Prostatakrebs erleben – Ergebnisse der bundesweit größten Patienbefragung

Krebsmagazin – Ausgabe März 2008
Prof. Dr. Wolfgang Wagner, Herausgeber Krebsmagazin, Paracelsus Strahlenklinik, Osnabrück

Zwischen Oktober 2006 und März 2007 wurde in Deutschland die größte Patientenbefragung zum Thema Prostatakrebs durchgeführt.

634 ausgefüllte und auswertbare Fragebögen wurden zurückgeschickt, wobei die Befragten aus dem gesamten Bundesgebiet stammten. 86 % der Befragten waren zwischen 60 und 80 Jahre alt, 48 % zwischen 61 und 70 Jahren. 329 Patienten, entsprechend 52 % der Befragten, gaben an, mindestens 1 Vorerkrankung zu haben, wobei es sich nicht um Tumorerkrankungen handelte. 71 Patienten gaben 2 Vorerkrankungen, 10 Patienten 3 Vorerkrankungen an. In 39 % handelt es sich dabei um Bluthochdruck, bei 7 % der Patienten  wurde ein Diabetes genannt, 7 % litten gleichzeitig unter Herz-Kreislauferkrankungen, 48 % machten keine speziellen Anmerkungen. 62 % der Befragten gaben an, durch eine PSA-Wert-Untersuchung auf die gemutmaßte Krebserkrankung hingewiesen worden zu sein. 26 % gaben an, durch Probleme beim Wasserlassen auf die Erkrankung aufmerksam geworden zu sein. Seltene Symptome waren Schmerzen (n = 25), Blut im Sperma (n = 12), Blut im Urin (n = 16). 97 % aller Befragten gaben an, dass bei ihnen jemals mindestens 1 PSA-Wert im Verlauf der Krankheit bestimmt wurde. Bei der Erstuntersuchung lag der PSA-Wert bei 30 % zwischen 4 – 6, bei 12 % zwischen 7 – 10, so dass bei 31 % aller Patienten  ein Frühstadium vorlag. Die digitale-rektale Untersuchung wurde bei 75 % aller Patienten wissentlich durchgeführt, 6 % verneinten diese Maßnahme, 19 % konnten sich nicht eindeutig an die Untersuchung erinnern. Ein rektaler Ultraschall wurde bei 59 % aller Patienten durchgeführt, bei 12 % nicht, 29 % konnten keine Angaben machen. Nur bei ca. 28 % aller Patienten wurde im Rahmen der Erstuntersuchung ein Prostatakarzinom festgestellt, dies entspricht 176 Patienten.

 

Abb. 1: 85% der Befragten erhielten Ihre Diagnose durch einen Urologen und äußern sich überwiegend zufrieden mit der Beratungsqualität.

Ein Verdacht auf Prostatakarzinom bestand bei 16 % (n = 102 Personen), bei 8 %, entsprechend 50 Patienten, wurde eine vergrößerte Prostata bzw. eine Prostatitis diagnostiziert, 35 %, entsprechend 220 Patienten, konnten zu diesem Punkt keine genauen Angaben machen. Bei 87 % der Befragten wurde eine Stanzbiopsie durchgeführt. 54 % der Befragten erhielten im Rahmen der histologischen Abklärung 6 – 12 Stanzen. Im Einzelnen wurden bei 17 % aller Patienten 1 – 5 Stanzen durchgeführt, bei 54 % 6 – 12 Stanzen, bei 3 % zwischen 13 – 16 Stanzen, bei 4 % zwischen 17 – 60 ! Stanzen. 22 % konnten keine Angaben machen bzw. war die Auswertung nicht verwertbar.

 

Zur Höhe des Gleason score konnten nur 50 % der Befragten eine Angabe machen. 68 Patienten definierten den Gleason zwischen 1 – 6, 206 zwischen 6 – 7 und 68 zwischen 8 – 10. Bei 45 % der Patienten breitete sich der Tumor einseitig, bei 30 % beidseitig aus und bei 25 % der Befragten war die Kapsel befallen. 176 Personen konnte hierzu keine Angaben machen. Erstaunlich ist, dass bei fast 40 % der Betroffenen die Diagnosestellung länger als 6 Monate dauerte. Es findet sich kein Zusammenhang zwischen Anzahl der Stanzen und Dauer bis zur Diagnosestellung.

85 % aller Befragten erhielten ihre Diagnose von ihrem behandelten Urologen und äußerten sich überwiegend zufrieden mit der jeweiligen Beratungsqualität. Betrachtet man diese mit den Urologen geführten Aufklärungsgespräche, so ergibt sich wie Abb. 1 dargestellt, dass 69 % mit der Beratungsqualität gut oder sehr gut zufrieden waren, 28 % jedoch nicht. 52 % der Befragten waren zufrieden mit der Aufklärungstiefe, 39 % nicht. 57 % waren mit dem Einfühlungsvermögen des Arztes zufrieden, 26 % bemängelten die Objektivität des aufklärenden Urologen, 68 % aller Patienten beurteilten die Verständlichkeit des Aufklärungsgespräches als zufriedenstellend, 24 % gaben an, Probleme mit der Verständlichkeit ihres Arztes zu haben. Durchschnittliche Beurteilung des Beratungsgespräches 2,6 (Schulnote).

