führt Krebs oft zu Veränderungen. Zahlreiche Studien zeigen, dass die Erkrankung entweder die Verbindung kittet oder sprengt.viii Es gibt hier anscheinend nur hopp oder top. Unbestritten aber ist die Tatsache, dass eine stabile menschliche Beziehung nicht nur bei der Krankheitsbewältigung hilft, sondern auch ein Stück Normalität schafft, nämlich mit der Kombination aus: tragen und getragen werden.

Balanceakt

Eine Krebserkrankung ist nicht nur ein (Lern-)Prozess, sondern auch ein Balanceakt für alle Beteiligten, eine Gratwanderung zwischen einerseits dem Erkrankten helfen zu wollen und ihn gewähren, bzw. ihm seine Autonomie zu lassen; umgekehrt bedeutet dies für den Patienten einen Mittelweg zu finden, zwischen Selbstbestimmung, dem Wunsch so normal wie möglich leben zu können und zu wollen und gleichzeitig der Notwendigkeit Hilfe anzunehmen und schließlich realisieren zu müssen, dass bestimmte Dinge einfach nicht mehr so gut und so schnell funktionieren wie früher. Geduld und Akzeptanz mögen dabei auf allen Seiten hilfreich sein.

Zweifelsohne ist eine Krebserkrankung eine ganz besondere Herausforderung im Leben eines Menschen. Auf diesem Weg, dem Zurückerobern von Handlungsfähigkeit, Kontrolle, Autonomie ist es wichtig für Patienten und Angehörige zu wissen, auf welche professionellen Beratungs- und Hilfsangebote der verschiedensten Disziplinen (medizinisch, psychoonkologisch und sozialrechtlich) man ggf. zurückgreifen und sich begleiten lassen kann.

Literatur und Quellen:

i  Gerdes, N. Der Sturz aus der normalen Wirklichkeit und die Suche nach Sinn, in: Schmidt. W. (Hrsg.) Jenseits der Normalität. Leben mit Krebs. München 1986, S. 10-34

ii  Steinvorth, M.G. Die Krebsreise. Ein kleiner Reisebegleiter für krebskranke Menschen. Berlin 2015, S. 9

iii  Ebd.

iv  Siehe „Ein Stück „Normalität“ in der Erkrankungsphase. https://patientenerlebnis-design.de/ein-stueck-normalitaet-in-der-erkrankungsphase/

v  Staudinger, N. Stehaufqueen. München 2018, S. 53.

vi  Siehe Dignös, E. Krebs verändert das Leben für immer. https://www.welt.de/print/die_welt/wissen/article141628344/Krebs-veraendert-das-Leben-fuer-immer.html

vii  Künzler, A. et. al. Krebspatienten sind anders. Was häufig auffällt und was manchmal schwierig ist, in: Schweiz Med Forum, Zürich 2010, S. 344-347.

viii  Vgl. https://www.wochenblatt.com/landleben/gesundheit/krebs-kittet-oder-sprengt-beziehungen-8835610.html

https://www.zeit.de/2018/10/partner-krebspatienten-beziehung-erfahrungen-tipps

 

Wenn Krebs die Familie trifft ist die Aufklärung der Kinder wichtig

Für Kinder gerät die Welt ins Wanken, wenn ein Eltern- oder manchmal auch Großelternteil an Krebs erkrankt. Doch man kann einiges tun, um Kinder altersgerecht aufzuklären und ihnen durch diese belastende Zeit zu helfen.

KM Kinder richtig aufklären bei Krebs

Eine Krebsdiagnose kann Auswirkungen auf die Entwicklung von Kindern haben, vor allem dann, wenn die Eltern nicht offen reden können. Gerade jüngere Kinder fühlen sich oft mitverantwortlich, wenn es Mama oder Papa schlecht geht. Sie verstehen nicht, was Krebs ist und was die Erkrankung bedeutet. Fehlt der Austausch mit den Eltern, suchen sie oft selbst nach Erklärungen für die Veränderungen im Familienleben. Finden sie keine Antworten auf ihre Fragen entwickeln Kinder oft Schuldgefühle, oder Eltern nehmen besorgt Verhaltensänderungen bei ihren Kindern wahr. Hilfreich können die folgenden 5 Tipps zum Umgang mit Kindern sein:

  1. Finden Sie eine offene und dem Alter des Kindes angemessene Sprache.  Sagen Sie,  dass Sie Krebs haben und dass alles dafür getan wird, dass Sie wieder gesund werden. Sagen Sie ihrem Kind auch, dass Sie es informieren, sollte sich an der jetzigen Situation was ändern. Kinder spüren die veränderte Stimmung ihrer Eltern. Sie nehmen wahr, wenn diese ängstlich, traurig oder verzweifelt sind. Je offener Sie dem Kind gegenüber sind, desto seltener wird es nach eigenen Erklärungen suchen. Sie fühlen sich damit überfordert? Die geschulten Fachkräfte in den Psychosozialen Krebsberatungsstellen der  Landeskrebsgesellschaften helfen Ihnen gerne, eine angemessene Bewältigungsstrategie zu entwickeln.
  2. Sprechen Sie mit Ihrem Kind über bevorstehende Veränderungen. Erklären Sie, z. B. was bei einer Operation oder Chemotherapie geschieht, wie sich der Körper äußerlich verändern kann und welche Auswirkungen die Behandlungstermine auf den Alltag des Kindes haben können. Lassen Sie Ihr Kind selbst entscheiden, ob es den kranken Elternteil im Krankenhaus besuchen möchte oder nicht.
  3. Alle Gefühle dürfen sein. Sie dürfen traurig und ängstlich sein – auch in Gegenwart Ihres Kindes – aber achten Sie darauf, dass Sie Ihr Kind nicht mit den eigenen Ängsten überschütten. Kinder sind nur begrenzt belastbar. Bei allen Emotionen, die Sie äußern, muss ein für das Kind erträgliches Maß gewahrt bleiben.
  4. Spaß und Spiel sind erlaubt. Manche Kinder haben das Gefühl, angesichts der schweren Erkrankung von Mutter oder Vater keinen Spaß mehr haben zu dürfen und verzichten auf Dinge, die sie eigentlich gerne machen. Ermuntern Sie Ihr Kind  auch weiterhin zum Spielen und zum Zusammensein mit Freunden. Das tut ihrem Kind und somit auch Ihnen gut.
  5. Informieren Sie Pädagogen in Kindergarten, Hort oder Schule über die Situation. Oft sind sie die Ersten, denen ein verändertes Verhalten eines Kindes auffällt. Adäquate Unterstützung kann hier nur erfolgen, wenn sie die Belastungen des Kindes kennen. Ob Freunde und Klassenkameraden über die Krebserkrankung informiert werden sollen, entscheiden Kinder und Jugendliche am besten selbst.

