Therapie & Forsch.   
 Aktuelle Therapie des Analkarzinoms

Das Analkarzinom ist ein sehr seltener Tumor des Magen-Darm-Traktes. Es befällt mehr Frauen als Männer, mehr ältere Menschen als jüngere. (Epidemiologie). Es entsteht in der Schleimhaut des Analkanals, meist handelt es sich um ein Plattenepithelkarzinom wie bei Hauttumoren und Tumoren der Mund- und Nasenschleimhat im Gegensatz zu den aus Drüsen entstehenden Adenokarzinomen von Magen, Dünn- und Dickdarm. Die weiteren Ausführungen betreffen also das Plattenepithelkarzinom des Analkanals.

Risikofaktoren

Risikofaktoren für das Auftreten eines Analkarzinoms sind früh beginnender Geschlechtsverkehr, Promiskuität, Analverkehr und Rauchen. Eine Virusinfektion mit dem HPV 16 Virus spielt wie beim Gebärmutterhalskrebs eine ursächliche Rolle. Daher sind alle Patienten, die gutartige Viruserkrankungen im Analbereich haben wie die "spitzen Condylome" Risikopatienten für das Auftreten eines Analkarzinom.

In den letzten Jahren wurde vermehrt bei jüngeren Patienten mit HIV Infektion ein Analkarzinom beobachtet. Bei diesen ist es wahrscheinlich aber nicht die Immunschwäche, sondern die Virusinfektion der ursächliche Faktor.

Frühsymptome

Die Frühsymptome des Analkarzinoms sind unspezifisch: Juckreiz, ein Druckgefühl im Analbereich, Blutungen und Schmerzen beim Stuhlgang können auch bei anderen Erkrankungen auftreten. Wichtig ist, dass man diese Befunde abklärt und sich nicht mit der Diagnose "thrombosierter Hämorrhoidenknoten" nach einer rektalen Untersuchung zufriedengibt. Die Koloskopie ist nicht immer wegweisend, da der Analkanal of nicht gesehen wird. Auch bei der Rektoskoie, der Spiegelung mit dem starren Gerät, kann man manchmal an den Veränderungen im Analkanal vorbeigehen, ohne sie wahrzunehmen. Die Proktoskopie, die Untersuchung des Analkanals, ist die wichtigste Untersuchung zum Ausschluß eines Analkarzinoms. Dabei können aus verdächtigen Veränderungen Proben entnommen und histologisch untersucht werden. Manchmal "versteckt" sich ein Analkarzinom hinter vermeintlich gutartigen Veränderungen, wenn also nach Diagnose einer gutartigen Veränderung und dem Beginn einer entsprechenden Therapie die Beschwerden bleiben, sollte der Patient nach Ablauf von 6-8 Wochen auf eine erneute Abklärung drängen. Andererseits sollen alle wegen gutartiger Veränderungen entfernten Gewebe histologisch untersucht werden.

Untersuchungen

Wie schon erwähnt ist die rektale Tastuntersuchen mit Spiegelung des Analkanals, die sogenannte Proktoskopie und die Gewinnung von Gewebe zur histologischen Untersuchung der erste Schritt zur Diagnose. Der zweite Schritt ist die Untersuchung der Leisten, da Analkarzinome sich in die Leistenlymphknoten ausbreiten können. Wenn Lymphknoten in der Leiste vergrößert sind, empfiehlt sich eine histologische Sicherung durch Entfernung einzelner Metastasen oder durch eine Stanzbiopsie. Die Ausbreitung der Tumors im kleinen Becken sowie der Vergrößerung von Becken-Lymphknoten wird durch eine Computertomographie des Beckens untersucht. Das Vorliegen von Fernmetastasen in Leber oder Lunge kann durch Röntgenuntersuchengen der Lunge und durch Computertomographie oder Ultraschalluntersuchung der Leber ausgeschlossen werden.

