Loslassen können….

von Dr. Iris Huth

Foto: Dr. Iris Huth

Foto: Dr. Iris Huth

Immer wenn die Feiertage, oder sonstige freudige Anlässe des Schenkens und Beschenktwerdens vorüber sind, fragen wir uns vielleicht nach einiger Zeit was davon übrig geblieben ist. Denn irgendwann ist auch das beste Parfum aufgebraucht, sind Leckereien verspeist, die Garantiezeiten der technischen Gaben verfallen oder der ehemals schöne Pullover in der Altkleidersammlung gelandet.

Wir schenken, weil wir es uns leisten können, gönnerhaft, generös sind, aus Prestige oder gar aus Pflichtgefühl, mit mehr oder minder großen Absichten. Was wir geben, sagt viel über uns aus, so wie es oftmals auch Besitztümer anzeigen sollen.

Doch wie erfüllend und nachhaltig sind all diese materiellen Dinge? Eine erste Antwort findet diese Frage, wenn wir bemerken, dass uns alles nur auf Zeit gehört. Es sind Leihgaben, so wie unser ganzes Leben auch. Wir können naturgegeben nichts für immer festhalten, für uns behalten, mitnehmen – wir sind daher per se gezwungen immer wieder abzugeben, uns loszulösen…

 Gewohnheiten

Gerade wenn uns jemand oder etwas lieb und teuer geworden ist, wird es besonders schwer für uns loszulassen. Der Wunsch nach Routine, Verlässlichkeit, Sicherheiten lässt uns am Gewohnten festhalten, ja oftmals vehement klammern – das ist eine ganz natürliche Reaktion.

Warum fällt uns das Loslassen so unglaublich schwer? Woran liegt das? Loslassen gleicht manchmal einem inneren Abschied. Die Endgültigkeit des Loslassens ist es, die vielen Menschen Angst bereitet, da man nicht weiß was man stattdessen bekommt, vor allem wenn man bereits zuvor sehr viel investiert hat.

Was bedeutet dabei loslassen ganz konkret? Loslassen zu können ist eine besondere Form der Anpassung an ein Ereignis oder an einen Sachverhalt. Wir akzeptieren dabei eine Situation, einen Zustand der uns geschieht und unseren Wünschen und Vorstellungen widerspricht. Letzteres ist vor allem bei einer Krankheit der Fall. Sie passt nicht in unser Konzept und doch müssen wir lernen damit umzugehen und uns mitunter auch von unseren bisherigen Maßstäben und Vorstellungen lösen.

Wie können wir uns auf den Weg des Loslassens begeben? Loslassen beginnt im Kopf. Aber loslassen zu können geschieht nicht von heute auf morgen, es ist ein langfristiger Prozess. Wenn wir uns lösen, entscheiden wir uns, unseren Blick weg von der belastenden Situation hin zu einer anderen Richtung, einer anderen Perspektive oder einfach nur nach vorne zu richten. Das ist nicht immer eine einfache Sache und wir starten dabei mit den unterschiedlichsten Gefühlen wie Trauer, Wut oder Angst. Viele Gedanken kreisen in uns mit Fragen wie z.B.: „Warum ist das mir passiert?“ „Wieso ist das Schicksal so ungerecht?“

Strategien

An dieser Stelle wird es wichtig, Strategien im Umgang mit der Situation zu entwickeln, d.h. sich der eigenen Lage bewusst zu werden, schauen wo man gerade steht. Es gilt Möglichkeiten hierfür zu eruieren und nicht zuletzt den Zustand zu akzeptieren, in dem wir uns befinden – auch wenn er uns nicht behagt.

Im nächsten Schritt kann es hilfreich sein, sich Menschen anzuvertrauen, die sich in einer ähnlichen Situation befanden oder befinden und sie zu fragen, wie sie die schwierigen Zeiten gemeistert haben. Mit ihnen kann es leichter fallen Vertrauen und Hoffnung zu entwickeln, dass es Lösungen geben kann.

 neue Impulse

Sich Selber verzeihen können, ist auch eine Form des Loslassens. Milde mit sich umzugehen, sich nicht zu zermartern, ob man alles richtig gemacht hat. Wer nicht loslassen kann, hat oft auch noch etwas mit sich und anderen zu klären. Suchen Sie Klärung, heben Sie Blockaden auf und werfen Sie Ballast ab. Sie werden sich danach losgelöster, befreiter und vielleicht auch gelassener fühlen.

Loslassen ist nicht gleichbedeutend mit Resignation, es kann auch etwas Neues bedeuten. Vielleicht kann es ein neuer Anfang sein, ein Beginn ein bewussteres Leben zu führen. Es kann der Impuls sein, endlich seine Wünsche zu verwirklichen, in dem man sich von altgewohnten Konventionen trennt, eingefahrene Wege verlässt und langgehegte Träume zur Erfüllung bringt.

 Wertesystem

Was hilft uns beim Loslassen? Eine Hilfe könnte der Aufbau einer neuen persönlichen Werteskala, eines neuen individuellen Wertesystems sein – weg von materiellen Dingen, hin zu einer sogenannten „Erlebniskultur“. Sowohl in guten als auch in weniger guten Zeiten lebt der Mensch von guten Erlebnissen, die er sich ins Gedächtnis ruft. Man lebt von den inneren Bildern die bei guten Zusammenkünften mit der Familie, Freuden, lieben Menschen um uns entstanden sind. Wir leben von freundlichen Begegnungen und Situationen. Das können auch schöne Reiseerinnerungen, ein Ausflug oder einfach andere angenehme Begebenheiten sein, die uns ein wundervolles „Kopfkino“ bescheren – auch wenn wir uns mal nicht so gut fühlen.

Denken wir noch einmal darüber nach was uns langfristig Freude bereitet – denn hier schließt sich der Kreislauf zu den anfänglichen Überlegungen was nachhaltige Geschenke sein können.

Sowohl wenn wir schenken, als auch wenn wir bedacht werden, sind es meist keine materiellen Gaben an denen wir über längere Zeit Spaß haben, sondern es ist etwas viel Kostbareres, nämlich Zeit. Zeit die wir mit anderen Menschen verbringen. Zeit, die verbunden mit guten Erfahrungen und Geschehnissen ist. Beschenkt werden mit neuen Eindrücken und guten Emotionen.

Alle materiellen Dinge sind nur Leihgaben. Was uns aber keiner nehmen kann, was uns bis zuletzt gehört, sind unsere Erinnerungen und das Wissen sein Leben nicht versäumt zu haben.

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