Nach Schätzungen des Robert Koch-Instituts werden in Deutschland jährlich ca. 150.000 bis 200.000 Kinder unter 18 Jahren neu mit der Situation konfrontiert, dass bei Mutter oder Vater „Krebs“ diagnostiziert wurde. Das heißt: In jeder dritten Familie,

in der ein Elternteil an Krebs erkrankt, leben minderjährige Kinder.

Weitere Tipps und ausführliche Informationen erhalten betroffene Familien in der Broschüre: „Was Kindern und Jugendlichen hilft, wenn Eltern an Krebs erkranken“ Erhältlich unter: www.bayerische-krebsgesellschaft.de

Quelle: Bayrische Krebsgesellschaft e.V.

Bewegung und Sport hilft Krebspatienten

Aufschluss über die Rolle von Bewegung und Sport bei Krebs, Trainingstipps und Antworten auf Fragen, wie beispielsweise: „Wann darf ich mit Sport beginnen?“ oder: „Wie oft darf ich trainieren?“ gibt die neue Broschüre ‘Bewegung und Sport bei Krebs‘. aus der Reihe „blaue Ratgeber“.  Zusätzlich erhalten Betroffene wichtige Informationen zu den Rahmenbedingungen für den Rehabilitationssport. Die Broschüre kann kostenfrei unter www.krebshilfe.de abgerufen werden oder auf dem Postweg bestellt werden bei: Deutsche Krebshilfe, Postfach 14 67, 53004 Bonn oder im Internet .

„Der Ratgeber ‘Bewegung und Sport bei Krebs‘ bietet viele hilfreiche Informationen dazu, welche sportlichen Aktivitäten für Betroffene möglich und empfehlenswert sind, welche körperlichen Beschwerden sich durch Bewegung und Sport verbessern lassen und welche Bewegungsformen nicht ratsam sind“, erläutert Gerd Nettekoven, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krebshilfe.

Bewegung gegen Krebs

Foto: Homepage: www.bewegung-gegen-krebs.de        Deutsche Krebshilfe

Die Deutsche Krebshilfe bietet darüber hinaus mit Ihrer Kampagne “Bewegung gegen Krebs” auch zahlreiche weitere vertiefende Informationen wie Präventionsratgeber kostenfrei an – beispielsweise die Broschüre „Schritt für Schritt“ mit Motivationstipps und Trainingsplänen für Sportanfänger, Wiedereinsteiger und Fortgeschrittene. Über das Internet ist die Kampagne über die gleichnamige Webseite erreichbar: www.bewegung-gegen-krebs.de.

Quelle: Stiftung Deutsche Krebshilfe

Bewegungstherapie hocheffektiv

Neue Erkenntnisse zu Fatigue und Polyneuropathie beim 33. Deutschen Krebskongress 2018 in Berlin vorgestellt.

 

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Viele Krebspatienten leiden unter den Nebenwirkungen ihrer Therapie. Dazu gehören etwa Erschöpfung, auch Fatigue-Syndrom genannt, oder Polyneuropathie, eine Schädigung der Nerven. Gezieltes bewegungstherapeutisches Training hilft, die zum Teil starken Einschränkungen zu reduzieren und die Lebensqualität der Betroffenen zu steigern. Aktuelle Studienergebnisse – unter anderem eine Meta -Analyse aus den USA – konnten nun belegen: Körperliche Aktivität vermindert die Beschwerden erfolgreicher als eine medizinische oder eine psychologische Therapie.

 

Bewegung ist das geeignetste ‚Medikament‘ zur Reduzierung des Fatigue-Syndroms“, berichtete PD Dr. Freerk Baumann, Leiter der Arbeitsgruppe Onkologische Bewegungsmedizin am CIO Köln/Bonn. Doch nicht nur bei der Behandlung des Fatigue-Syndroms gibt es neue Erkenntnisse. „Auch bei der Chemotherapie-induzierten Polyneuropathie (CIPN) zeigen Studien, dass Bewegungstherapie hilft. Für die Polyneuropathie gibt es keine andere Behandlungsmethode, deren nachhaltige Wirkung bewiesen werden konnte“, so Baumann weiter. „Sensomotorisches Training und womöglich auch Vibrationstraining erzielen die besten Effekte bei der Therapie von Nervenschäden, wie eingeschränktes Tastgefühl an den Händen sowie Kribbeln und Schmerzen an Händen und Füßen.“ Dieser Ansatz wird derzeit in einer gemeinsamen Studie der Deutschen Sporthochschule Köln und der Uniklinik Köln weiter verfolgt. Erste Forschungsergebnisse unterstützen die Annahme, dass spezielles Bewegungstraining eine hemmende Wirkung auf die CIPN haben könnte.

 

Trotz der Erfolge, die mit einer gezielten Bewegungstherapie erreicht werden können, ist es jedoch schwierig, entsprechende Versorgungsstrukturen für alle Patienten zu schaffen. „Ein therapeutisches Training während der medizinischen Krebstherapie muss individuell auf die Patienten angepasst werden. Hierzu bedarf es speziell ausgebildeter Sport- und Physiotherapeuten, von denen es zurzeit noch nicht genügend gibt“, erklärte der Direktor des Centrums für integrierte Onkologie (CIO) Köln/Bonn, Professor Dr. Michael Hallek. „Darüber hinaus bestehen in den Onkologischen Zentren auch räumliche und finanzielle Engpässe, um hochwertige Trainingsgeräte anzuschaffen.“ Erschwerend käme hinzu, dass die Sporttherapie im Gegensatz zur Physiotherapie nicht im Heilmittelkatalog aufgeführt ist , obwohl die positiven Effekte durch Sporttherapie bereits sehr gut wissenschaftlich belegt seien.

