Die Brustkrebs Krankenschwester – Interview mit der Breast Care Nurse Inka Marie Rack

Krebsmagazin – Ausgabe Februar 2009
Inka Marie Rack, Breast Care Nurse im KRH, Klinikum Nordstadt, Hannover
 
Was ist eine Breast Care Nurse und wozu gibt es sie?
Eine Breast Care Nurse (BCN) ist eine Pflegeexpertin für Brusterkrankungen. Wie eine Art Lotsin begleite sie in einem Brustzentrum die Patientinnen, sowie deren Angehörigen als Ansprechpartnerin und Vertrauensperson durch die schwierige Zeit der Erkrankung. Durch gute Information und Schulung ist es unser Ziel, die Eigenkompetenz der Patienten zu stärken, ihre Familien und das soziale Umfeld als wichtigen Halt mit einzubinden und gemeinsam individuelle Problemlösungen zu entwickeln. Wenn Patientinnen die Krankheit und Therapie besser verstehen und akzeptieren, können sie selber aktiv an ihrer Gesundung mitwirken, mit ihren Ängsten besser umgehen und die Krankheit Brustkrebs positiv bewältigen.
Doch auch im professionellen Team habe ich als BCN eine wichtige Funktion. Die Therapie der Brustkrebserkrankung findet heute zunehmend im multidisziplinären Team statt, jede Berufsgruppe ist wichtig und hat ihre ganz speziellen Aufgaben. Damit die gemeinsame Behandlung der Patientin gelingt, habe ich als BCN eine Art Mittlerfunktion für die gute Zusammenarbeit mit allen Mitarbeitern und Abteilungen des Brustzentrums sowie dem Netz der Kooperations- und Sozialpartner.

Inka Marie Rack im Beratungsgespräch mit einer Patientin. (Foto: Privat)

Wie sieht Ihr typischer Arbeitsalltag als Brustkrebs Krankenschwester aus?
Morgens widme ich mich zu erst meinen Korrespondenzen, erhalte Anrufe und mache meine Tagesplanung. Alle anstehenden Gespräche und Termine müssen, in Absprache mit den unterschiedlichen Kollegen und Abteilungen koordiniert werden. Gegen neun Uhr ist das erste Gespräch mit Patientinnen, die vor ihrer Chemotherapie stehen geplant. Hier bespreche ich mit den Patientinnen zunächst alle organisatorischen Fragen, aber auch ganz ausführlich die zu erwartenden Begleiterscheinungen der geplanten Chemotherapie und ich berate die Patientin, was sie selber für einem guten Therapieverlauf beitragen kann. Dann erhält sie von mir alle notwendigen Informationsmaterialien und wir vereinbaren Termine für Echo, Porteinlage und die erste Chemotherapie. Danach findet meist ein Diagnosegespräch in der Brustsprechstunde statt, bei dem ich dabei bin. An dieser Stelle beginnt die Betreuung. Wenn der Patientin vom Arzt mitgeteilt wird: “Sie haben Brustkrebs”, bricht von einem Moment auf den anderen die ganze bisherige Lebensplanung zusammen. Der Schock lässt die Frau gar nicht mehr klar denken – geschweige denn alleine Entscheidungen treffen, die ihr ganzes zukünftiges Leben betreffen. Sie braucht hier das Gefühl, jetzt nicht allein gelassen zu werden und benötigt professionelle und lösungsorientierte Unterstützung. Die Patientin sollte sich immer gut informiert und damit in der Lage fühlen, die nun kommenden Schritte zu gehen. Nach der Untersuchung und dem ärztlichen Gespräch nehme ich die Patientin und ihre Angehörigen mit in mein Gesprächszimmer. Hier kann in ruhiger Atmosphäre die eben erfahrene Diagnose nochmal wiederholt und verarbeitet werden, die Patientin erhält von mir weitere Informationen, ich vereinbare für sie die erforderlichen ambulanten Untersuchungstermine (Staging) vor der Operation und erkläre ihr alle geplanten Therapieschritte, sowie die bevorstehende Operation noch einmal. Dann erst vereinbaren wir den Aufnahmetermin zur Operation. Sollten sie oder ihre Angehörigen vorher noch Fragen haben, erhalten Sie meine Visitenkarte und können mich jederzeit anrufen. Anschließend besuche ich die Stationen. Jede Brustkrebs- Patientin wird wenigstens ein mal (und auf Wunsch auch öfter) nach der Operation besucht. Hier besprechen wir, wie die Operation verlaufen ist, und welches die nächsten Therapieschritte sein werden. Nun folgen einige schwierige Tage, in denen die Patientin voller Ungewissheit auf die Ergebnisse der Gewebeuntersuchung warten muss ehe sie erfährt, welche weitere Therapie ihr vom Arzt empfohlen wird.
 
Die Frauen haben das Angebot, mich zu ärztlichen Gesprächen beispielsweise Befundbesprechungen hinzuzuziehen und fühlen sich so in die Behandlung mit einbezogen und selber kompetent genug, aktiv zu ihrer Genesung beizutragen.
 
Auf Wunsch meiner Kolleginnen oder wenn noch etwas Zeit bleibt, spreche ich danach noch mit Patientinnen, die in der onkologischen Ambulanz ihre Infusionstherapie erhalten. Insbesondere beim Therapiewechsel auf die sogenannten “Taxane” erhalten die Patientinnen noch einmal von mir gesonderte Informationen und Hinweise. Am Ende eines jeden Arbeitstages muss ich meine Tätigkeiten dokumentieren. Jeden Freitag nehme ich an der wöchentlich stattfindenden, Berufsgruppen übergreifenden Tumorkonferenz teil. So bin ich über die Therapieplanung aller Patientinnen informiert und kann an der Befundbesprechung teilnehmen und im Anschluss daran der Patientin praktische und lösungsorientierte Hilfestellung, sowie Unterstützung bei ihrer individuellen Therapieentscheidung geben.
 

