Diagnose Lungenkrebs – die Rolle des ambulanten Gespräches vor der Operation

Foto Prof. Dr. Andreas GranetznyKrebsmagazin – Ausgabe Februar 2012
Prof. Dr. Andreas Granetzny, Chefarzt Evangelisches und Johanniter Klinikum Niederrhein gGmbH , Duisburg

Erstmitteilung der Diagnose:
Es gibt ganz verschiedene Möglichkeiten, mit der Diagnose eines Lungenkrebses konfrontiert zu werden. In der Regel sollte ein kompetenter Facharzt den Patienten über die Diagnose einer Krebserkrankung und die Behandlungsmöglichkeiten aufklären. Leider trifft es die Patienten oft völlig unvorbereitet, z.B. durch die Mitteilung eines Radiologen, der ein Thorax-CT befundet hat und nun dem Patienten auf dessen drängende Frage hin mitteilt, dass eventuell ein bösartiger Lungentumor vorliegt. Nicht selten erzählen mir auch Patienten, dass ein Assistenzarzt ihm auf dem Stationsflur die Diagnose einer Krebserkrankung mitgeteilt habe. Für den Betroffenen bricht eine bis dahin „heile Welt“ plötzlich zusammen und er kann diese Mitteilung allein nur ganz schwer verarbeiten. Es ist nun in der Regel, die Aufgabe des Hausarztes, dem Patienten in dieser Situation zu helfen und dabei auch – je nach familiärer Situation – die Angehörigen in die Gesprächsführung einzubeziehen. Im nächsten Schritt ist nun die Anbindung an eine spezialisierte Klinik (Lungen-oder Thoraxzentrum) erforderlich.

Ambulantes Vorgespräch:
In unserer Klinik bieten wir jedem Patienten mit einem abzuklärenden Lungenbefund ein ambulantes Vorgespräch an und verweisen auf die Möglichkeit, dass hierbei ein oder maximal zwei Mitglieder der Familie oder auch Freunde als Bezugspersonen dabei sein können. Diese frühe Einbeziehung der Familie ist nicht nur für den Patienten selbst wichtig, sondern auch für den Arzt, falls es im Verlauf der Therapie zu unvorhergesehenen Problemen kommt, bei denen die Unterstützung der Familie hilfreich ist.

Bei diesem Gespräch muß zunächst geklärt werden, welchen Kenntnisstand der Patient von seiner Erkrankung hat. Dabei muß allerdings bedacht werden, dass die Erkrankung nicht selten aus dem Bewusstsein verdängt wird und der Inhalt vorheriger Gespräche einfach negiert wird („der Doktor hat mit mir gar nicht gesprochen“).

Insgesamt sind nur etwa 30% aller Bronchialkarzinome operabel. Die Gründe für Inoperabilität sind ganze verschieden und es ist eine ganz wesentliche Aufgabe des ambulanten Gesprächs, das Verhältnis von Nutzen und Risiko im Einzelfall herauszufinden. Wenn ein Tumor lokal zu weit fortgeschritten ist, wird ein operativer Eingriff nicht möglich sein. In einer solchen Situation muß auf die alternativen Möglichkeiten einer Strahlen – bzw. Chemotherapie verwiesen werden.

Viele Patienten mit einem Bronchialkarzinom haben relevante Begleiterkrankungen, die das OP-Risiko deutlich erhöhen können. Insbesondere geht es um Durchblutungsstörungen des Herzens, die sogannte koronare Herzerkrankung. Selbst wenn eine solch bereits bekannt ist, sind die bereits erfolgten Untersuchungen nur im Zusammenhang mit dem klinischen Allgemeinzustand zu interpretieren. Deshalb sind die Fragen nach den Alltagsaktivitäten auch so wichtig. Es kommt häufig vor, dass der Patient beim Beginn des Gespräches sehr krank und angespannt wirkt. Man darf aber nicht vergessen, dass er wegen des bevorstehenden Gespräches ängstlich und aufgeregt ist und vielleicht eine anstrengende Fahrt zur Klinik hinter sich hat. Wenn es gelingt, im Gespräch Ruhe und Sicherheit zu vermitteln, ist es erstaunlich, wie sich innerhalb kurzer Zeit die Situation verändern kann: Vielleicht erzählt der Patient dann, dass er täglich mit dem Fahrrad unterwegs ist oder lange Spaziergänge unternimmt. Wenn dann die mitgebrachte Messung der Lungenfunktion unerwartet schlechte Werte zeigt, so ist dies z.B. ein Hinweis auf eine ev. nicht repräsentative Untersuchung (die Prüfung der Lungenfunktion kann von vielen auch subjektiven Faktoren abhängig sein), die wiederholt werden oder durch weitere Testungen (z.B. Spiroergometrie) ergänzt werden muß . Umgekehrt kann ein Patient eine gute Lungenfunktion haben und ist trotzdem inoperabel, weil er zu viele Begleiterkrankungen hat, die das operative Risiko drastisch steigern. Einer der wichtigsten Aspekte des Gespräches besteht darin, die Motivation des Patienten zu eruieren: Ich frage z.B. sehr häufig, warum die Patientin oder der Patient bereit ist, eine so große Operation mit allen ihren unangenehmen Folgen auf sich zu nehmen. Es ist interessant, dass hierbei die verschiedensten Antworten kommen, die natürlich die familiäre und soziale Situation widerspiegeln. Häufig sagen die Patienten, sie möchten noch gern ein wichtiges Familienereignis erleben (Hochzeitstag, Kommunion des Enkels, Urlaubsreise etc.). Und es geht es oft um die Gefühle des Lebenspartners, den man mit seiner Krankheit nicht belasten möchte. Aber auch so zunächst banal erscheinende Dinge wie die Sorge um ein Haustier können im Mittelpunkt des Denkens stehen. Es ist verständlich, dass die Patienten (und zumeist noch deutlicher die Angehörigen) bereits beim ersten Gespräch möglichst viele Informationen haben möchten und Einzelheiten des operativen Eingriffs erfahren wollen. Ich verweise dann immer darauf, dass es noch mehrere Gespräche incl. Anamneseerhebung und Aufklärung geben wird. Um nicht den Eindruck zu erwecken, ich würde diese Fragen „abdelegieren“, beantworte ich kurz dann trotzdem die wichtigsten Aspekte. Ganz besonders wichtig ist die ruhige Gesprächsathmosphäre, Störungen von außen müssen auf Notfälle beschränkt werden. Der Patient muß genügend Gelegenheit haben, über seine familiäre und auch soziale Situation sprechen zu können. Gerade bei onkologischen Erkrankungen können die Folgen für das weitere Leben so gravierend sein, dass sie in der Wahrnehmung des Patienten wichtiger als die Erkrankung selbst sind.

Zusammenfassend zeigen meine langjährigen Erfahrungen in der Betreuung von Krebspatienten, dass ein aufrichtiges Gespräch mit dem Patienten im Beisein der Angehörigen eine ganz wesentliche Voraussetzung für die Vertrauensbildung ist und zum Behandlungserfolg beitragen kann.

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