Ich habe Prostatakrebs – was ist zu tun?

Krebsmagazin – Ausgabe Mai 2010
Prof. Dr. Wolfgang Wagner, Herausgeber Krebsmagazin, Paracelsus Strahlenklinik, Osnabrück

Der Urologe hat bei Ihnen durch eine Probeentnahme einen Prostatakrebs festgestellt und Ihnen die Diagnose mitgeteilt. Sie sind natürlich völlig niedergeschlagen und verzweifelt und wissen nicht genau, was Sie jetzt tun sollen. Ruhig Blut – bei einem neu entdecken Prostatakrebs ist es meist so, dass keine Notfallsituation vorliegt. Man kann also in aller Ruhe überlegen, welche Therapie man wählt oder ob überhaupt eine Therapie notwendig ist. Dies wird der Arzt mit Ihnen besprechen. Sie haben selbstverständlich das Recht, sich eine weitere Meinung einzuholen. Empfehlenswert ist in aller Regel auch der Kontakt mit einer Selbsthilfegruppe, wo große Erfahrungen vorliegen. Die Betroffenen kennen die einzelnen Therapien und wissen auch in der Regel, wo die Behandlung gut durchgeführt wird.

Beim Prostatakrebs gibt es mehrere Behandlungen, die hauptsächlichen sind Operation und Bestrahlung, wobei die Bestrahlung unterteilt wird in eine Bestrahlung von außen und eine Bestrahlung von innen. Bei alten Patienten (70 Jahre und älter) kann man auch bei kleinen, nicht aggressiven Tumoren gar nichts tun und nur regelmäßig kontrollieren. Die Therapieentscheidung erfolgt heute in aller Regel stadienabhängig, wobei das Frühstadium dadurch definiert ist, dass der Tumormarker PSA <10 ng/ml ist und das architektonische Muster des Krebses als nicht wildwachsend eingeschätzt wird (Gleason Score < 6). Das mittlere Risiko liegt vor, wenn das architektonische Muster 7 beträgt und / oder der Tumor- Marker über 10 ng/ml ausfällt. Bei PSAWerten über 20 ng/ml oder bei hohem Gleason-Score >7 muss von einem fortgeschrittenen Tumor ausgegangen werden.

Bei niedrigem Risiko, also bei einem kleinen, nicht weit fortgeschrittenen Tumor ist es letztlich egal, welche Therapie gewählt wird, weil alle Behandlungen unter dem Strich bezüglich des Überlebens in etwa die gleichen Ergebnisse aufweisen. Dies gilt für die Operation und auch für die Bestrahlung von innen und für die Bestrahlung von außen. Sie können also für Ihre persönliche Lebenssituation entscheiden, was Ihnen lieber ist. Berücksichtigt werden muss natürlich auch das Nebenwirkungsmuster. Bei der Bestrahlung dauert die Therapie lang an, in der Regel 2 Monate und mehr. Die Operation ist hingegen in 2 Stunden durch. Bei der Operation liegt der Schwerpunkt der Nebenwirkungen eher im Bereich von Impotenz und Harninkontinenz. Bei der Bestrahlung gibt es diese Nebenwirkungen auch, aber im geringeren Maße. Hier kommen andere Nebenwirkungen zum Tragen, insbesondere von Seiten des Dickdarms. Es kann zu Stuhlinkontinenz, im schlimmsten Fall sogar zu Blutungen kommen. Es kann zu Blasenveränderungen kommen und auch die Wahrscheinlichkeit, dass durch die Behandlung später ein 2. Tumor auftritt, ist erhöht.

Vergleichstabelle

Vergleich verschiedener Nebenwirkungshäufigkeiten nach Operation, äußerer und innerer Bestrahlungsimplantate

Die geringsten Nebenwirkungen bei Patienten im Frühstadium haben nach bisheriger Literatur die Bestrahlungen von innen, Seed-Therapie (Abb. 1), die aber an bestimmte Bedingungen gebunden ist, z.B. geht es auch um die Größe des Prostataorgans. Bei der sog. Seed-Therapie werden ummantelte radioaktive Kapseln, die winzig klein sind, im Rahmen einer Operation in die Prostata eingesetzt und verbleiben dort lebenslang (Abb. 2). Die Radioaktivität zerfällt in sich selbst und besitzt eine Halbwertszeit von 2 Monaten.