Hier ist die Gesundheitspolitik gefordert, dies schnellstens zu ändern“, unterstrich PD Dr. Baumann. „Denn, würde die Sporttherapie in den Heilmittelkatalog aufgenommen, so wäre es für die Krebszentren deutlich einfacher, entsprechende bewegungstherapeutische Strukturen aufzubauen.“ Um umfassende Informationen über die Versorgungsstrukturen zur Bewegungstherapie in Deutschland zu erhalten und Erkenntnisse darüber zu gewinnen, inwieweit Krebspatienten die Möglichkeiten der Sporttherapie überhaupt vermittelt werden, hat die Deutsche Krebshilfe eine bundesweite Umfrage bei über 700 Krebszentren durchgeführt. „Die Ergebnisse dieser Befragung werden in Kürze vorliegen, doch schon jetzt zeichnet sich dringender Handlungsbedarf ab“, erklärte Gerd Nettekoven, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krebshilfe.

Das Thema körperliche Aktivität in der Krebstherapie hat für die Deutsche Krebshilfe einen hohen Stellenwert. Wir halten es für wichtig, die Forschung auf diesem Gebiet voranzutreiben, um weitere wissenschaftliche Erkenntnisse zu erhalten. Wir wollen aber auch Krebspatienten und Ärzte umfassend über die positiven Effekte der Bewegungstherapie informieren.

Dies gelte zudem nicht nur für die Zeit während der Therapie, sondern auch für die Zeit danach, denn auch in der Krebsnachsorge seien Sport und Bewegung wichtig für das Wohlbefinden der Betroffenen. Um das Thema Bewegung stärker und mit Nachhaltigkeit sowohl in der Therapie als auch in der Krebsnachsorge zu verankern, haben die Deutsche Krebshilfe, der Deutsche Olympische Sportbund und die Deutsche Sporthochschule Köln im Jahr 2014 die Initiative „Bewegung gegen Krebs“ gestartet.

Unterstützt werden sie dabei von Heiko Herrlich, ehemaliger Fußballprofi und heute Bundesligatrainer sowie Antje Möldner-Schmidt, Europameisterin im 3.000-Meter-Hindernislauf. Herrlich und Möldner-Schmidt wissen als ehemalige Patienten um die zentrale Bedeutung von Sport und Bewegung während und nach der Krebstherapie. „Für mich brach eine Welt zusammen, als ich mit der Diagnose Krebs konfrontiert wurde“, berichtete Möldner-Schmidt in Berlin. „Doch Sport und Bewegung haben mir sehr geholfen, die schwere Zeit durchzustehen und viele Hürden zu überwinden.“ Die Leichtathletin erkrankte im Januar 2010 an Morbus Hodgkin. Bereits zehn Monate nach der Diagnose nahm sie das Training wieder auf und wurde im Jahr 2014 Europameisterin.

Quelle: Presseinformation 33. Deutscher Krebskongress 2018, Pressestelle Deutsche Krebsgesellschaft und Pressestelle Stiftung Deutsche Krebshilfe e.V.

 

Wenn Angehörige an Ihre Grenzen stoßen – Projekt in Düsseldorf bietet Paaren Hilfe

„Es zeigt sich, dass Angehörige oftmals genauso stark belastet sind, wie die Erkrankten selbst. Dennoch stellen diese ihre Sorgen und Bedürfnisse meist gänzlich in den Hintergrund. Das ist eine normale Reaktion und kann auch erstmal funktionieren“, berichtet die Psychoonkologin Anna Arning, die ein neues Projekt von Seiten der Krebsgesellschaft NRW betreut. „Wenn die Belastung jedoch zu groß wird, können die körperlichen, psychischen, sozialen oder auch wirtschaftlichen Folgen sehr massiv sein. Viele Paare zerbrechen dann daran. Dem wollen wir vorbeugen“, so Arning.

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Zusammen ist man weniger allein! Das trifft auch auf die Extremsituation zu, wenn innerhalb einer Beziehung ein Partner an Krebs erkrankt. Der nicht erkrankte Partner gibt Halt, teilt die Sorgen und übernimmt nicht selten viele Alltagsaufgaben. Eine stabile Beziehung kann sich positiv auf den Krankheitsverlauf auswirken. Aber was ist, wenn nicht alles glatt läuft und die Beziehung aus dem Gleichgewicht gerät? In dieser Situation kann es hilfreich sein, das Problem offen anzugehen und auch fachliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Eine solche Unterstützung bietet nun ein gemeinsames Projekt des Universitätstumorzentrums Düsseldorf (UTZ) und der Krebsgesellschaft Nordrhein-Westfalen e.V. Im Rahmen einer Studie können Partner beziehungsweise Paare ein speziell auf sie zugeschnittenes Beratungsangebot in Anspruch nehmen. Die Beratungen werden von einer Psychoonkologin geleitet und sind vertraulich und kostenfrei. Ziel des neuen Beratungsangebots ist eine Verbesserung der partnerschaftlichen Unterstützung bei Krebs. Dabei rückt der nicht erkrankte Partner vermehrt in den Fokus.

Die Beratungsgespräche im Rahmen des Projekts werden entweder mit dem nicht erkrankten Partner allein oder mit dem Paar geführt. „Unser Ziel ist es, die Paare bei der Krankheitsbewältigung aktiv zu unterstützen, die Kommunikation in der Beziehung zu verbessern und die Lebensqualität wieder zu steigern“, erklärt André Karger, Oberarzt am Klinischen Institut für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und Leiter des Bereichs Psychoonkologie am UTZ. „Um dies zu erreichen, wollen wir erst einmal dazu motivieren, die Belastungen offen auszusprechen. Bereits hier herrscht in vielen Beziehungen bewusstes Schweigen oder die Partner sind einfach hilflos im Umgang miteinander angesichts der Schwere der Erkrankung“, so Karger.

