Ernährung für Leib und Seele

Zeichnung einer WaageKrebsmagazin – Ausgabe November 2010
Dipl. Ökotrophologin Aleksandra Kapecka, Ernährungsberatung /-therapie

Bedeutung von Enährungsproblemen und Gewichtsveränderungen bei Krebs
Ernährungsfaktoren sind mit einem Anteil von 20-40% als Risikofaktoren an der Tumorentstehung ursächlich beteiligt. Der Einfluss einer Ernährungssituation bei Krebspatienten auf den Erkrankungsverlauf, die Prognose, die Therapieverträglichkeit, die Leistungsfähigkeit, die psychische Verfassung und die Lebensqualität stellt eine große Herausforderung für die Ernährungstherapie heute dar. Ein jeder von uns weiß: Essen und Trinken ist nicht nur Zufuhr von Nährstoffen – es bedeutet auch Genuss, Wohlbefinden, Sinnesanregung und Lebensqualität! Nahrungsaufnahme ist ein vielfältiges Prozess, in dem alle unsere Verdauungsorgane, Blutgefäße, Nervensystem (z.B.: Geschmacksempfinden), Geist und Seele im Zusammenspiel und Wechselwirkung stehen. Der krebskranke Patient stellt häufig die Frage: Was habe ich bisher falsch gemacht? Wie soll ich mich ernähren? Wie kann ich meine Erkrankung durch spezielle Ernährung positiv beeinflussen? Allgemein ist bekannt, dass Tumorpatienten häufig an Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust leiden. Oft kann eine ungewollte Gewichtsabnahme ein erstes Anzeichen für Tumorerkrankung sein. Appetitverlust und Nahrungsverweigerung hat sowohl körperliche als auch seelische Ursachen und ist ausgesprochen komplex. Die Hintergründe unserer Körper-Seele-Geist- Reaktionen sind Patienten oft nicht bewusst. Bei Nahrungsverweigerung stellt sich die Frage: Kann der Patient nicht essen oder will er nicht essen? Die Art der psychologischen Veränderungen wie z.B.: Aufregung, Unruhe, Zukunftsängste, Stress, Depression spielt hier eine wichtige Rolle in der Nahrungsaufnahme: wahlloses, einseitiges Essen, schlechtes Kauen, Schlingen, Nahrungsverweigerung, der Körper reagiert dann mit Magendruck, Völlegefühl, Verdauungsbeschwerden, Stuhlabgangproblemen. Unterschiedliche Symptome, wie Kopfschmerzen oder Hochblutdruck können z.B. direkt mit der Darmverstopfung im Zusammenhang stehen. Tumortherapien (Chemo-, Strahlentherapien, Operationen) können die Nahrungsaufnahme und somit auch den Ernährungszustand der Patienten stark beeinflussen. Veränderte Geschmackswahrnehmung, Lebensmittelaversionen, Mundtrockenheit, Appetitverlust, Übelkeit, Erbrechen, Sodbrennen, Völlegefühl, Blähungen, Durchfälle, Verstopfung, Schleimhautentzündungen führen zu einer negativen Energiebilanz und einem oft plötzlichen und unerwarteten Nahrungsentzug. Auch unterschiedliche Krankheitsmanifestationen gehen mit einer Mangelernährung einher: unzureichende Verdauung und Resorption der Makro- und Mikronährstoffe, erhöhte Nährstoffverluste und einen erhöhten Nährstoffbedarf (bei Stress, Infektionen). Das fortgeschrittene Tumorwachstum kann in einem Organismus zu gravierenden Stoffwechsel – Veränderungen führen. Selbst heute sterben in Deutschland 20% aller Tumorpatienten infolge der Tumorkachexie, der schwersten Form der Mangelernährung. Gewichtsveränderungen bei Krebs-Patienten spiegeln häufig die Ernährungssituation wieder. Ein ungewollter Gewichtsverlust von > 5% in den letzten drei Monaten bzw. > 10% in den letzten 6 Monaten lässt auf eine unzureichende Nährstoffversorgung (Mangelernährung) schließen. Das Körpergewicht alleine beantwortet nicht die Frage wie sich der Anteil der Muskelmasse, des Wassers und des Fettes im Körper verteilt und verändert. Ein mangelhafter Ernährungszustand kann auch beim gleichen Gewicht durch vermehrte Flüssigkeitseinlagerung, abgebaute Muskelmasse und starkes Tumorwachstum maskiert sein. Wenn der Körper aufgrund von Nahrungsdefizit > als 20 % an Gewicht verliert, beginnt er seine eigene stoffwechselaktive Muskel- und Organzellmasse „zu verzehren“. Im weiteren Verlauf wird der Verlust von Fettreserven gesteigert. Dieser Prozess ist prognostisch ein schlechtes Zeichen und wirkt sich sowohl auf die physische als auch auf die psychische Gesundheit zerstörerisch aus; seine ständige Begleiter sind Müdigkeit, Kraftlosigkeit (Fatique), Immunschwäche, Angst, Unsicherheit und Depression. Eine gezielte Ernährungstherapie sollte immer eingesetzt werden, wenn eine Mangelernährung bereits vorhanden ist oder vor allem im Rahmen einer Tumortherapie droht. Die Kenntnis der dynamischen Veränderungen der Körperzusammensetzung ermöglicht die kritische Phase einer entstehender Kachexie (schwere Mangelernährung) frühzeitig zu erkennen und mit Ernährungstherapie rechtzeitig zu beginnen. Zur Bestimmung der Körperzusammensetzung und Einschätzung des Ernährungszustandes ist die Bioelektrische Impedanz-Analyse (B.I.A.) eine gute Methode und sie ist auch langfristig zur Kontrolle des Ernährungszustandes im Verlauf der Erkrankung gut geeignet. In diesem Zusammenhang muss auch darauf hingewiesen werden, dass alle Maßnahmen, die die Gewichtsund Ernährungssituation eines Patienten negativ beeinflussen, wie z.B.: rigide Diäten, unbedingt zu unterlassen sind. Zahlreiche Buchautoren und Vertreter von sog. “Krebsdiäten“ vermitteln häufig den Eindruck, dass durch das Befolgen ihres Ernährungskonzeptes die Erkrankung geheilt oder zumindest gebessert werde. Es wird leider selten auf den bestehenden Ernährungszustand des Patienten eingegangen. Das wichtigste was hier fehlt ist: die individuelle Ernährungsanamnese, Ermittlung der Ursachen der Ernährungsproblematik, Analyse des Krankheitsverlaufes und fachkompetente Beratung unter Berücksichtigung der persönlichen Gesundheitssituation des Patienten. Diätetische Ratschläge und Ernährungstherapie sind immer individuell und eine ernährungstherapeutische Betreuung sollte möglichst bereits mit der Diagnosestellung beginnen. Ziel der Ernährungsberatung ist es Mangelernährung und Gewichtsverlust zu verhindern, mögliche Beschwerden (z.B.: Verdauungsstörungen) zu lindern, mögliche Komplikationen (z.B.: Wundheilungsstörungen, Wassereinlagerungen) frühzeitig zu vermeiden, einen guten Ernährungszustand und Lebensqualität zu bewahren und den Therapienerfolg bei Krebs zu unterstützen. Im Mittelpunkt steht immer der Patient, seine Bedürfnisse, persönliche Wünsche und Möglichkeiten. Für viele Krebspatienten bedeutet eine selbst durchgeführte Ernährungstherapie, aktiv etwas für die Gesundheit beitragen zu können. Viele Patienten, die sich der medizinischen Therapien ausgeliefert fühlen, versuchen unterschiedliche paramedizinische Ernährungstheorien und Diätformen im Rahmen der eigenen Verantwortung zu befolgen. In der Hoffnung auf Heilung werden häufig strenge Diäten eingehalten, die den individuellen Energie- und Nährstoffbedarf nicht decken und mehr Schaden als Nutzen bringen. Genauso ähnlich sieht es mit dem kostenlosen Beratungsangebot aus. Krebspatienten benötigen ein individuelles Beratungs- und Betreuungsangebot von Ärzten und qualifizierten Ernährungsberatern in einem Team. Im Rahmen einer ärztlichen Verordnung können Patienten professionelle Ernährungsberatung nach § 43 SGB V als therapeutische und rehabilitative Maßnahme in Anspruch nehmen. Die Krankenkassen erstatten zum Grossteil (ca. 80%) die Kosten.

