Therapie & Forsch.   
 Warum ist die Brustkrebsbehandlung im Brustzentrum wichtig?

Der Brustkrebs gehört zu den häufigsten Krebserkrankungen weltweit.
In Deutschland steht Brustkrebs mit etwa 50.000 Neuerkrankungen pro Jahr hinter dem Lungenkrebs und dem Darmkrebs an dritter Stelle in der Häufigkeitsstatistik. Wenngleich es in den vergangenen Jahren gelungen ist, den Anteil an letztlich geheilten Patienten auf 60-70% zu erhöhen, versterben doch immer noch jährlich 19.000 Patientinnen in Deutschland an dieser Erkrankung.

Zudem wird nun auch von der Politik vermehrt erkannt, dass Deutschland in der Qualität von Diagnostik und Therapie von Brustkrebserkrankungen den meisten übrigen europäischen Ländern, insbesondere aber den USA, deutlich hinterherhinkt. Dies liegt nicht an der unzureichenden finanziellen Ausstattung unserer Gesundheitssysteme oder aber an der mangelhaften Ausbildung von den im Medizinbetrieb Tätigen, sondern vor allem an der mangelnden Kooperation zwischen Spezialisten unterschiedlicher Fachdisziplinen und der fehlenden Zusammenarbeit zwischen ambulanten und stationären Versorgungseinheiten.

Bereits die Diagnosestellung ist für viele Patientinnen verbunden mit ständigen Arztwechseln, die nicht selten einer Odyssee gleichkommen, ausgerechnet in einer Phase der allergrößten psychischen Belastung, steht doch die Diagnose einer bösartigen Erkrankung im Raum. Die Diagnose wird in der Regel beim niedergelassenen Gynäkologen gestellt, von dort wird die Patientin zur Mammographie in die Praxis eines Radiologen weitergeleitet. Die Befundung und daraus folgenden Konsequenzen werden wieder vom einweisenden Gynäkologen vorgenommen. Der veranlasst eine Gewebeentnahme zu der in der Regel die Einweisung in eine gynäkologische Klinik erforderlich ist. Die gewonnene Gewebeprobe wird dann zur feingeweblichen Untersuchung in ein pathologisches Institut versandt, dort werden Hormonbestimmungen und genetische Analysen, wie zum Beispiel HER-2-neu-Expression zumeist ganz ohne Kenntnis der patientenspezifischen Krankengeschichte durchgeführt. Die Ergebnisse der feingeweblichen Untersuchung, werden an den einsendenden Arzt rückübermittelt, im Falle einer bösartigen Diagnose wird mit der Patientin gesprochen und die weiteren Untersuchungen zur Ausbreitungsdiagnostik veranlasst. Anschließend sollte von Ärzten mit Erfahrung in der Gabe von Chemotherapie festgelegt werden, ob eine präoperative Chemotherapie durchzuführen ist oder nicht. Sehr oft wird diese neuartige und vielversprechende Methode jedoch gar nicht mit den Patientinnen diskutiert oder angeboten, da meist entsprechend ausgebildete Ärzte fehlen. Erst nach Abschluss dieser zeitraubenden und aufgrund der fehlenden inhaltlichen und organisatorischen Vernetzung fehleranfälligen Diagnostik, erfolgt schließlich die Operation durch den Klinikgynäkologen. Verfolgt man diesen Ablauf mit den vielfältigen Schnittstellen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung und zwischen Spezialisten der unterschiedlichsten Fachgebiete, so ist leicht verständlich, dass bereits vor Einleitung der ersten Therapie Kommunikationsprobleme und Informationsverlust vorprogrammiert sind (vgl. Abbildung 1).

Abfolge der diagnostischen und therapeutischen Schritte bei Mammakarzinom Abb. 1: Abfolge der diagnostischen und therapeutischen Schritte bei Mammakarzinom

Gerade aber die Kooperation von Spezialisten unterschiedlichster Fachgebiete ist die Ursache für die deutlich gestiegenen Heilungserfolge in den vergangenen Jahren. Diese sind nämlich nicht die Folge eines einzigen großen therapeutischen Durchbruchs, sondern das Resultat langjähriger Forschungsarbeiten mit vielen kleinen Fortschritten in den unterschiedlichen beteiligten Fachdisziplinen.

War vor 10-20 Jahren im wesentlichen die radikale Operation, gegebenenfalls gefolgt von einer Strahlentherapie, die Therapie der Wahl für die über wiegen de Anzahl der Patientinnen, so ergibt sich heute die Möglichkeit ganz unterschiedlicher Operationstechniken, wie beispielsweise brusterhaltende Operation, Operation mit Wächterlymphknotendarstellung, radikale Entfernung der Brust oder primär plastische Operation. Auch die Strahlentherapie hat einige Neuerungen beizutragen, so besteht zunächst noch in Studien auch die Möglichkeit die langwierige postoperative Bestrahlung durch eine intraoperative einmalige Strahlentherapie zu ersetzen.