Das neue Angebot soll den Bürgern unmittelbar und praktisch orientiert zu Gute kommen, es soll aber auch die Wissenschaft voranbringen. In Form einer Studie angelegt, sollen Erkenntnisse darüber gewonnen werden, inwiefern eine frühzeitige psychoonkologische Unterstützung Einfluss auf die Stabilität der Paarbeziehung und die gemeinsame Bewältigung der Krebserkrankung hat. Untersucht wird auch, inwiefern sich paarbezogenen Beratungen von Einzelberatungen des nicht erkrankten Partners im Ergebnis unterscheiden. Paare, die sich gegen eine Teilnahme an der Studie entscheiden, sich dennoch beraten lassen möchten, können das bestehende psychosoziale Beratungsangebot der Psychoonkologischen Ambulanz am Universitätstumorzentrum oder der Krebsberatung Düsseldorf in Anspruch nehmen.
Mit dem neuen Angebot rücken UTZ, Krebsgesellschaft NRW und die Krebsberatung Düsseldorf in der stationären und ambulanten onkologischen Versorgung bewusst zusammen. Ziel ist die exemplarische Vernetzung beider Bereiche im Sinne eines psychoonkologischen Versorgungspfads „Für Krebserkrankte und Angehörige bedeutet dies: eine lückenlose Betreuung in der Klinik und in der Zeit danach“, so Karger.

Kontakt & Anmeldung zur Beratung:

Universitätstumorzentrum Düsseldorf
Klinisches Institut für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Bozena Sowa, Psychoonkologin
Tel. 02 11 81 / 08 296
GemeinsamStarkSein@med.uni-duesseldorf.de
 
Die Beratungen finden statt in der Krebsberatung Düsseldorf
Fleher Straße 1 40223 Düsseldorf (Bilk)
Tel. 02 11 / 30 20 17-57
Internet: www.krebsberatungduesseldorf.de
Mail: info@krebsberatungduesseldorf.de

Nebenwirkungsmanagement: Neue Behandlungsleitlinie zu Begleittherapien (Supportivtherapie)

Patienten von heute profitieren mit einem hohen Maß an Lebensqualität durch sogenannte begleitende beziehungsweise unterstützende Therapien die auch Supportivtherapien genannt werden. Waren beispielsweise noch vor wenigen Jahren Übelkeit und Erbrechen im Zusammenhang mit einer Chemotherapie eine der am häufigsten von Patienten gefürchteten Nebenwirkungen, so ist dies inzwischen für Patienten durch eine entsprechende und äußerst effiziente Begleittherapie nur noch selten ein Thema. Doch wirksame Krebstherapien bringen vielfältige Nebenwirkungen mit sich. Eine neue Behandlungsleitlinie versucht nun, Behandlern eine einheitliche Übersicht zu bieten.

S3 Leitlinie_Supportive Therapie

Die mit 558 Seiten überaus umfangreiche und lesenswerte Behandlungsleitlinie ist kostenfrei unter folgender Webseite abrufbar:
http://leitlinienprogramm-onkologie.de/Supportive-Therapie.95.0.html
 

„Unterstützende Maßnahmen machen die Krebsbehandlung verträglicher, verbessern die Lebensqualität der Patienten und stellen sicher, dass eine wirksame Tumortherapie fortgeführt werden kann. Supportive Therapien sind selbstverständliche Bausteine jeglicher Behandlung onkologischer Erkrankungen und ihr sachgerechter Einsatz ist ein Qualitätsmerkmal für eine gute Behandlung – das gilt für Patienten aller Altersgruppen von der Diagnosestellung und der Erstbehandlung bis hin zur palliativen Versorgung“, kommentiert Prof. Dr. Karin Jordan, Onkologin an der Universität Halle und Koordinatorin der neuen Leitlinie. „Die Leitlinie unterstützt Ärzte und andere Berufsgruppen bei der Entscheidung über die optimale Unterstützung mit formal konsentierten, klar verständlichen und nachvollziehbaren Empfehlungen.“ Auf der Grundlage der vorliegenden Leitlinie wird derzeit eine Patientenleitlinie erarbeitet.

Die Arbeitsgemeinschaft Supportive Maßnahmen in der Onkologie, Rehabilitation und Sozialmedizin (ASORS) in der Deutschen Krebsgesellschaft, die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) und die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) möchten mit der Erarbeitung der Leitlinienempfehlungen eine bundesweite Basis für eine Standardisierung wichtiger Themen bei der fachübergreifenden Behandlung der Komplikationen der Krebstherapie und Krebserkrankung legen. Die S3-Leitlinie behandelt auf 558 Seiten zehn Themen aus dem Bereich der supportiven Krebstherapie:

• Anämie (Blutarmut) aufgrund der Tumortherapie
• Neutropenie (Mangel an weißen Blutkörperchen) aufgrund der Tumortherapie
• Übelkeit und Erbrechen aufgrund der Tumortherapie
• Therapiebedingte Durchfälle
• Entzündung der Mundschleimhaut aufgrund der Tumortherapie
• Therapiebedingte Hautproblemen
• Periphere Nervenschädigungen aufgrund der Tumortherapie (Polyneuropathie)
• skelettbezogene Komplikationen (Knochenmetastasen, Knochenbrüche,…)
• Gewebeschädigungen als Komplikation bei einer intravenösen Infusion
• Begleittherapien (supportive Maßnahmen) der Strahlentherapie

 

Quelle:

Pressestelle der Deutschen Krebsgesellschaft e.V.
Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V.
Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie e.V.

 

ANGST: Die Deutschen fürchten sich am meisten vor Krebs

Sieben von zehn Menschen in Deutschland fürchten sich am meisten vor Krebs. Bei Erwachsenen zwischen 30 und 44 Jahren und Frauen ist die Angst besonders groß. Das zeigt eine aktuelle und repräsentative Studie der DAK-Gesundheit. Ein weiteres zentrales Ergebnis: Das Engagement für die eigene Gesundheit wächst. Immer mehr Menschen gehen zu Vorsorgeuntersuchungen und halten sich mit Sport und gesunder Ernährung fit.

Foto: iStock DAK Gesundheit

Foto: iStock DAK Gesundheit

Seit 2010 untersucht das Forsa-Institut für die Krankenkasse DAK-Gesundheit die Angst der Deutschen vor Krankheiten. Aktuell wurden bundesweit über 1.000 Frauen und Männer befragt. Bei 69 Prozent der Bundesbürger ist die Furcht vor einem bösartigen Tumor am größten – im Vergleich zum Vorjahr ein leichter Anstieg. Vor allem Erwachsenen zwischen 30 und 44 Jahren (77 Prozent) und Frauen (72 Prozent) macht Krebs Angst. Jeder Zweite fürchtet sich vor Alzheimer oder Demenz. Fast genauso viele Menschen (47 Prozent) haben Angst, einen Schlaganfall oder einen Unfall mit schweren Verletzungen (43 Prozent) zu erleiden. Die Furcht vor einem Herzinfarkt kennen vier von zehn Befragten.