Röntgenbild Seeds

Seeds im Röntgenbild des Beckens (Schrotschussmuster) Abb.2

Diese Behandlung ist ein gutes Beispiel für eine Kooperation zwischen Urologen und Strahlentherapeuten. Beide Berufsgruppen behandeln gemeinsam. Im Operationssaal wird der Strahlenarzt oder der Strahlenphysiker die Dosis an der Prostata berechnen und dem Operateur vorgeben, wo die einzelnen Seeds einzusetzen sind; dies geschieht online (Abb. 3). Ca. 6 Wochen nach der Operation wird die Strahlendosis noch einmal überprüft. Diese Methode zeichnet sich durch ein geringes Nebenwirkungsprofil aus, ist aber nicht nebenwirkungsfrei. Die bisher vorliegenden Überlebensraten liegen zwischen 80% und über 90% fünf bis zehn Jahre nach Ende der Behandlung. Bei fortgeschrittenerem Tumor scheinen die neuen Techniken bei der Bestrahlung der Prostata möglicherweise der Operation überlegen zu sein, insbesondere, wenn die intensitätsmodulierte Radiotherapie (IMRT) mit einer Dosiseskalation gekoppelt ist.

OP-Saal

Voraussetzung: Klinisches Team bestehend aus: Urologe, Strahlentherapeut, Klinischer Physiker, Anästhesist, Schwestern / Pfleger

Hier werden dann Dosen von 72 Gy bis knap 80 Gy gegeben, früher waren es bei 3D-konformaler Therapie maximal 66 Gy. Dadurch steigt die Erfolgsrate der Behandlung signifikant, insbesondere bei Patienten mit mittlerer oder schlechter Prognose (Abb. 4). Die intensitätsmodulierte Radiotherapie dauert in aller Regel etwas länger als die Standardbestrahlung (3D-konformal) und die Dosiseskalation ist an die sogenannte „image guided radiotherapy“ gebunden, das bedeutet, dass besondere bildgebende

Biochemische Tumorkontrollquoten 3D-konformale Therapie gegenüber IMRT am Memorial Sloan Kettering Cancer Center

Methoden angewendet werden, um die Exaktheit des Bestrahlungsfeldes regelmäßig zu überprüfen, da die Prostata sich während und zwischen den einzelnen Bestrahlungsfraktionen bewegt. Durch diese Beweglichkeit kann es, wenn die Exaktheit der Bestrahlungsfelder nicht regelmäßig überprüft wird, zu Fehlbestrahlungen und möglicherweise zu Strahlenschäden kommen.

Der Vorteil der Operation hingegen wird insbesondere von urologischer Seite auch darin gesehen, dass bei Versagen dieser Behandlungsmethode eine anschließende Strahlentherapie immer noch möglich ist, die dann noch Heilungsraten von 80 bis 90 % aufweist. Umgekehrt ist es schwieriger. Falls die Strahlentherapie nicht erfolgreich ist, kann nicht in jedem Fall operiert werden; dies bedarf großer operationstechnischer Erfahrung, wird aber auch in Deutschland von erfahrenen Operateuren angeboten. Eine Hormontherapie wird in aller Regel bei fortgeschrittenen oder metastasierenden Tumoren verschrieben, teilweise bei fortgeschrittenen Tumoren auch in Kombination mit Bestrahlung, was das Gesamtergebnis deutlich verbessert. In einer von uns durchgeführten Patientenbefragung 2007 beantworteten 634 Patienten in ganz Deutschland Fragen zur Befindlichkeit nach Prostatakrebsbehandlung. Mehr als ¾ aller befragten Patienten waren im Nachhinein mit der Therapiewahl zufrieden, wobei die bestrahlten Patienten mit 96 % Zufriedenheit am besten abschnitten. Die gesamte Befragung lässt sich im Internet unter krebsmagazin.de im Heft 20 nachlesen.

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