Therapie & Forsch.   
 Stellenwert der minimal-invasiven Diagnostik bei Brustkrebs

Nur ein Teil der bösartigen Brustkrebstumoren sind tastbar. Was gehört zur richtigen Früherkennung? Was sollte jede Frau tun?

Entsprechend dem klinischen Algorithmus Brustkrebsfrüherkennung sollte eine Frau ab 20 Jahren monatlich eine Selbstuntersuchung durchführen, ab 30 bis 49 Jahren zusätzlich einmal im Jahr eine ärztlich-klinische Untersuchung durchführen lassen und ab 50 bis 69 Jahren zusätzlich alle zwei Jahre eine Mammografie durchführen lassen.

Beim ersten Verdacht auf Brustkrebs: Was lässt sich tun oder sagen, um die Belastung/ Qual der Ungewissheit für die Frau zu mildern?

Eine hundertprozentige Gewissheit ergibt erst die histologische Diagnosesicherung. Am schnellsten und am wenigsten belastend für die Frau gelingt dies mittels minimal-invasiver diagnostischer Verfahren, in Lokalanästhesie, ambulant.

Bei Verdacht auf Brustkrebs wird die Diagnose meistens durch einen offenen operativen Eingriff an der Brust gestellt. Gibt es Alternativen, die für Frauen geistig und körperlich weniger belastend sind?

Die minimal-invasiven Mammainterventionen sind sicherlich weniger belastend, da diese schnell und unkompliziert ambulant in Lokalanästhesie durchgeführt werden können und das Ergebnis bestenfalls schon nach vier Stunden vorliegt.

Es heißt, dass effektive Früherkennung, Diagnose und Behandlung eine interdisziplinäre Angelegenheit ist. Was ist damit gemeint und wie setzt man sie um?

Umgesetzt wird dies am besten in einem "zertifizierten Brustzentrum", welches von den beiden wissenschaftlichen interdisziplinären großen Fachgesellschaften, der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Senologie nach einem fachlichen Anforderungskatalog zertifiziert worden ist. Ein Hauptkriterium, um dieses Gütesiegel zu bekommen, ist der Nachweis einer interdisziplinären Zusammenarbeit, d. h. eine Zusammenarbeit mit Ärzten der verschiedensten Fachrichtungen, die an der Diagnose, Therapie und Nachsorge in der Prozesskette des Mammakarzinoms beteiligt sind, wie z. B. der Gynäkologe, Radiologe, Strahlentherapeut, Onkologe, Pathologe, aber auch die Physiotherapeuten und Selbsthilfegruppen.

www.senologie.org
www.senologie.org - Homepage der Deutschen Gesellschaft für Senologie
Auf der Homepage der DGfS finden Sie u.a. die genauen Zertifizierungsrichtlinien sowie die jeweils aktuelle Liste der zertifizierten Brustzentren.
Gibt es empfohlene Verfahren oder Richtlinien dafür? An wen können sich Ärzte wenden, um sich hierüber zu informieren?

Die Deutsche Gesellschaft für Senologie hat auf ihrer Homepage www.Senologie.org die bisher gültigen Konsensusempfehlungen und Leitlinien, u.a. die S-3Leitlinie Brustkrebsfrüherkennung veröffentlicht. Auf der jährlich stattfindenden Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Senologie können sich Ärzte auch über die neuesten Erkenntnisse und Entwicklungen im Bereich Brustkrebs fortbilden.

Was ist Ihr größtes Anliegen, was sehen Sie als Ihre größte Herausforderung als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Senologie?

Die Aufklärung und das Bewusstsein bei allen Verantwortlichen zu schärfen, besonders bei den Frauen, sowie eine bessere Verzahnung und eine optimale, gut funktionierende Prozesskette flächendeckend für Deutschland zu garantieren. Dazu gehört auch die flächendeckende Implementierung der Leitlinien.

In "Cancer" wurde gerade eine Multicenter-Studie zur Vakuumbiopsie veröffentlicht. Die Methode wurde als sehr sicher und zuverlässig beschrieben. Haben Sie die gleichen Erfahrungen in Ihrem Haus gemacht?

Wir können die von Frau Dr. Ute Kettritz veröffentlichen Daten nur bestätigen. Die ambulante Diagnose suspekter Mikrokalkbefunde (BI-RADS IV) durch die Vakuumbiopsie ist an unserem Brustzentrum Standard. Wir ersparen hiermit ca. 70 % dieser Patientinnengruppe, deren Befund sich als gutartig herausstellt, die offene Brustoperation bei optimaler histologischer Sicherheit.

Warum empfinden Frauen die Vakuumbiopsie als schonend?

Die Vakuumbiopsie wird ambulant und in Lokalanästhesie durchgeführt; die Biopsie verursacht eine minimale Narbenbildung auf der Haut und intramammär im Vergleich zur offenen Brustoperation. Komplikationen wie behandlungsbedürftige Blutungen oder Infektionen sehen wir ausgesprochen selten.

Haben Sie Erfahrungen mit Patientinnen, die schon einmal eine offene Mamma-PE hatten und sich jetzt einer Vakuumbiopsie unterziehen müssen? Wie ist deren Einschätzung der Methoden?

Diese Frauen wissen sehr zu schätzen, dass ein Befund in der Brust abklärbar, in manchen Fällen sogar entfernbar ist, ohne dass sie eine weitere Narbe davontragen. Dadurch, dass eine relativ große Anzahl an Zylindern, d. h. große Menge an Gewebe entnommen wird, fühlen sich die Frauen sicher mit der gestellten feingeweblichen Diagnose.

Bisher werden die Kosten für eine Vakuumbiopsie nicht erstattet; können Sie sich vorstellen warum und was können Sie tun, um auf die Situation aufmerksam zu machen und diese zu ändern?

Noch ist die Vakuumbiopsie als eine minimal-invasive interventionelle Mammadiagnostik nicht komplett als Evidence-based-Methode anzusehen, obwohl sie schon im klinischen Algorithmus Brustkrebsfrüherkennung der S-3-Leitlinie Brustkrebsfrüherkennung als Diagnostikum erwähnt wird. Die Krankenkassen möchten derzeit einen Beweis, dass die Methode einerseits evidencebased ist, andererseits, trotz der hohen Kosten, die die Vakuumbiopsie verursacht, ist dies ein kostengünstigeres Verfahren als es z. B. eine offene Biopsie darstellt. Wenn dieser Beweis geliefert wird, wird sich hoffentlich die Situation auch ändern.

Vielen Dank für das Gespräch.