Engagement für Gesundheit wächst

Im Vergleich zum Vorjahr engagierten sich die Befragten etwas mehr für ihre Gesundheit. Um Krankheiten vorzubeugen, gehen 56 Prozent zur Krebsvorsorge (2015: 54 Prozent). 46 Prozent nutzen den Gesundheits-Check gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen (2015: 41 Prozent). Auch regelmäßige sportliche Aktivitäten und gesunde Ernährung stehen bei den Deutschen hoch im Kurs (2016: 80 und 77 Prozent vs. 2015: 77 und 71 Prozent). „Es ist gut, dass mehr Menschen ihre Gesundheit aktiv fördern“, kommentiert Hella Thomas, Präventionsexpertin der DAK-Gesundheit. „Als Krankenkasse unterstützen wir sie mit wichtigen Vorsorgeuntersuchungen und einem breit gefächerten Präventionsangebot beim Gesundbleiben.“

Junge Erwachsene haben Angst vor psychischen Erkrankungen

Die DAK-Analyse zeigt außerdem: Die Angst vor psychischen Krankheiten trifft vor allem Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 29 Jahren: 40 Prozent befürchten, an Depressionen und anderen Seelenleiden zu erkranken. Faktisch werden psychische Erkrankungen jedoch bei ältere Menschen deutlich häufiger diagnostiziert als bei jungen Erwachsenen. Die über 60-Jährigen haben aber am wenigsten Angst vor Seelenleiden (21 Prozent).

Gute Gesundheit bei 88 Prozent der Deutschen

Insgesamt schätzen 88 Prozent der Deutschen ihren aktuellen Gesundheitszustand als gut bzw. sehr gut ein. Im Vergleich der Bundesländer und Regionen bewerten die Menschen in Baden-Württemberg mit 92 Prozent ihren Gesundheitszustand als besonders gut. Im Norden sind es nur 85 Prozent.

Vor diesen Krankheiten haben die Deutschen am meisten Angst:

  1. Krebs (69 Prozent)
  2. Alzheimer/Demenz (50 Prozent)
  3. Schlaganfall (47 Prozent)
  4. Unfall mit schweren Verletzungen (43 Prozent)
  5. Herzinfarkt (40 Prozent)
  6. Schwere Augenerkrankung, z.B. Erblindung (34 Prozent)
  7. Psychische Erkrankungen wie Depression (27 Prozent)
  8. Schwere Lungenerkrankung (24 Prozent)
  9. Diabetes (18 Prozent)
  10. Geschlechtskrankheit, wie z.B. Aids (13 Prozent)

*Das Forsa-Institut führte für die DAK-Gesundheit am 17. und 18. Oktober 2016 eine bundesweite und repräsentative Befragung von 1.004 Männern und Frauen durch.

Spiritualität – der Anker in Krisenzeiten

Bild 1_Spiritualität Huth

So gut wie jeder von uns hat einmal in einer brenzligen Situation oder vor der Bewältigung einer schwierigen Aufgabe gestanden und dann ein Stoßgebet (zu wem auch immer!!!) losgeschickt: Lass es gut gehen! Lass es klappen! Lass mich siegen – oder ganz einfach – beschütze mich!

Ganz gleich an wen diese Bitten gerichtet sind, haben wir gehofft, dass eine höhere Instanz es schon für uns und zu unseren Gunsten regeln und in ihre Hände nehmen wird. Für die einen gehört dies zum Teil ihres Glaubens, ihrer Religiosität. Für andere ist es eine Art Urvertrauen durch eine Macht und Stärke – sei es von innen oder außen – getragen zu werden.

Vor allem im Zusammenhang mit einer Erkrankung kommen wir ins Nachdenken, suchen wir nach einem „Ankerplatz“, nach Orientierung, nach etwas was uns hält. Wir brauchen Impulse und Perspektiven, die uns die Kraft und den Mut geben, weiter zu machen, nicht aufzugeben – selbst wenn es in der Situation besonders schwer fällt und wir physisch wie auch psychisch an unsere Grenzen stoßen.

Egal ob Christ, Muslim, Buddhist, Jude, gläubig oder nicht, gibt es im Leben eines Menschen eine Kraft, die ihn trägt und hoffen lässt. Nennen wir sie einmal generell Spiritualität. Spiritualität (von lat. spiritus – Geist, bzw. spiro – ich atme) bedeutet im weitesten Sinne Geistigkeit und bezeichnet eine auf einen geistlichen Inhalt ausgerichtete Haltung. Während Religiosität Ordnung sowie Vielfalt in der Welt und gleichzeitig auch die Empfindung einer übergeordneten Wirklichkeit meint (Transzendenz), beinhaltet Spiritualität eine Hinwendung und/oder das aktive Praktizieren einer als richtig/passend empfundenen Glaubenshaltung oder Philosophie. Daraus lässt sich folgern, dass Spiritualität auch Auswirkungen auf die persönliche Lebensgestaltung und nicht zuletzt auch auf die Krankheitsbewältigung eines Menschen hat.

Sinnfragen

Schon immer hat sich der Mensch mit Fragen des Daseins, der Welt und der eigenen Existenz beschäftigt. „Mit dem Begriff Spiritualität wird eine nach Sinn und Bedeutung suchende Lebenseinstellung bezeichnet.“[i]Vor allem im Moment gesundheitlicher Beeinträchtigungen kommen diese Sinnfragen noch deutlicher zum Vorschein. „Warum trifft es mich?“ „Was habe ich verkehrt gemacht?“ „Was/wer kann mir helfen?“ „Wofür lebe ich?“ „Wie war mein Leben bisher? Wie wird es künftig sein?“ Vieles macht im Falle einer Erkrankung zunächst keinen Sinn, bleibt unverständlich, nebulös. Oft wird Krankheit als Sinnvernichter, als Zeit- und Lebensräuber gesehen. Aber viele Menschen beginnen erst im Angesicht einer ernsthaften Erkrankung mit einem viel bewussteren, intensiveren, achtsameren Leben.

