Speiseröhrentumore – Neue Standards in der Behandlung
Prof. Dr. Wolfgang Wagner, Herausgeber Krebsmagazin, Paracelsus Strahlenklinik, Osnabrück
Speiseröhrenkrebs ist der Tumor mit der größten Zuwachsrate in den letzten Jahren, und zwar für die Untergruppe des sogenannten Adenokarzinoms. Die Risikofaktoren zur Entstehung dieses Tumors sind der Reflux, also die Regurgitation von Säure aus dem Magen in die Speiseröhre begleitet von Sodbrennen und Übergewicht. Die klassische Behandlung ist die Operation, wobei die Ergebnisse stadienabhängig doch recht schlecht sind.
Im Stadium I liegen die 5-Jahres-Überlebensraten bei 80 – 90 %.
Im Stadium II bei 50 %.
Im Stadium III bei 10 – 20 %.
Die Bestrahlung kann auch als alleinige Therapie bei ungünstiger Tumorlage oder bei Operationsverweigern eingesetzt werden, und zwar mit ähnlichen Resultaten. Mittlerweile ist bekannt, dass die Bestrahlungen ohne Chemotherapie schlechtere Ergebnisse bringen als eine Kombination aus Bestrahlung und Chemotherapie (Herskovic 1992). Weiterhin ist bekannt, dass eine Dosisaufsättigung, sei es durch eine Bestrahlung von Innen (Afterloadingtherapie) oder durch eine Erhöhung der äußeren Bestrahlungsdosis, die Ergebnisse nicht zu verbessern vermag (Gaspar 2000, Minsky 2002). Die Bestrahlung/Chemotherapie im fortgeschrittenen Stadium des Speiseröhrenkrebses kann insbesondere bei Plattenepithelkarzinomen, einer besonderen histologischen Untergruppe des Krebses, möglicherweise die gleichen Überlebensraten erbringen, wie die alleinige Operation. Nachteil der Bestrahlung ist, dass die Rezidivquote, also die Häufigkeit, dass der Tumor irgendwann später wiederkommt, gegenüber der Operation deutlich höher liegt. In letzter Zeit wurde versucht, die Ergebnisse der Kombinationschemo-/Radiotherapie durch Einsatz neuer Medikamente zu verbessern. Dies ist bisher nicht gelungen und Standard ist nach wie vor Platin und 5-Fluorouracil. Da auch die Erhöhung der Bestrahlungsdosis bisher keine Ergebnisverbesserung erbringen konnte, wurde versucht, durch technische Verbesserungen die Ergebnisse zu verbessern. Dies ist möglich durch den Einsatz der intensitätsmodulierten Radiotherapie, die im Vergleich zur herkömmlichen 3-dimensionaler Technik die Nebenwirkungen vermindert. Am geringsten scheint die Belastung beim Einsatz von Protonen zu sein, die allerdings in Deutschland nicht an allen Stellen zur Verfügung stehen. Außerdem ist die Behandlung mit Protonen zurzeit als experimentell zu werten. Nichts desto trotz ist die Belastung von Normalgeweben, wie z. B. Lunge und Rückenmark, beim Einsetzen der Protonentherapie zurzeit nachweislich am geringsten. Beim Adenokarzinom war bis heute Standard, nur eine voroperative Chemotherapie zu applizieren. Es gibt aber ganz aktuell neue Studien (POET Studie 2009, Cross Trial 2010, Bedenne 2007) die zeigen, dass auch eine kombinierte Radio -/ Chemotherapie vor Operation die Gesamtergebnisse beim Adenokarzinom deutlich verbessert, so dass diese Behandlung mittlerweile in die aktuellen Leitlinien der europäischen Gesellschaft für Onkologie (ESMO) eingeflossen ist. Bei Risikopatienten sollte auch beim Adenokarzinom anstatt einer präoperativen Chemotherapie eine Kombinationsradio-/Chemotherapie überlegt werden. Postoperativ kommt die Strahlentherapie nur zum Einsatz, wenn die Lymphknoten positiv waren. Es liegen zwei Studien aus Asien vor, die beweisen, dass nur bei lymphknotenpositiven Tumoren das Überleben durch eine sogenannte adjuvante Bestrahlung verbessert wird. Bei Patienten, die keine betroffenen Lymphknoten haben, wird zwar das Wiederautreten des Tumors vermindert, das Überleben wird aber verschlechtert, sodass diese Therapie nicht zum Einsatz kommen sollte. Die Indikation für diese Behandlung besteht dabei nur bei Plattenepithelkarzinomen. Insgesamt ist also zu sagen, dass trotz Einsatz unterschiedlicher Methoden sich die Ergebnisse bei diesem Tumor im fortgeschrittenen Stadium nicht wesentlich verbessert haben und damit weiterhin unbefriedigend sind. Neu ist, dass die kombinierte Chemo-/Radiotherapie bei bestimmten Speiseröhrenkrebsen ähnliche Ergebnisse bringt wie die Operation, die früher alleine eingesetzt wurde.