Immuntherapie: Auf dem Weg in eine neue Ära?

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Die Immuntherapie wird die Krebsbehandlung in den kommenden Jahren deutlich verändern. Dabei sind die Potenziale genauso groß wie der Forschungsbedarf. Auch für die Immuntherapie steht die Frage nach der Personalisierung im Raum. Diese und weitere Themen diskutieren 5.500 Krebsexperten auf der Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie in Hamburg. Schwerpunktthemen sind in diesem Jahr die Immuntherapie sowie die Behandlung maligner Lymphome.

In den letzten zwei Jahren hat sich die Tumor-Immuntherapie von einem langjährigen Hoffnungsträger zu einem Therapieansatz mit großem Potenzial entwickelt. Nicht umsonst erklärte das Wissenschaftsmagazin Science den immuntherapeutischen Ansatz bei der Behandlung von Krebs 2013 zum “Breakthrough of the Year”, dem Durchbruch des Jahres. “Es spricht in der Tat einiges dafür, dass wir am Beginn einer neuen Ära in der Tumortherapie stehen. Wir sind optimistisch, dass wir bald zahlreichen Patienten neue, effektive Behandlungen anbieten können”, betont Prof. Dr. Carsten Bokemeyer, Kongresspräsident der Jahrestagung 2014, die noch bis zum 14. Oktober in Hamburg stattfindet.

Checkpoint-Hemmung als neues Therapiekonzept
Das Immunsystem reagiert zwar bei vielen Patienten auf eine Krebserkrankung, wird aber vom eigenen regulatorischen Netzwerk blockiert. Jetzt stehen Medikamente für die Aufhebung dieser internen Blockade zur Verfügung. Der derzeit am intensivsten diskutierte immuntherapeutische Ansatz ist die Hemmung wichtiger Schaltstellen der Immuntoleranz (“Checkpoint-Hemmung”).

Antikörper wie Ipilimumab, der gegen das cytotoxische T-Lymphozyten assoziierte Antigen (CTLA-4) gerichtet ist, haben in den letzten Jahren die Behandlung von Patienten mit metastasiertem Melanom erheblich verändert. “Eine CTLA-4-Blockade unterdrückt in der frühen Phase der T-Zellaktivierung im Lymphknoten die Immuntoleranz und löst so antitumorale Effekte aus”, erläutert Prof. Dr. Andreas Mackensen vom Universitätsklinikum Erlangen im Rahmen der Kongress-Pressekonferenz.

Neue Hoffnungsträger sind sogenannte PD-1-Antikörper, die mittlerweile in zahlreichen klinischen Studien evaluiert werden. Anders als CTLA-4-Blocker wirken sie in der Effektorphase des Immunsystems im peripheren Gewebe und damit an der Kontaktstelle zwischen Tumorzelle und T-Zelle. Im Juli 2014 wurde in Japan mit Nivolumab der erste PD-1-Blocker für den Einsatz beim nichtoperablen malignen Melanom offiziell zugelassen. Im September des gleichen Jahres folgte in den USA dann die Zulassung von Pembrolizumab, ebenfalls für den Einsatz beim Melanom. Europa dürfte in Kürze folgen. Unklar ist noch, wie die unterschiedlichen Therapieansätze am besten gemeinsam eingesetzt werden sollten: “Sequenzielle Therapien sind genauso denkbar wie Kombinationsbehandlungen”, betont Mackensen.

Checkpoint-Hemmung: Was ist die beste Gesamtstrategie?
“Wir benötigen dringend weitere Studien zu unterschiedlichen Therapieregimes, um den Klinikern bessere Daten an die Hand geben zu können, die es ihnen erlauben, die neuen Substanzen so einzusetzen, dass die Patienten den optimalen Nutzen haben”, fasst Prof. Dr. Mathias Freund, Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO, zusammen. “Es wird sich zeigen, ob die Checkpoint-Inhibitoren das Potential haben, auch bei anderen Krebserkrankungen als dem malignen Melanom zu einer wichtigen Säule in der Krebstherapie zu werden.”