Befragt man Patienten nach ihren persönlichen Ausdrucksformen und Ideen von Spiritualität, so können mindestens sieben Faktoren ausfindig gemacht werden[ii]:

 

Spiritualität Abb2_Huth

Spiritual Care

Mit Spiritual Care ist zunächst einmal die (gemeinsame) Sorge um die Möglichkeit der Teilhabe und Teilnahme an einem als sinnvoll erfahrenen Leben gemeint. In diesem Zusammenhang ist an den Grenzen zwischen Medizin, Theologie/Seelsorge, Psychologie und auch Pflege eine noch sehr neue und junge wissenschaftliche Disziplin[iii]  entstanden, die sich interdisziplinär und stark patientenorientiert mit der Begleitung (schwerst-)kranker Patienten befasst. Es handelt sich dabei um eine ganzheitliche Versorgung erkrankter Menschen, bei der neben der medizinischen Versorgung auch das seelische Wohl im Mittelpunkt steht. Das Aufspüren, Entwickeln und Leben von Spiritualität ist eng geknüpft an Aspekte wie Sinnsuche und Trost, an die mentalen, emotionalen Bedürfnisse eines Menschen in einer Krankheitssituation.

Besonders im Falle einer Erkrankung erwacht bei vielen Menschen das Verlangen nach einer spirituellen Begleitung, einem spirituellen Halt, der dabei auch nicht immer rein religiös ausgeprägt sein muss. Insofern ist mit der Frage, was einen Menschen trägt und ihm Halt gibt, auch die Einsicht verbunden „Man kann nicht nicht spirituell sein“[iv]. Die Aufgabe von Spiritual Care ist dabei, die spirituellen Ressourcen, die jeder Mensch besitzt, freizulegen und im achtsamen Umgang mit der Individualität jedes Einzelnen zu fördern und dafür in der Achtung gegenüber der jeweiligen Religion oder Überzeugungen Raum zu schaffen – auf dem Weg zu Hoffnung und Vertrauen.

Spiritualität Abb3_Fragestellungen

Lebensqualität

Gut ist, was gut tut – in diesem Kontext mehren sich inzwischen auch die Hinweise aus der Wissenschaft, dass Spiritualität einen erheblichen Anteil bei Heilungsprozessen hat. So sieht der Heidelberger Biophysiker M.H. Niemz den Faktor Spiritualität als „Wahrheit, die von innen kommt“[v]. D.h. mittels Spiritualität schafft sich der Mensch seinen eigenen persönlichen, heilsamen, tröstlichen Kosmos, seinen sicheren Ort und aus dieser Perspektive heraus, kann sich auch der Glaube an sich selbst entwickeln (Selbstwirksamkeit!). Auf medizinischem Gebiet existieren bereits zahlreiche Studien, die eine positive Wechselwirkung zwischen Spiritualität und Lebensqualität belegen.[vi] So forschen der Mediziner E. Frick und Theologe T. Roser gemeinsam an Fragestellungen zur Wirksamkeit von Spiritualität insb. bei den Heilungs- und Gesundungsprozessen onkologischer Patienten.[vii] Hierbei hat sich auch bestätigt, dass vor allem Krankenhäuser als hochspirituelle Orte gelten, da in ihnen viele Prozesse der Krankheitsverarbeitung, des Bangens und Hoffens stattfinden. Befragungen haben ebenfalls gezeigt, dass Familie/Freunde, sowie Beschäftigte in Gesundheitsberufen und auch andere Unterstützer wie Seelsorger und Psychologen zu den häufigsten spirituellen Begleitern bei einer Erkrankung gehören.[viii]

 

 Heilung – von Cure zu Heal

Nicht immer können Mediziner dem Anspruch und der Erwartung gerecht werden, eine (vollständige) medizinische Heilung oder Gesundung zu leisten. Im deutschen Sprachgebrauch ist mit Heilung vordergründig erst einmal die physische Genesung gemeint. Im angloamerikanischen Raum trifft man dagegen auf eine sprachliche Differenzierung die den Fokus auch auf eine mentale Gesundung (u.a. mittels Spiritualität!), trotz physischer Einschränkungen lenkt und zulässt (engl. to heal). Denn es müssen in der medizinischen Realität nicht selten Kompromisse geschlossen werden, bei der sich eine Heilung eher auf emotionaler, denn auf physischer Ebene vollziehen muss[ix], vor allem dann wenn eine Erkrankung nicht vollständig kuriert werden kann und man künftig als Chroniker mit den Folgen, bzw. Begleiterscheinungen der Krankheit umzugehen hat – gemäß des bereits seit Jahrhunderten existenten Leitspruch der Cura Palliativa „Heilen manchmal, lindern oft und trösten immer“. Insofern befindet sich auch das Erleben und Praktizieren von Spiritualität in einem besonderen Prozess des menschlichen Daseins, in der ein Individuum entsprechende Bezugsgrößen braucht und sucht, eng gekoppelt an eine Sinnfindung, um sie dann für sich zur persönlichen Lebensphilosophie (Transzendenz) zu machen. Dies erleichtert den Umgang mit der Krankheit.[x]

 

Hoffnung

Spiritualität ist „jede Erfahrung, bei der Menschen sich mit dem (heiligen) Geheimnis des Lebens in Verbindung wissen, erklärt der Krankenhausseelsorger Erhard Weiher.[xi] Spiritualität erinnert daran, dass Wunder möglich sind, so wie in der Erzählung vom Hauptmann von Kafarnaum im Evangelium nach Matthäus (8,5-13) „Herr, ich bin es nicht wert, dass du mein Haus betrittst; sprich nur ein Wort, dann wird mein Diener gesund.“ Spiritualität schafft Hoffnung dass es irgendwie weitergeht, auch wenn Situationen ausweglos erscheinen, wie es Dietrich Bonhoeffer in seinem Bekenntnis „von guten Mächten treu und still umgeben“ beschreibt. Spiritualität ist somit ein wichtiges Schutzschild für alles, was den Menschen in seinem Leben an Widrigkeiten ereilen kann und ihm hilft dies zu überstehen.

von Dr. Iris Huth,
Psychoonkologin,
Lehrbeauftragte der FH Düsseldorf,
Sozialwissenschaftlerin,
Fachwirtin für das Sozial- und Gesundheitswesen,
Mediatorin
 

[i] Büssing, A. et al. Spiritualität, Krankheit und Heilung – Bedeutung und Ausdrucksformen der Spiritualität in der Medizin. VAS-Verlag für Akademische Schriften 1/2006, S. 31ff

[ii] Ebd.