Schließlich sind im Bereich der Chemotherapie vielfältige Erneuerungen erreicht worden. So werden neue Substanzen wie Taxane frühzeitig eingesetzt oder Chemotherapeutika in Tablettenform angeboten. Es gibt jetzt nicht nur die Möglichkeit einer Chemotherapie nach der Operation, sondern oft besteht die Möglichkeit durch eine Chemotherapie vor der Operation den Tumor so zu verkleinern, dass keine Entfernung der gesamten Brustdrüse mehr erforderlich ist. Ganz neue Wirksubstanzen auf immunologischer Grundlage wie Trastuzumab bei Tumoren mit bestimmten Eigenschaften stehen zur Verfügung, entweder alleine oder in Kombination mit einer antihormonellen Therapie, die ihrerseits wieder vielfältige neuentwickelte Substanzen umfassen kann. Auch der Einsatz von sogenannten Bisphosphonaten zur Verringerung der Komplikationen bei Tochtergeschwülsten im Knochen bedeutet eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität betroffener Patientinnen.

Struktur eines Brustzentrums mit den wesentlichen Fachdisziplinen
Abb. 2: Struktur eines Brustzentrums mit den wesentlichen Fachdisziplinen

Dieses deutlich erweiterte Therapiespektrum macht es erforderlich für jede Patientin einen individuellen, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittener Therapieplan zu entwickeln, der die effektivsten Therapien aus den verschiedenen Disziplinen vereint. Darin besteht einerseits eine große Chance, andererseits aber auch die Gefahr der Unterversorgung bzw. Überversorgung bei fehlender Kooperation unter den betreuenden Ärzten, da heutzutage kein einzelner Arzt mehr in der Lage ist, alle therapeutischen Entwicklungen in den Nachbardisziplinen zu verfolgen. Um für unsere Patientinnen, die an Brustkrebs erkrankt sind, alle zur Verfügung stehenden Therapien nutzen zu können und ihren individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden, muß die Behandlung dieser hochkomplexen Erkrankungen auch in Deutschland ausschließlich in zertifizierten Brustzentren erfolgen. Nur in der engen Zusammenarbeit von ambulant tätigen und stationär tätigen Kollegen ist es möglich, eine qualitätsgesicherte Diagnostik und Therapie nach evidenzbasierten Standards auf höchstem Niveau durchzuführen. Wichtig ist, dass diese Brustzentren an einem Ort entstehen und nicht über verschiedene Standorte verteilt sind, um eine nahtlose Kooperation zu ermöglichen. Darüber hinaus ist es wichtig, dass eine Mindestfallzahl pro Jahr zur Aufrechterhaltung der Expertise des Brustzentrums und jedes einzelnen Teammitglieds erreicht wird. Nur in diesen auf Behandlung von Brustkrebs hochspezialisierten Zentren ist es möglich, auch neuartige Therapieansätze in klinischen Studien anzubieten und eine konsequente und kontinuierliche Qualitätssicherung zu erreichen. Durch die Zertifizierungen und Rezertifizierungen wird kontrolliert ob die Zentren den hohen Ansprüchen gerecht werden, die an die Behandlung von Mamma-Karzinom Patientinnen heutzutage gestellt werden.

Deshalb ist es so bedeutsam, dass wir es in wenigen Jahren schaffen, ein flächendeckendes Netz an zertifizierten Brustzentren aufzubauen, damit wir jeder Frau die an diesem Tumor erkrankt, eine Behandlung mit den effektivsten Methoden anbieten können.

Zertifizierte Brustkrebszentren:

In den letzten sechs Monaten hat sich die Anzahl der von der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) und der Deutschen Gesellschaft für Senologie (DGfS) zertifiezierten Brustzentren von 17 auf 48 erhöht. Wichtig für Betroffene ist, das es unterschiedliche Zertifizierungen gibt. Allein in NRW gibt es eine Vielzahl von Brustzentren, die nach den landesspezifischen Richtlinien arbeiten. Die DKG und DGfS verlangen von jedem Brustzentrum unter anderem die Einhaltung und den Nachweis folgender Qualitätskriterien (um nur einige zu nennen):
  • mindestens 50 Operationen pro Jahr und Operateur
  • mindestens 150 operierte Brustkrebstumoren jährlich
  • mindestens 50 % bis 70 % aller Operationen werden brusterhaltend durchgeführt
  • Aufbau und Nachweis eines umfangreichen Qualitätsmanagementsystems auf der Grundlage internationaler technischer Standards (DIN ISO 9001) sowie nach klinischwissenschaftlichen Kriterien
  • die Zusammenarbeit und Kooperation mit einer Selbsthilfegruppe
  • Möglichkeit der Patientinnen an Studien teil zu nehmen, die zeitgleich an mehreren medizinischen Zentren durchgeführt werden
  • Laufende Prüfung und Qualitätsnachweis gegenüber den Zertifizierungsstellen
Die Qualifizierungsanforderungen sind für Interessierte über das Internet abrufbar. (http://www.senologie.org/brustzentren_zertifizierungen.html)

Die aktuelle Liste der zertifizierten Brustzentren mit den jeweiligen Adressen, Telefonnummern und Internetseiten finden Sie auf der Homepage der Deutschen Gesellschaft für Senologie - www.senologie.org.