Die Brustkrebs Krankenschwester bei der Dokumentation an ihrem Schreibtisch. (Foto: Privat)

Welche weiteren Aufgaben erledigt eine Breast Care Nurse?
Während und auch nach dem stationären Aufenthalt fungiere ich als Vermittlerin zu den internen und externen Kooperationspartnern, sowie dem sozialen Netzwerk des Brustzentrums. Dies bedeutet eine enge Zusammenarbeit und erste Kontaktvermittlung mit Psychoonkologinnen, Seelsorgern, brustprothetischen Beratern, Physiotherapeuten die für Krankengymnastik und Lymphdrainage zuständig sind, Ernährungsberatern und Sozialarbeitern, Selbsthilfegruppen, Krebsberatungsstellen, Zweithaarstudios, Sport- und Entspannungsanbietern, sowie Kosmetikstudios.

 Zu meinen Aufgaben zählt auch die Planung, Organisation und Durchführung von Veranstaltungen für unsere Patientinnen wie wöchentlich stattfindende Patientennachmittagen und größeren Patientenforen zu unterschiedlichen Themen.
Außerdem sichte, beurteile und bestelle ich Patienteninformationsmaterialien und -Ratgeber sowie Zeitschriften die ich dann auslegen oder unseren Patientinnen gezielt im Beratungsgespräch mitgeben kann.
Natürlich besuche ich auch regelmäßig Fortbildungen und tausche mich mit meinen BCN Kolleginnen im Forum aus. So bekomme ich immer wieder neue Ideen, für Veränderungen und Verbesserungen, die ich dann mit den Kolleg/innen diskutieren kann.
Wann werden Sie von wem kontaktiert und zu Rate gezogen?
Seitens der Patientinnen: Pflegekräfte, Ärzte aus den unterschiedlichen Bereichen oder Patientinnen, die direkt hier im Hause behandelt werden, kontaktieren mich. Der Zeitpunkt und das Spektrum richtet sich nach den vielfältigen Fragen, die es zu beantworten gilt. Die Themen sind vielfältig: histologische Befunde, geplante Therapie, Therapieablauf, Information und Beratung sowie Infomaterial zu unterschiedlichen Themen, wie: Nebenwirkungen der Chemotherapie, Antihormontherapie, Bisphosphonate, Fatigue, Trastuzumab, Ernährung, Sport, Entspannung, Unterstützung für Kinder, Sexualität, Lymphödem, Haarverlust, Kosmetik, Hautpflege, Kontakt zu Selbsthilfegruppen, Kontakt zur Sozialarbeiterin, Sozialstation oder Palliativdienst. Seitens der pflegerischen Kolleginnen findet ein täglicher Austausch statt, wenn ich auf die Station komme. Ich informiere die Kolleginnen über die weiteren Therapieschritte, sie melden mir wiederum Patientinnen die aufgenommen wurden, ich berichte ihnen über die in der ärztlichen Besprechung festgelegten weitere Therapieplanung. Hier erfahre ich dann auch von Patientinnen die ein Gespräch mit mir wünschen. Schließlich wird die Breast Care Nurse auch häufig von Ärzten gerufen, beispielsweise um zum (Befund-)Gespräch dazu zu kommen, Termine für ambulante Gespräche mit mir abzusprechen, holen mich zum Diagnosegespräch ab oder informieren mich über geplante Therapieänderungen. Es findet ein täglicher Austausch mit der Onkologin in der Ambulanz statt und wenn Krebspatientinnen mit akuten Beschwerden stationär aufgenommen werden, treffen wir Absprachen zum geplanten Tumorboard, eine Fallbesprechung, bei der alle Patientinnen vorgestellt werden. Auch ist eine Brustkrebs Krankenschwester in der Lage, in der Tumorkonferenz wertvolle Hinweise beizutragen, da sie ja mit allen Patientinnen persönlich vertraut ist.

 
Was können Sie jedem Krebspatienten allgemein und insbesondere jeder Brustkrebspatientin raten?
Ich würde jedem Krebspatienten raten, zur Behandlung seiner Erkrankung in ein spezialisiertes Zentrum zu gehen. Hier wird die jeweilige Erkrankung nach internationalen Leitlinien und Standards und in fachübergreifenden Experten-Teams behandelt. Die Nachsorge kann dann nach den Empfehlungen der Tumorkonferenz beim jeweiligen Facharzt des Vertrauens durchgeführt werden. Haben Sie Vertrauen in ihr Behandlungsteam – fragen Sie Ihren Arzt, aber auch ihre Breast Care Nurse bzw. onkologische Fachschwester und das Pflegepersonal auf den Stationen, was Sie wissen möchten. Bringen Sie zu allen Gesprächen mit dem Arzt eine Vertrauensperson mit. Sie können auch den Wunsch äußern, dass die BCN oder onkologische Fachschwester bei Gesprächen hinzu zu ziehen ist. Fragen Sie nach, wenn Sie etwas nicht verstanden haben und beziehen Sie ihre Familie, Freunde, Angehörige mit ein und sagen Sie ihnen, welche Hilfe Sie möchten und was nicht.

 

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