| Wächterlymphknoten - Sentinel-Node-Biopsy
Dr. med. Albert von der Assen, Franziskus-Hospital Harderberg, Georgsmarienhütte Die Behandlung von Brustkrebs setzt sich üblicherweise zusammen- aus einer operativen Therapie,
- einer medikamentösen Behandlung und
- einer Strahlentherapie.
Zur operativen Behandlung, die möglichst brusterhaltend durchgeführt wird, gehören- die Entfernung des bösartigen Tumors ausreichend weit im Gesunden (um den Tumor herum sollte ein Saum von gesundem Gewebe entfernt werden), möglichst 0,5-1 cm
- die Entfernung von mindestens 10 Lymphknoten aus der Achselhöhle.
Operiert man 100 Brustkrebspatientinnen nach dieser Standardmethode, so sind bei über 60 Patientinnen die Lymphknoten nicht befallen. Bei diesen Patientinnen, so könnte man folgern, erfolgt die Lymphknotenentfernung also unnötig. Leider ist es bisher jedoch nicht möglich durch Tastuntersuchung, Ultraschall, Computertomographie oder Kernspintomographie sicher festzustellen, ob ein Lymphknotenbefall der Achselhöhle vorliegt. Der zweite Grund, eine Möglichkeit zu suchen, um auf die Lymphknotenentfernung zu verzichten, sind die möglichen Nebenwirkungen und Folgen der Standard-Lymphknotenentfernung. Grund sind die dafür auf engem Raum in der Achselhöhle verlaufenden Lymph- und Nervenbahnen. In etwa 10% kommt es zu einer Serom- (Wundwasser) Bildung in der Achselhöhle. In 560% der Fälle zur Armschwellung (Lymphödem). Viele Patientinnen haben Schmerzen und Beeinträchtigungen im Schulter-Arm-Bereich der betroffenen Brustseite.
Seit 1997 etabliert sich an großen Brustzentren zunehmend die "Wächter"-Lymphknotenmethode, die auch Sentinel-node-Biopsy heißt. Dabei sucht man den "Wächter"-Lymphknoten auf, d.h. der bei Tumorverschleppung als erster Lymphknoten befallen würde.
Wie findet man diesen Wächterlymphknoten?
Abb. 1: Auffinden des Wächterlymphknotens mit Hilfe der Gammasonde Dazu gibt es zwei Methoden, die man normalerweise kombiniert, um eine möglichst große Sicherheit zu erzielen. Vor der Operation wird der Patientin ein radioaktives Medikament (Technetium-Nuklid) um den Tumor gespritzt und durch eine anschließende Lymphgefäßdarstellung der hauptspeichernde "Wächter"- Lymphknoten dargestellt und auf der Haut der Patientin markiert. Kurz vor der Operation wird blaue Farbe (Patent-blau) um den Tumor gespritzt, welche sich zum Wächterlymphknoten verteilt. Während der Operation wird mit einer Sonde der stark radioaktiv speichernde Lymphnoten aufgesucht und freipräpariert, der in der Regel bei Verwendung der Kombination von Radionuklid und Blaulösung zusätzlich noch blau gefärbt ist. Dieser "Wächter"-Lymphknoten wird zur Schnellschnitt-untersuchung gegeben. Ist er tumorfrei, wird auf die Entnahme von weiteren Lymphknoten verzichtet.
Abb. 2: Entnahme des Wächterlymphknotens mit minimalem Schnitt Bei dieser Methode gibt es folgende Punkte zu bedenken bzw. zu beachten:
- Die Achselhöhle sollte vor der Entscheidung für diese Methode gründlich durch Abtastung und Ultraschall untersucht werden. Nur wenn diese negativ, d.h. ohne auffälligen Befund sind, darf diese Methode angewandt werden.
- Diese Methode sollte nur bei Einzeltumoren bis max. 3 cm durchgeführt werden.
- Erst in 10-15 Jahren liegen gesicherte Daten vor, ob die alleinige "Wächter"-Lymphknoten-Entfernung gleichzusetzen ist mit der Standardlymphknotenentfernung von mindestens 10 Lymphknoten bezogen auf das Gesamtüberlegen und das Neuauftreten von Metastasen in den Achsellymphknoten.
- Die Methode darf nicht angewandt werden bei an der Brust oder im Achselhöhlenbereich voroperierten Patientinnen, bei Vorhandensein von mehreren Krebsknoten in einer Brust.
Abb. 3: Entnommener Wächterlymphknoten - Auch wenn der "Wächter"-Lymphknoten im Schnellschnitt tumorfrei ist, kann eine zweite Operation mit typischer Lymphknotenentfernung von mindestens 10 Lymphknoten notwendig werden und zwar dann, wenn die angeschlossene feingewebliche Untersuchung des "Wächter"-Lymphknotens Tumorzellen nachweist.
- Es sind falsch-negative Ergebnisse möglich, d.h. der "Wächter"-Lymphknoten tumorfrei, aber andere Lymphknoten sind befallen. Zum Glück kommen diese sogenannten "Skip-Metastasen" selten vor (max. 5%).
- Operateure, die die alleinige Wächterlymphknotenentfernung vornehmen wollen, sollten eine Trainingsphase erfolgreich abgeschlossen haben, unabdingbar sind ferner die lückenlose Dokumentation dieser Fälle.
- Nach der "Lernphase" sollten vom Operateur pro Jahr mindestens 25 solcher Op's durchgeführt werden.
- Zum "Wächter"-Lymphknotenteam gehören neben dem Operateur ein erfahrener Pathologe und Radiologe.
- Besprochen werden sollte mit der Patientin für die Nachbehandlung für drei Jahre die vierteljährliche Palpations- und Ultraschallkontrolle der Achselhöhle.
Zusammenfassung
Bei Vorhandensein eines erfahrenen Teams (Operateur, Radiologe, Pathologe), einer genügenden Anzahl von Patienten pro Jahr (Vorschlag ca. 150 neue Karzinome pro Jahr), einer richtigen Auswahl der Patientinnen, einer lückenlosen Dokumentation der Daten und eines guten Qualitätsprogramms ist die Anwendung der "Wächter"-Lymphknoten-Entfernung eine große Bereicherung bei der Behandlung von Brustkrebspatientinnen, um insbesondere die Nebenwirkungen für die Schulter-Arm-Bereiche stark zu reduzieren und somit die Lebensqualität zu verbessern.
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