Therapie & Forsch.   
 Fatigue - die Anämie ist nicht immer die Ursache

Fatigue ist die häufigste Begleiterscheinung von Krebserkrankungen und deren Therapie. Ca. 90 % aller Tumorpatienten erhalten Behandlungen wie Strahlentherapie, Chemotherapie, biologische Therapie oder Knochenmarktransplantation und erleiden das Fatigue-Syndrom und 30-75 % der Patienten leiden unter Fatigue auch noch Monate oder sogar Jahre nach der Beendigung der aktiven Therapie. Und das ist ein Grund, warum Tumorpatienten auch nach Abschluss einer auf Heilung ausgerichteten Therapie fortlaufend bezüglich eines möglichen Fatiguesyndroms betreut werden müssen. Auch wenn für die Entwicklung eines Fatigue-Syndroms ein großes Spektrum von behandlungsund krankheitsbezogenen Faktoren verantwortlich zu machen ist, ist die genaue Ursache unbekannt. Aber ein großes Spektrum an unterschiedlichen Rahmenbedingungen können das Auftreten begünstigen.

Fünf Haupt- oder Primärbedingungen, die eine signifikante Rolle bei der Entstehung spielen, müssen zunächst evaluiert werden, bevor eine angemessene Behandlung, die ebenso differenziert sein muss wie die Ursachen sind, begonnen werden kann.

Neben der Anämie sind dies vor allen Dingen Schmerzen, Schlafprobleme, emotionale Qualen und Ängste sowie vor allen Dingen auch eine Unterfunktion der Schilddrüse. Und dass nicht selten mehrere Ursachen unabhängig von einer Anämie zeitgleich vorliegen können, liegt in der Natur der Krankheit mit ihren Auswirkungen auf den Körper, ebenso wie auf die Psyche und natürlich auch den verschiedenen therapeutischen Maßnahmen.

Chronischer Schmerz führt zu einer reduzierten körperlichen Aktivität, verminderten Appetit, Depression und Schlafproblemen. Eine gute und kontinuierliche Schmerztherapie ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, um dem chronischen Fatigue-Syndrom entgegenzuwirken. Emotionale Ängste hat jeder, der an Krebs erkrankt ist. Das führt zu Traurigkeit über den Verlust von Gesundheit und das ist ganz normal. Manchmal aber sind diese Ängste derart groß, dass sie auch körperliche Symptome auslösen oder zumindest verstärken. Ein differenziertes Aufarbeiten von verschiedenen Problembereichen, die zur emotionalen Belastung führen, kann helfen, Abhilfe zu schaffen. Persönliche Probleme, familiäre Probleme, auch körperliche Probleme und darüber hinaus emotionale Probleme können bestehen, die Ängste und Depressionen fördern. Auch im Bereich religiöser Empfindungen können Ursachen für Missempfindungen und quälende Selbstzweifel sein, die auch Schlafprobleme auslösen können. Und gerade wenn man nachts häufig aufwacht oder Schwierigkeiten hat einzuschlafen, fehlt einem die Ruhe und Erholung, die Körper und Geist brauchen, um den Problemen entgegenzutreten, die die Krankheit und die Therapie mit sich bringen.

Recht häufig ist auch eine Unterfunktion der Schilddrüse Ursache für Fatigue. Aus diesem Grunde gehört es zur Basisdiagnostik, bei einem Patienten mit entsprechenden Symptomen die Schilddrüsenfunktion zu überprüfen. Niedrige Schilddrüsenhormonspiegel sind leicht zu behandeln. Neben der natürlichen Ursache kann auch eine Strahlentherapie im HNO-Bereich beispielsweise bei Karzinomen des HNO-Bereichs oder auch malignen Lymphomen eine Unterfunktion der Schilddrüse bewirken.

Neben diesen fünf wichtigsten Ursachen (das Anämieproblem wird in einem anderen Beitrag abgehandelt) gibt es natürlich noch weitergehende Ursachen. Viele Medikamente können Symptome wie bei einem Fatiguesyndrom auslösen. Zu nennen sind beispielsweise Schmerzmittel, Mittel gegen Depressionen und gegen Übelkeit. Und je mehr Medikamente man einnimmt, um so größer die Gefahr, dass es zum Fatigue-Symptom kommt, da viele Medikamente sich gegenseitig in ihrer Wirkung beeinflussen können. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass man mit dem Arzt über alle Medikamente, die man einnimmt, spricht und sich möglichst auf Medikamente zu beschränken versucht, die wirklich erforderlich sind, um die Krankheit und ihre Symptome zu behandeln.

Begleiterkrankungen stellen ein weiteres großes Problem dar, dass Fatigue-Symptome auslösen oder zumindest verstärken können. Organische Erkrankungen des Herzens, der Lunge, der Nieren, der Leber des zentralen und peripheren Nervensystems wie natürlich auch Infektionen sind zu nennen.

Auch Ernährungsprobleme können Fatigue auslösen oder verstärken. Der Körper braucht Eiweiß, Kohlehydrate, Fett, Vitamine, Mineralien und Flüssigkeit. Appetitlosigkeit steht dem erhöhten Energiebedarf entgegen. Auch natürlich Übelkeit und Erbrechen sowie Durchfälle oder andere Verdauungsstörungen.

Krankheit und deren Therapie führen zu einer Einschränkung der gewohnten körperlichen und mentalen Aktivität. Das verlangt mehr Anstrengungen und mehr Energie, um die üblichen täglichen Aktivitäten auch leisten zu können. Und das führt zu Fatigue. Körperliche und mentale Übungen können helfen, die Leistungsfähigkeit nicht nur zu erhalten, sondern auch zu stärken. Und dies bedarf aktiver Unterstützung durch physikalische Therapie, ebenso wie durch persönliches Bemühen. Eine Unterstützung durch Angehörige, Freunde und auch Selbsthilfegruppen begleitend zu einer heimatnahen Rehabilitation sind hilfreich, wenn nicht essentiell.

Das Fatigue-Syndrom ist eine komplexe Erscheinung in Begleitung chronischer Erkrankungen, insbesondere von Krebserkrankungen. Es lässt sich nicht reduzieren auf das Problem einer Anämie. Dennoch gilt es natürlich auch, diesem Aspekt die nötige Beachtung zu geben und effektive Behandlungen, soweit sie zur Verfügung stehen, einzusetzen. Dies verlangt aber eine ebenso komplexe, differenzierte Abklärung der Ursache einer Anämie bei Tumorpatienten. Hierzu mehr im nächsten Heft von krebsmagazin.de.