Weitere Ansätze der Immuntherapie und Tumorvakzinierung
Neben der Checkpoint-Hemmung befindet sich derzeit noch eine ganze Reihe weiterer immuntherapeutischer Ansätze in der klinischen Prüfung. Auch sie werden bei der Jahrestagung 2014 intensiv diskutiert. So wurden beispielsweise künstlich hergestellte bispezifische Antikörper entwickelt, die sowohl an Immunzellen als auch an Tumorzellen binden und beide miteinander verknüpfen. Das könnte die Anti-Tumor-Aktivität der Immunzellen verbessern. Auf eine Stärkung der Immunabwehr zielen auch Versuche, patienteneigene Immunzellen gentherapeutisch zu verändern, um die unerwünschte Toleranz des Immunsystems gegenüber Krebszellen zu umgehen. Bei dieser Methode, die in ersten Pilotstudien beeindruckend wirksam war, werden T-Zellen des Patienten entnommen, mit einem chimären Antigenrezeptor (CAR) modifiziert und dann reinfundiert. Die gentechnisch veränderte T-Zelle attackiert Tumorzellen und führt zu einer gezielten Proliferation von T-Zellen mit Anti-Tumor-Wirkung.

Seit Jahrzehnten hoffen Patienten auch auf eine Impfung gegen Krebs. Die therapeutische Vakzinierung ist jedoch schwierig, da das Immunsystem die Tumorzellen vielfach nicht erkennt oder die Tumorzellen sich der Immunüberwachung aktiv entziehen. Ab November 2014 wird nun die erste in Europa zugelassene Vakzine für Patienten mit fortgeschrittenem Prostatakrebs an vier Zentren in Deutschland verfügbar sein. “Von den Patienten scheinen die immuntherapeutischen Ansätze bisher gut akzeptiert zu werden. Trotzdem müssen wir auch diese neuen Waffen sorgfältig und kritisch einsetzen”, betont Bokemeyer.

Weiterer wissenschaftlicher Schwerpunkt: Maligne Lymphome
Zahlreiche Vorträge auf der Jahrestagung 2014 beschäftigen sich auch mit neuen Therapieansätzen und deren molekulare Basis bei malignen Lymphomen. “In den letzten Jahren hat sich die Prognose bei nahezu allen Lymphomen verbessert, da in klinischen Studien stetig neue Therapiekonzepte erprobt werden”, erläutert Kongressvizepräsident Prof. Dr. Norbert Schmitz. Dabei steigert die Kombination von Chemotherapie und monoklonalen Antikörpern die Heilungsraten von Patienten mit Lymphknotenkrebs erheblich. “Die deutschen Lymphomstudiengruppen haben im letzten Jahrzehnt mit Hilfe großer multizentrischer Studien weltweit Standards in der Behandlung von Patienten mit verschiedenen Lymphomerkrankungen gesetzt. Leider haben sich die Rahmenbedingungen für nicht von Pharmafirmen initiierte klinische Studien so verändert, dass es fraglich erscheint, ob diese erfolgreiche Arbeit in Zukunft fortgesetzt werden kann. Auch dies wird Thema des Hamburger Kongresses sein”, so Schmidt weiter.

Jahrestagung 2014
Noch bis zum 14. Oktober treffen sich in Hamburg 5.500 Experten, um über die aktuellen Erkenntnisse in Diagnostik und Therapie von Blut- und Krebserkrankungen sowie das gesundheitspolitische Umfeld zu diskutieren. Die Jahrestagung Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie bietet mit 650 wissenschaftlichen Beiträgen von der molekularen Biologie bis hin zur Palliativmedizin ein wissenschaftlich hoch attraktives Programm. Neben qualifizierter Fortbildung stellt der Kongress auch eine wichtige Plattform dar, um hochwertige und innovative Forschung aus Deutschland, Österreich und der Schweiz durch renommierte Studiengruppen sowie klinisch und experimentell arbeitende Kolleginnen und Kollegen zu präsentieren.

Quelle und Kontakt:

Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V.

DGHO Hauptstadtbüro

E-Mail: oldenburg@dgho.de

Internet: www.dgho.de

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