Tipp für Sie:
Falls Sie eine kostenlose Ernährungsberatung in Anspruch nehmen, stellen Sie sich zuerst die Frage: Aus welchen versteckten Verkaufsinteressen wird die Beratung durchgeführt? … Bevor Sie einem Ernährungsberater Ihr Vertrauen schenken, überprüfen Sie seine Qualifikationen und das Beratungsangebot. Ein gut aufgeklärter Patient, der sich angesprochen fühlt, bewusst seine Ernährung und Lebensstil zu gestalten, ist ein Patient, der aktiv mitarbeitet und verantwortungsbewusst handelt, um seine Chance mit der Erkrankung zu nutzen! „Der Weg ist das Ziel!“ Um sich auf den richtigen Weg zu machen, muss das Ziel klar sein. Mein Motto: wenn nicht jetzt, wann dann?

 7 Fragen, die Ihnen helfen Ihre Mangelernährung zu erkennen Antwort? Ja / Nein

1. Haben Sie in den letzten 3 bis 6 Monaten ungewollt abgenommen?

2. Leiden Sie unter Appetitlosigkeit, Aversionen, Unverträglichkeiten?

3. Treten bei Ihnen Verdauungsprobleme auf? (Erbrechen, Durchfall, Verstopfung, Reizdarm)

4. Ist Ihre Nahrungsaufnahme deutlich reduziert? (reduzierte Portionsgrößen, weniger Mahlzeiten)

5. Ist Ihr Durstempfinden und somit die Trinkmenge deutlich reduziert? (Flüssigkeitszufuhr unter 1,5 Liter am Tag)

6. Fühlen Sie sich mit Ihrer Ernährungssituation unzufrieden, oder gestresst?

7. Fühlen Sie sich kraftlos, müde und erschöpft?

Auswertung:
Wenn Sie mehr als 3 Fragen mit „Ja“ beantwortet haben, sollten Sie Ihrer Ernährungssituation und Gewichtsveränderungen höchste Aufmerksamkeit schenken! Im Falle einer sich anbahnenden Gewichtsreduktion und verminderten Nahrungsaufnahme sollten Sie frühzeitig mit Ihrem Arzt und Ihrem Ernährungsberater Rücksprache halten.

 

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