| Archiv |     Ausgabe 03/2002

Therapie & Forsch.   
 
Dr. med. Stefan Machtens, Abteilung für Urologie und Kinderurologie, Medizinische Hochschule Hannover
Prostatakrebs: Strahlentherapie direkt im Tumor

Zum Problem

Prostatakrebs ist heute der häufigste bösartige Tumor bei Männern in der westlichen Welt. Auch in Deutschland wird der bösartige Tumor der Prostata inzwischen jedes Jahr am häufigsten diagnostiziert.
Um diesen Krebs heilen zu können, muss er in einem Stadium entdeckt werden, in dem er auf die Vorsteherdrüse beschränkt ist und noch nicht in andere Organe gestreut hat.

In einem solchen Frühstadium gibt es derzeit drei Behandlungsmöglichkeiten mit einem heilenden Ansatz:

  • Die radikale operative Entfernung der Prostata

  • Die Bestrahlung von außen

  • Die Bestrahlung von innen (Brachytherapie)


Die Brachytherapie

Seit rund zehn Jahren wird die Bestrahlung von innen, die Brachytherapie, klinisch zur Behandlung des bösartigen Prostatatumors eingesetzt, nachdem es erste Therapieversuche schon zu Beginn des 20.Jahrhunderts gab, die aber auf Grund technischer Unzulänglichkeiten nicht weiter verfolgt worden waren.

Eingebrachte Hohlnadeln im Randbereich der Prostata Eingebrachte Hohlnadeln
im Randbereich der Prostata
Foto u. Copyright: Eckert & Ziegler AG, Berlin
Das Therapieprinzip: In die Vorsteherdrüse werden dauerhaft Kleinstpartikel (4x0,8mm),
so genannte Seeds, eingepflanzt.
Das geschieht mit Hilfe von Hohlnadeln, die unter Ultraschallkontrolle über den Beckenboden eingestochen werden. Die Patienten erhalten für den Eingriff entweder eine Voll- oder eine Rückenmarksnarkose. Die Seeds bestehen aus radioaktivem Jod-125, einem Isotop, das mit einer Halbwertszeit von 60 Tagen eine hoch dosierte Strahlung von innen auf das Organ abgibt. Als Folge wird die Prostata narbig umgebaut, der Tumor wird zerstört.

Im Oktober 2000 wurde von den Abteilungen Urologie sowie Strahlentherapie und Spezielle Onkologie der Medizinischen Hochschule Hannover eine neue Variante dieses Verfahrens erstmalig in Deutschland eingesetzt. Das Besondere: Die Ärzte sind in der Lage, in ein und derselben Operation sowohl die für den einzelnen Patienten notwendige Strahlendosis zu planen als auch die Seeds einzupflanzen. Das ist nur möglich, weil die Prostata dank spezieller Software mehrdimensional im Ultraschall dargestellt werden kann. Jede Vorplanung zum Beispiel mit einer Computer-Tomographie ist nicht mehr notwendig.


Bestrahlungsplan mit eingezeichneten Dosislinien bei der Seed-Therapie der Prostata Bestrahlungsplan mit eingezeichneten Dosislinien bei der Seed-Therapie der Prostata
Foto u. Copyright: Eckert & Ziegler AG, Berlin
Die Vorteile der Technik: Der Ultraschall macht es möglich, auf eine durch den Eingriff bedingte Lageveränderung der Prostata in der Strahlenplanung zu reagieren. Die Methode hat deutlich geringere Nebenwirkungen (unkontrollierter Harnabgang, Impotenz) im Vergleich zur Operation und der Bestrahlung von außen. So wurde eine neu aufgetretene behandlungsbedingte Impotenz bei nur 30% der Patienten in der Zeit 2 Jahre nach der Behandlung festgestellt. Im Vergleich hierzu liegen diese Raten zwischen 50%-100% bei der radikalen Operation.

Eine Harninkontinenz, d.h. die Unfähigkeit das Wasserhalten zu kontrollieren, findet sich bei weniger als 1% der behandelten Patienten. Die Raten für diese Komplikation liegen bei der Operation zwischen 8,5% bis 50%. Vorübergehende Beschwerden beim Wasserlassen treten in den ersten Monate nach der Brachytherapie bei allen Patienten auf, bilden sich aber im Verlauf des ersten Jahres nach der Behandlung nahezu bei allen Patienten wieder zurück. Es ist möglich, andere Therapieformen einzusetzen, falls der Tumor mit der Seeds-Implantation nicht kontrolliert werden kann. Außerdem kann die Brachytherapie ambulant oder mit nur einem Tag auf Station durchgeführt werden. Gleichzeitig liegt die Strahlenstärke deutlich höher als bei der Bestrahlung von außen.

Spezialisten bei einer Operation Für die Operation sind neben dem Operateur weitere Spezialisten erforderlich
Foto und Copyright: Eckert & Ziegler AG, Berlin
Als Nachteile sind zu nennen: Die Kosten für die Seeds werden derzeit von den gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen. Die Gesamtkosten für die Therapie unter Berücksichtigung der Kosten für die radioaktiven Teilchen liegen zwischen 10.000 - 12.500 Euro.

Zudem stehen die Langzeitergebnisse noch aus. Es gibt Hinweise auf Untersuchungsergebnisse nach zehn Jahren, dass sich der Tumor, wenn er auf die Vorsteherdrüse beschränkt ist, mit Hilfe der Brachytherapie gleich gut kontrollieren lässt wie durch eine radikale Prostataentfernung.

Ausblick

Mit der Seeds-Methode verfügt man heute über eine moderne Variante der Brachytherapie. Derzeit wird das schonende Verfahren bei Prostatakrebs im Frühstadium eingesetzt. Ob sie im Vergleich zu anderen Behandlungen langfristig erfolgreicher ist und auch bei fortgeschrittenem Krebsleiden geeignet ist - eventuell in Kombination mit anderen Therapieformen -, wird sich in den kommenden Jahren herausstellen.