Behandlung

Die Behandlung des Analkanalkarzinoms hat in den letzten 30 Jahren einen grundsätzlichen Wandel erfahren. Bis Mitte der achtziger Jahre war die Entfernung von Mastdarm und Analkanal mit dauerhaftem Stoma (künstlicher Darmausgang) die Behandlung der Wahl. Dieser Eingriff mit Verlust des Schließmuskels konnte zwar für Patienten mit einem frühen Tumorstadium mit gutem Erfolg heilen, bei weiter fortgeschrittenen Tumoren waren die Behandlungsergebnisse jedoch schlecht mit Wiederauftreten des Tumors bei mehr als der Hälfte der Patienten. Deshalb versuchte der amerikanische Chirurg Nigro, durch eine Kombination von Bestrahlung und Chemotherapie vor der Operation die Behandlungsergebnisse zu verbessern. Bei der Aufarbeitung der Operationspräparate bemerkten die Pathologen, dass bei vielen Patienten der vorher nachgewiesene Tumor nicht mehr aufzufinden war. Nach diesen Erfahrungen versuchte man intensiv, die Behandlung mit Bestrahlung und Chemotherapie zu verbessern.

Nach der Veröffentlichung zweier großer Studien wurde 1995 die Kombination von Bestrahlung und Chemotherapie mit den Medikamenten 5 Fluorouracil und Mitomycin als neuer Standard in der Behandlung des Analkarzinoms festgelegt.

Heute versucht man, Fragen zur Verbesserung dieser Behandlung mit Bestrahlung und Chemotherapie zu beantworten. In den USA wird untersucht, ob man die Substanz Mitomycin durch Cisplatin, ein anderes Chemotherapeutikum, ersetzten kann. Außderdem sollen zwei verschiedene Dosierungen der Strahlentherapie miteinader verglichen werden. In Franreich wird geprüft, ob eine Chemotherapie vor der Kombination von Bestrahlung und Chemotherapie die Heilungschancen verbessert. In Europa versuchen wir unter Mitwirkung von vielen deutschen Kliniken, ein neues Behandlungsschema von kürzerer Strahlentherapie und niedriger Gabe von 5 Fluorouracil während der gesamten Behandlungsdauer zu vergleichen mit einer Behandlung, bei der wir das 5 Fluorouracil durch Cisplatin jede Woche ersetzen.

Da das Karzinom des Analkanals ein sehr seltener Tumor ist, dauert es lange, bis man die Patienten für solche Studien gesammelt hat. Nach Abschluss der Bestrahlung in Kombination mit Chemotherapie ist es sehr wichtig, den Erfolg der Behandlung zu evaluieren. Dazu sind engmaschige Nachuntersuchungen durch erfahrene Untersucher erforderlich.

Bei Verdacht auf Resttumor oder Rezidiv im weiteren Verlauf kann man durch eine Entfernung von Mastdarm und Anus noch die Hälfte der Patienten heilen. Dabei ist notwendig, den wieder auftretenden Tumor zu einem Zeitpunkt zu operieren, an dem man durch die Operation den Tumor komplett "im Gesunden" entfernen kann.

Spätfolgen

Nach Durchführung einer Bestrahlung mit Chemotherapie kann es zu Spätfolgen kommen, die im weiteren Verlauf zu Problemen führen können.

Diese Spätfolgen sind Blutungen, eine Engstellung des Analkanals, Geschwüre im Analkanal, eine Fistel zwischen dem Anus und der Vagina oder Schmerzen im Beckenknochen. Im Einzelfall kann es nötig werden, aufgrund der Spätfolgen ein Stoma anzulegen. Mit den neuen Techniken der Strahlentherapie werden diese Spätfolgen seltener.

Therapie von Metastasen

Bei etwa 15% der Patienten treten im Verlauf der Erkrankung Metastasen auf. Dann ist eine Chemotherapie mit einer Kombination von Cisplatin und 5 Fluorouracil erfolgversprechend. Die gleiche Chemotherapie kann auch eingesetzt werden, wenn der Tumor im kleinen Becken wieder auftritt und man wegen der Ausdehnung nicht operieren kann. Über die Behandlung mit anderen Substanzen gibt es kaum veröffentlichte Berichte.