[iii] Seit 2010 erstes Studienfach dieser Art an der Ludwig-Maximilians-Universität München mit Lehrstühlen des Theologen Traugott Roser und des Psychoanalytikers Eckhard Frick, sowie des Mediziners Gian Domenico Borasio.

Frick, E./Roser, T. Spiritualität und Medizin. Gemeinsame Sorge für den kranken Menschen.

[iv] Vgl. www2.evangelisch.de Interview mit Traugott Roser „Man kann nicht nicht spirituell sein.“

[v] Niemz, MH. Sinn- Ein Physiker verknüpft Erkenntnis mit Liebe, Freiburg 2013 S. 45.

[vi] Büssing, A./Kohls, N. (Hrsg.) Spiritualität transdisziplinär. Wissenschaftliche Grundlagen in Zusammenhang mit Gesundheit und Krankheit. Berlin 2011.

[vii] Frick, E./Roser, T. Spiritualität und Medizin. Gemeinsame Sorge für den kranken Menschen. Stuttgart 2011.

[viii] Büssing, A./Kohls, N. (Hrsg.) ebd. 2011, S. 55ff

[ix] Frick, E. Sich heilen lassen. Würzburg 2011, S. 17ff.

[x] Wright, M. Hospice Care and Models of Spirituality, in: European Journal of Palliative Care 11/2004/ Heft 2, S. 75-78.

[xi] Weiher, E. Das Geheimnis des Lebens berühren. Spiritualität bei Krankheit, Sterben, Tod. Eine Grammatik für Helfende. Stuttgart  2008, S. 34.

DKK 2016 – Krankheitsbewältigung: Neue Patientenleitlinie zur Psychoonkologie

Der Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe e.V. (BPS) weist auf eine neue Behandlungsleitlinie zur Psychoonkologie hin, die von der Stiftung Deutsche Krebshilfe und medizinischen Fachgesellschaften gemeinsam mit Patientenvertretern entwickelt wurde.

Patientenleitlinie_Psychoonkologie

Download der Patientenleitlinie

Im Rahmen des laufenden 32. Deutschen Krebskongresses in Berlin ist die neue Patienten-Leitlinie „Psychoonkologie – Psychosoziale Unterstützung für Krebspatienten und Angehörige“ erschienen. Die Empfehlung beruht auf der bereits bestehenden Handlungsempfehlung der ärztlichen S3-Leitlinie “Psychoonkologische Diagnostik, Beratung und Behandlung von erwachsenen Krebspatienten” des Leitlinienprogramms Onkologie und damit auf dem besten derzeit verfügbaren medizinischen Wissen. „In dem Zusammenhang wünschen wir uns sehr, dass die Ärzte die neue Empfehlung umsetzen“, so Joachim Böckmann, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Prostatakrebs Selbsthilfe e.V. (BPS) und Vorsitzender des BPS-Arbeitskreises „Psychoonkologie“ am Freitag in Berlin.

Die Diagnose Krebs verändert das Leben von Patienten und deren Angehörigen. Oftmals sind nicht körperliche sondern seelische und soziale Belastungen die Folge. Hier setzt die Psychoonkologie an, sie hilft Patienten, mit den vielfältigen Veränderungen besser umgehen zu können.

Eine weitere Besonderheit? Die Patientenbroschüre ist in einer laienverständlichen Sprache geschrieben. „Dies ist äußerst wichtig für Patienten und Angehörige. Fachbegriffe sind bei Medizinern an der Tagesordnung, führen aber oft zur Verunsicherung bei Patienten. Dies ist nun vorüber“, so Böckmann weiter. Die neue Patienten-Leitlinie wurde von der Stiftung Deutsche Krebshilfe (DKH), der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) und von den Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) finanziert und gemeinsam mit Patientenvertretern in den vergangenen zwei Jahren entwickelt. Der BPS war an der Erarbeitung intensiv beteiligt. „Wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden.

Gerade viele Männer tun sich mit ihrer Psyche recht schwer! Diese Leitlinie hilft, Ängste und bekannte Zurückhaltung der Männer ein wenig zu überwinden“, so BPS-Vertreter und Mitglied der Arbeitsgruppe Berthold Isele. Ursula Reitberger vom BPS-Arbeitskreis „Frauen“ kommentierte vergangenes Jahr die Konsultationsfassung, sie wünscht sich: „Die Bedeutung der Psychoonkologie sollte an Wert gewinnen, sowohl in der Öffentlichkeit, als auch innerhalb der Ärzteschaft. Es wäre schön, wenn die neue Patientenversion dazu beitragen könnte.“

Quelle: Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe e.V. – BPS

DKK 2016: Krebsprävention: Vernachlässigter Bereich unseres Gesundheitswesens?

Krebsprävention und Krebsfrüherkennung sind die wichtigste Basis für ein Leben ohne Krebs. Angesichts steigender Neuerkrankungszahlen müsse in Deutschland jedoch deutlich mehr als bislang in diesen Bereichen getan werden, so das Experten-Fazit auf einer Pressekonferenz anlässlich des Deutschen Krebskongresses 2016. Auf der Veranstaltung wurden aktuelle Erkenntnisse aus der Präventionsforschung vorgestellt und Maßnahmen aus dem Bereich der Primärprävention, der Früherkennung und der Prähabilitation diskutiert.