Mehr als ¾ aller befragten Patienten sind im Nachhinein mit ihrer Therapiewahl zufrieden, 16 % sind unzufrieden (Abb. 2). Die höchste Zufriedenheit zeigte sich bei Patienten, die einer Strahlentherapie zugeführt wurden, 96 % waren zufrieden bzw. sehr zufrieden, gefolgt von der Brachytherapie, hier waren 93 % zufrieden bzw. sehr zufrieden. Im Vergleich hierzu wurde die Operation von der höchsten Zahl aller Patienten (21 %) als unzufrieden bewertet, nur 79 % waren im Nachhinein mit dieser Methode einverstanden.

43 % aller operierten Patienten klagten über mäßige bis starke Inkontinenz, wobei dies nur bei 12 % der bestrahlten Patienten zutraf. Nach Prostata-Seed-Therapie kam es nur bei 7 % aller Patienten zu einer höhergradigen Inkontinenz, bei der intensitätsmodulierten Radiotherapie fand sich bei 8 % der so behandelten eine mäßiggradige Inkontinenz.

Abb. 2: Mehr als 3/4 aller befragten Patienten sind im Nachhinein mit der Therapiewahl zufrieden.

In Abb. 3 findet sich das Ergebnis bezüglich der erektilen Dysfunktion (Erektionsprobleme). Patienten, die bestrahlt wurden (perkutane Bestrahlung) hatten zu 22 % keinerlei Probleme beim Geschlechtsverkehr, dies ist die höchste Angabe in Korrelation zur Behandlungsmodalität, direkt gefolgt von der Brachytherapie mit 21 %. Überraschenderweise ist hier kaum ein Unterschied messbar. Auch die intensitätsmodulierte Strahlentherapie löst offensichtlich die Probleme nicht, auch hier sind nur 18 % nach Behandlung in der Lage, den Geschlechtsverkehr auszuüben. Erstaunlichweise sind auch Patienten mit Systembehandlungen (Hormontherapie) zu 13 % uneingeschränkt zum Geschlechtsverkehr fähig. Der geringste Wert findet sich in der Gruppe der operierten Patienten, hier geben nur 4 % an, keinerlei Probleme beim Geschlechtsverkehr zu haben.

Abb. 3: 50% der befragten Patienten die sich zuvor einer Brachytherapie unterzogen haben, können Sex mit Hilfsmitteln ausüben bzw. haben keinerlei Probleme.

Angesprochen auf das Thema Rehabilitation stellte sich heraus, dass ca. 60 % der Befragten im Anschluß an die Therapie eine Rehabilitation gemacht haben. Die überwiegende Mehrheit der Befragten zeigte sich mit den Behandlungsergebnissen (87 %), dem Aufenthalt in der Klinik (96 %) und der Medizinischen Betreuung (88 %)  zufrieden bis sehr zufrieden. Allerdings äußerten sich bei der psychoonkologischen Betreuung zwar 82 % zufrieden bis sehr zufrieden, jedoch immerhin 18 % unzufrieden.

Auch das Erleben therapiebedingter, psychischer und körperlichen Probleme und Einschränkungen war Gegenstand der Befragung. Wie Abb. 4 deutlich veranschaulicht, schneidet die Strahlentherapie in den meisten Bereichen am besten ab (siehe Grüne Markierung), gefolgt von Patienten die sich einer Brachytherapie unterzogen haben. Allerdings liegt hier die Anzahl der Antwortenden bei nur 14 Personen. Insgesamt hatten die Befragten im Durchschnitt 2,3 Nebenwirkungen.

Abb. 4: Die Strahlentherapie schneidet mit Abstand am besten bei der Beurteilung der körperlichen und seelischen Einschränkungen und Probleme ab.

Bezüglich der Frage: “Mit wem sprechen Sie offen über ihre Erkrankung” – wurde von den meisten Befragten ausgesagt, dass sie mit ihrem Facharzt die Dinge ansprechen, gefolgt von der Partnerin und an 3. Stelle folgen erst der Hausarzt sowie Freunde und Bekannte mit 312 bzw. 318 Meldungen.

Auf die Frage, wie sich Betroffene über ihre Erkrankung informieren sind Selbsthilfegruppen die am meisten genannte Informationsquelle, gefolgt von Fachzeitschriften für Patienten (n = 246) und dem Internet (n = 240).

Schließlich bleibt festzuhalten, dass immerhin fast 3/4 aller Befragten (73 %) ihren PSA Wert kannten, jedoch nur die Hälfte die Höhe ihres Gleason-Scores.

Beim Thema Selbsthilfe nachgehakt geben immerhin  72 % der Befragten an, einmal eine Selbsthilfegruppe kontaktiert zu haben, 74 % davon jedoch erst nach der Therapie. Schließlich gaben 93 % derjenigen, die eine Selbsthilfegruppe kontaktiert hatten an, dort positive Erfahrungen gesammelt zu haben

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