Interventionelle Radiologie und Mikrotherapie:

Krebsmagazin – Ausgabe November 2010
Prof. Dr. med. Jens Ricke, Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin, Universitätsklinikum Magdeburg
Dr. med. Ricarda Seidensticker, Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin, Universitätsklinikum Magdeburg

Bildgestützte Therapieverfahren zur lokalen Tumorbehandlung haben sich als wertvolle Ergänzung in Krebstherapiekonzepten etabliert. Bei den meisten Lebertumoren (Lebermetastasen und Lebereigenem Krebs) ist die chirurgische Entfernung des Tumors die Methode der Wahl. Insbesondere einzelne, kleinere Herde können mit gutem Ergebnis operiert werden und die Prognose der Erkrankung verbessern. Die Möglichkeiten einer Operation sowie das genaue Ausmaß hängt von der Art des Tumors, der Anzahl der Tumorknoten und von ihrer Lokalisation und Größe ab. Allerdings ist sie in vielen Fällen aus technischen Gründen nicht durchführbar. In Fällen, in denen aufgrund technischer Kriterien eine Operation nicht in Frage kommt, stellt die Chemotherapie den etablierten Behandlungsschritt dar. Zusätzlich können seit neuerem bei schlechter Verträglichkeit oder mangelnder Wirksamkeit der Chemotherapie die Tumorknoten direkt lokal behandelt werden. Diese sogenannten mikrotherapeutischen oder lokalablativen Behandlungsmethoden führen dazu, dass einzelne Krebsher- Interventionelle Radiologie und Mikrotherapie: Behandlungsmöglichkeiten bei Lebermetastasen de in der Leber direkt zerstört werden. Hierzu werden in örtlicher Betäubung unter anderem Katheter oder „Applikatoren“ in den zu behandelnden Knoten in der Leber eingebracht. Die Abtragung (Ablation) erfolgt dann über die eingebrachten Instrumente. Eine Möglichkeit ist die kurzfristige Einlage einer Strahlenquelle, um eine gezielte, lokal begrenzte Strahlentherapie durchzuführen (Brachytherapie oder Afterloading- Verfahren). Alternativ können die Tumore mit Hochfrequenzschwingungen (Radiofrequenzablation) oder Laser (Laserablation) erhitzt werden. Die Wahl der Methode ist von der Lokalisation des Zieltumors oder seiner Größe abhängig. Beim primären Leberzellkarzinom kann auch eine sogenannte „Transarterielle Chemoembolisation“ (TACE) durchgeführt werden. Bei dieser Technik wird über einen Katheter in der Leiste das Blutgefäß in der Leber erreicht, das den Tumor versorgt. Dann wird gezielt ein Zellgift in den Knoten gespritzt. Anschließend wird die Gefäßversorgung durch eine öliges Kontrastmittel unterbunden, so dass das Zellgift nicht ausgespült und der Tumor nicht weiter adäquat mit Blut versorgt wird. Die Yttrium90-Radioembolisation (sog. SIRT) wird bei einem fortgeschritteneren Leberbefall in Erwägung gezogen. Hierbei werden Millionen winziger radioaktiver Kügelchen (Mikrosphären) über die Leberarterie in die tumorversorgenden Blutgefäße eingeschwemmt (Abbildung 1).

Körper, Abbildung 1

Abb. 1: Über einen Zugang in der Leiste wird ein dünner Schlauch bis zur Leber vorgeschoben und die radioaktiv strahlenden Mikrokügelchen in die tumorversorgenden Gefäße gebracht.

Das in den Mikrosphären enthaltene radioaktive Element Yttrium- 90 sendet über mehrere Tage hinweg (physikalische Halbwertszeit ca. 64 Std.) eine Strahlung mit nur maximal 11mm Reichweite, aber hoher örtlicher Strahlenwirkung aus. Dadurch ist die Gefahr einer Schädigung umliegender, gesunder Organstrukturen gering. Die Behandlung wird in aller Regel nur dann ins Auge gefasst, wenn andere etablierte Therapieverfahren weitgehend ausgeschöpft sind und darunter ein Fortschreiten des Leberbefalls aufgetreten ist. Im Vorfeld ist sicher zu stellen, dass andere lokale und systemische Therapieverfahren nicht (mehr) möglich sind oder keinen ausreichenden Behandlungserfolg bieten. Als wichtigstes Einschlusskriterium gilt, dass der Tumor auf die Leber beschränkt ist, da die Behandlung nur hier therapeutische Wirkungen erzielen kann und Tumorgewebe außerhalb der Leber nicht erreicht wird. Wichtig ist, dass eine ausführliche Anamnese (Krankengeschichte) des Patienten erhoben wird. Alle bereits vorliegenden Befunde müssen kritisch in Hinblick auf die Sinnhaftigkeit und auf mögliche Gegenanzeigen hin überprüft werden. Zur sicheren diagnostischen Abklärung kann die Durchführung einer kontrastmittelverstärkten Computertomographie des Brust- und Bauchraumes sowie die Magnetresonanztomographie oder eine PET erforderlich sein, um die aktuelle Ausdehnung und Ausprägung des Leberbefalls festzustellen und einen Befall anderer Organe auszuschließen. Zudem kann die Sichtbarmachung der Gefäßversorgung der Leber mittels einer „Angiographie“ unter Durchleuchtung erforderlich sein. Die Behandlungen werden meist gut vertragen. Bei einigen Patienten treten allerdings kurzzeitig Oberbauchschmerzen, Übelkeit und Fieber auf, die sich aber in der Regel sehr gut behandeln lassen und meist nach 1 bis 2 Tagen wieder abklingen. Häufig besteht nach der Behandlung noch über mehrere Tage oder Wochen Müdigkeit und verringerter Appetit. Selten können schwerwiegendere Nebenwirkungen auftreten. Auch kann es in seltenen Fällen zu einer zeitweiligen oder bleibenden Verschlechterung der Leberfunktion kommen. Die Behandlung mit lokalablativen Verfahren sollte keine Hoffnungen auf eine Heilung der Tumorerkrankung wecken, auch wenn die Behandlung bei einzelnen Patienten den Tumor deutlich reduzieren konnte (Abbildung 2). Primäres Behandlungsziel ist in aller Regel eine Lebensverlängerung und eine Verbesserung der Lebensqualität.

Kernspintomographie der Leber Abb.2

Abb.2: Kernspintomographie mit zahlreichen Tochtergeschwulsten in der Leber (Pfeile). Linkes Bild vor der Y90-Radioembolisation, rechtes Bild 3 Monate nach der Y90-Radioembolisation mit deutlicher Verkleinerung der Tumore.

 

 

 

 

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