Therapie & Forsch.   
 Neue Behandlungsmöglichkeiten durch Protonenbestrahlung

Beim diesjährigen, 11. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie, der über 2.000 Teilnehmer zählte, war unter anderem das Thema Protonentherapie einer der Schwerpunkte. Sowohl Strahlentherapeuten als auch Strahlenphysiker setzten sich mit den Vor- und Nachteilen der sogenannten Protonentherapie auseinander, die zurzeit in Deutschland auf breites Interesse stößt. Experten der Fachgesellschaft diskutierten, ob und in welchen Fällen eine Protonentherapie sinnvoll ist. Die entsprechenden Geräte sind um ein Vielfaches teurer und erheblich aufwändiger in der Herstellung als ein herkömmlicher Linearbeschleuniger, der mit ultraharten Röntgenstrahlen (Photonen) oder Elektronen arbeitet. Protonen besitzen eine erhöhte biologische Wirksamkeit und können Tumoren grundsätzlich besser abtöten. Der wesentliche Vorteil von Protonen liegt darin, dass die Dosis überwiegend auf den Tumor selbst konzentriert bleibt und außerhalb des Zielgebietes schnell abfällt. Dadurch wird gesundes Gewebe in der Nachbarschaft des Tumors besser geschont.

Es gibt einige Arten von Tumoren, bei denen die Protonenbestrahlung wissenschaftlich erwiesene Vorteile gegenüber der herkömmlichen Photonentherapie bietet: So können beispielsweise Melanome in der Aderhaut des Auges so gezielt bestrahlt werden, dass die umgebende Netzhaut nicht wesentlich geschädigt wird und das Sehvermögen erhalten bleibt. Tumoren in kritischen Teilgebieten des Gehirns, z. B. in der Schädelbasis, in der viele wichtige Hirnnerven verlaufen, können ebenfalls mit verminderten Nebenwirkungen auf das umliegende Hirngewebe behandelt werden. Bei den meisten anderen Tumorarten liegen hingegen für die Protonentherapie keine wissenschaftlichen Ergebnisse an größeren Patientengruppen vor, die deren therapeutische Überlegenheit beweisen.
Für die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie sei es deshalb wichtig, so die Kongresspräsidentin, Frau Prof. Sautter-Bihl, eine Verunsicherung der Bevölkerung zu vermeiden und zu verhindern, dass Patienten nach kommerziellen Gesichtspunkten für eine solche Behandlung ausgesucht werden. Die über zehnfach höheren Kosten des Verfahrens halten Ärzte nur dann für gerechtfertigt, wenn Patienten einen nachweisbaren Nutzen haben. Unbestritten sei jedoch, dass die Strahlenbehandlung mit Protonen eine interessante und viel versprechende Behandlungsmöglichkeit darstellt.

"Es ist sinnvoll", so die Experten der DEGRO, "wenn unter Studienbedingungen geprüft wird, welche Patienten von dieser Behandlung profitieren können". Die deutschen Strahlentherapeuten haben sich deshalb darauf geeinigt, die Protonentherapie zunächst für die umschriebene Dosiserhöhung (Boost) nach einer herkömmlichen Bestrahlung zu untersuchen. Damit erhoffen sich die Ärzte, den Tumor selbst mit einer höheren Dosis zu bestrahlen und gleichzeitig gesundes Gewebe in der Nachbarschaft noch besser zu schonen. Es ist deshalb vorgesehen, dass Experten der DEGRO eine entsprechende Liste von geeigneten Tumorerkrankungen erstellen werden. Patienten mit solchen Erkrankungen werden dann im Rahmen von Studien nach definierten Bedingungen behandelt und nach Abschluss der Strahlentherapie systematisch weiter beobachtet. Dies soll in strahlentherapeutischen Einrichtungen geschehen, die bereit sind, die strengen wissenschaftlichen Bedingungen einer Studie zu erfüllen. Mit Hilfe dieser Studien kann geprüft werden, ob die Bestrahlung mit Protonen zu höheren Heilungsraten bei geringeren Nebenwirkungen führt. Im Oktober 2005 hat ein Gericht den Beschluss des gemeinsamen Bundesausschusses bestätigt, die Protonentherapie aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen auszuschließen.