© Marco2811 - Fotolia.com_58539049_Prähabilitation_WEB

„Wir haben mittlerweile Belege dafür, dass eine nachhaltige Änderung des Lebensstils tatsächlich etwas bringt. Wer zum Beispiel mit dem Rauchen aufhört oder bei einem Body-Mass-Index von mehr als 30 sein Gewicht reduziert, der kann auch tatsächlich sein Krebsrisiko senken“, erklärte Prof. Dr. Olaf Ortmann, Mitglied des Vorstands der Deutschen Krebsgesellschaft auf der Veranstaltung. Jetzt gehe es vor allem darum, die entsprechenden Umsetzungsmaßnahmen zu formulieren, sowohl für die Aufklärung der Bevölkerung als auch zur Risikovermeidung. „Leider wissen wir zu wenig darüber, wie wir große Bevölkerungsgruppen nachhaltig zur Vermeidung von Risiken motivieren und dabei unterstützen können. Hier ist deutlich mehr wissenschaftliche Forschung notwendig“, so Ortmann.

Für strukturierte und qualitätskontrollierte Konzepte zur risikoadaptierten Prävention bei erblich bedingten Krebserkrankungen plädierte Prof. Dr. Rita Schmutzler, Direktorin des Zentrums Familiärer Brust- und Eierstockkrebs in Köln. Schätzungsweise bei einem Drittel aller Brust-, Darm- und Prostatakrebserkrankungen sind genetische Risikofaktoren im Spiel. Bis vor kurzem waren nur einige Hochrisikogene wie BRCA1 und BRCA2 bekannt, die jedoch nur einen Teil dieser erblich bedingten Fälle erklären. Mit den neuen technischen Möglichkeiten der genomweiten Analyse werden gegenwärtig eine Reihe weiterer Risikogene identifiziert, die in Zukunft eine präzisere und individuelle Risikoberechnung ermöglichen werden. Dies betrifft nicht nur das Erkrankungsrisiko, sondern auch Informationen über den spezifischen Tumorsubtyp. Prinzipiell kann dadurch die Effektivität von Früherkennungsprogrammen, wie z. B. das Mammographiescreening deutlich verbessert werden. Doch bei welchem Risiko oder Tumorsubtyp sind welche klinischen Maßnahmen nötig? Für welche Patientin kommt wann welche Früherkennung infrage? Schmutzler: „Angesichts dieser komplexen Fragen brauchen wir eine qualitätsgesicherte Gendiagnostik, die den Bogen vom Labor bis in die Klinik spannt und sich auf aussagekräftige Studien stützt. Die Grundvoraussetzung dafür sind neu zu errichtende Register zu familiären Tumorerkrankungen, um die Effektivität unserer Präventionsmaßnahmen bei erblichen Krebserkrankungen zu erfassen und kontinuierlich zu messen.“

Wie wichtig es ist, Früherkennungsmaßnahmen durch Forschung zu begleiten, zeigen die Studien von Prof. Dr. Hermann Brenner vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Brenner, der Preisträger des Darmkrebs-Präventionspreises 2015, untersucht die Wirksamkeit der Darmkrebsfrüherkennung seit mehr als zehn Jahren. Durch seine Untersuchungen konnte er z. B. zeigen, dass bis zu 90 Prozent der Darmkrebsfälle durch eine Vorsorge-Koloskopie verhütet werden könnten und das Darmkrebsrisiko nach einer Vorsorgekoloskopie ohne auffälligen Befund über mehr als zehn Jahre sehr niedrig ist. Dieses Ergebnis unterstützt die derzeitige Praxis eines Zehn-Jahres-Intervalls bei der Vorsorge-Koloskopie. Trotz dieser Bestätigung ist die Akzeptanz für die Vorsorge-Koloskopie in der Bevölkerung nach wie vor niedrig. Deshalb gehe es vor allem darum, organisierte Einladungsverfahren zu implementieren, in denen die berechtigten Versicherungsnehmer individuell angesprochen und über die verfügbaren Screeningverfahren aufgeklärt werden. „Außerdem müssen neue Methoden evaluiert werden, die die Akzeptanz des Screenings in der Bevölkerung erhöhen“, so Brenner.

Anders als beim Darmkrebs gibt es beim Lungenkrebs bislang noch kein geeignetes Screeningverfahren. Einer amerikanischen Studie zufolge kann zwar eine jährliche Mehrschicht-Computertomographie (MSCT) die Lungenkrebs-Sterblichkeit bei starken Rauchern um 20 Prozent senken. Doch die Rate falsch positiver Ergebnisse ist hoch, d. h. manche Teilnehmer müssen wieder einbestellt werden, um verdächtige Befunde zu überprüfen, die sich dann gar nicht als Lungenkrebs herausstellen. Die Ergebnisse der LUSI-Studie, einer randomisierten kontrollierten Studie mit mehr als 4.000 Teilnehmern, zeigen, dass der falsche Alarm ab der zweiten Screening-Runde unter bestimmten Bedingungen abnehmen kann. „Verdächtige Befunde im ersten CT, die sich in der darauffolgenden Untersuchung nicht verändert haben, sind offensichtlich keine Krebsherde. Eine erneute Abklärung ist deshalb nicht mehr notwendig“, erklärt LUSI-Studienleiter Prof. Dr. Nikolaus Becker vom DKFZ Heidelberg. Allerdings gehen die „falschen Alarme“ nur zurück, wenn die Vorbefunde früherer Screeningrunden für diese Beurteilung vorliegen, ein Lungenkrebs-Screening also als „organisiertes Screening“ durchgeführt würde. Die Endauswertung von LUSI und anderen europäischen Studien zur Lungenkrebsfrüherkennung ist für die nächsten ein bis zwei Jahre geplant.

Vorbeugen hilft möglicherweise auch dann noch, wenn der Krebs schon diagnostiziert ist, so PD Dr. Freerk Baumann von der Sporthochschule Köln. Dieses junge Forschungsfeld wird unter dem Begriff Prähabilitation zusammengefasst und steht für das Verbinden von Prävention und Rehabilitation. Das Konzept: Eine rechtzeitige bewegungstherapeutische Intervention unmittelbar nach der Krebsdiagnose soll die Patienten körperlich auf die Therapiephase vorbereiten. Nach dem Motto „Fit für die Krebsbehandlung“ wollen die Wissenschaftler so möglichen Komplikationen und Nebenwirkungen vorbeugen. „Erste Daten zeigen, dass die Prähabilitation nicht nur die Nebenwirkungen der Krebsmedikamente verhindert, sondern auch die Therapiedosierung während der Behandlung beibehalten werden kann. Außerdem lassen sich Krankenhaustage reduzieren“, betonte Baumann.

Quelle: Deutscher Krebskongress DKK 2016

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