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 Neues aus St. Gallen

Vom 26. bis 29. Januar 2005 fand das
9. Internationale Konsensusmeeting zur primären Therapie des Mammakarzinoms (Brustkrebs) im Frühstadium statt.
Daran nahmen 3500 Wissenschaftler aus 81 Ländern teil. An drei Tagen wurden von international anerkannten Experten Ergebnisse von klinischen Studien vorgestellt, die dann, am 4. Tag zusammengefasst und in Therapieempfehlungen umgesetzt wurden.
Dabei befasste sich das Gremium mit Prognosefaktoren und deren Abschätzung, definierte unterschiedliche Risikogruppen und formulierte Therapieempfehlungen unter besonderer Berücksichtigung des Hormonrezeptorstatus.
Neu formuliert wurde die prognostische Bedeutung des unklaren, nicht eindeutig positiven und nicht eindeutig negativen Hormonrezeptorstatus (entsprechend einer immunhistochemischen Hormonrezeptorexpression von unter 10 %, entsprechend 10 Fentomol) , die prognostische Bedeutung der HER2neu-Überexpression, die prognostische Bedeutung von Lymph- und Blutgefäßinvasion (Eindringen des Tumors in Lymph- und Blutgefäße). Der positive axillare (der Achsel) Lymphknotenbefall wurde unterteilt in zwei Prognosegruppen: Ein bis drei befallene Lymphknoten und vier und mehr befallene Lymphknoten.

Die Risikoklassifikation wurde erweitert: Neben der Gruppe mit niedrigem und der mit hohem Risiko wurde eine Gruppe mit mittlerem Risiko neu eingeführt. Ein niedriges Risiko liegt dann vor, wenn keine axillare Lymphknotenmetastasierung vorhanden ist, die Frau älter als 35 Jahre ist, ein hormonrezeptor-positiver Tumor vorliegt und eine Tumorreife Grad 1. Weiter muss der Tumor 2 cm und kleiner sein, keine HER2-neu-Überexpression besitzen und keine Lymph- oder Blutgefäßinvasion aufweisen. Nur wenn alle diese Faktoren vorhanden sind, handelt es sich um eine niedrige Risikokonstellation.
Ein mittleres Risiko liegt unabhängig vom Rezeptorstatus vor, wenn es sich um Frauen ohne axillare Lymphknotenmetastasen handelt, der Tumor keine HER2-neu-Überexpression besitzt und keine Lymph- oder Blutgefäßinvasion aufweist. Im Gegensatz zu Frauen mit niedrigem Risiko können sie auch jünger als 35 Jahre sein, der Tumor kann eine G2 bis 3 Reifegraddifferenzierung besitzen und auch größer als 2 cm sein.
In diese Gruppe fallen auch Frauen mit ein bis drei axillaren Lymphknotenmetastasen. Ein hohes Risiko liegt unabhängig vom Hormonrezeptorstatus vor bei mehr als vier axillaren Lymphknotenmetastasen oder axillaren Lymphknotenmetastasen überhaupt, wenn eine Lymph- oder Blutgefäßinvasion vorliegt, oder wenn es sich um einen Tumor mit einer HER2-neu-Überexpression handelt.

Therapie

Für die Therapieentscheidung hat der Nachweis einer Hormonexpression überragende Bedeutung. Dies gilt sowohl für prämenopausale (mit Regelblutung) als auch für postmenopausale (nach der letzten Regelblutung) Frauen. Bei Frauen mit niedrigem Risiko empfahlen die Experten für prämenopausale Frauen eine Therapie mit Tamoxifen, für postmenopausale Frauen eine Therapie mit einem Aromatasehemmer oder Tamoxifen oder mit beiden in Sequenz.
Bei einer Tumorgröße von unter 1 cm kann auf eine adjuvante (ergänzende) Therapie in dieser Risikogruppe generell verzichtet werden. Bei Frauen mit mittlerem Risiko wurde vom größten Teil der Experten eine Chemotherapie befürwortet und bei hormonrezeptorpositivem Tumor im Anschluss daran eine hormonelle Therapie.

Diese kann für prämenopausale Frauen aus Tamoxifen bestehen, für Frauen unter 35 Jahren aus der Kombination Tamoxifen und ovanelle Suppression (Auschaltung der Eierstöcke) (Ovarektomie oder GnRH-Analoga mindestens über 2 Jahre) , für postmenopausale Frauen aus Tamoxifen oder einem Aromatasehemmer oder einer Kombination aus beiden in sequentieller Verabreichung.

Bei Frauen mit hohem Risiko wird generell eine Chemotherapie empfohlen, wobei bei hormonsensiblen Tumoren wiederum bei prämenopausalen Frauen eine hormonelle Therapie mit Tamoxifen oder ovanelle Suppression und Tamoxifen zu empfehlen wäre und bei postmenopausalen Frauen ein Aromatasehemmer oder Tamoxifen oder beide Substanzen in sequentieller Verabreichung. Die hormonellen Therapien entfallen bei nicht hormonsensiblen Tumoren. Eine Chemotherapie ist dem größten Teil der Frauen, insbesondere bei hormonrezeptornegativen Tumoren, axillaren Lymphknotenmetastasen oder nicht niedriger Risikokonstellationen bei Tumoren über 1 cm zu empfehlen, also für die Mehrzahl der Patientinnen. Standardchemotherapie ist eine anthrazyklinhaltige Kombination, wobei die Gesamtdosis Erirubicin nicht unter einer Äquivalenzdosis von 30 mg/m2 pro Woche liegen soll, und die Gesamtdosis Doxorubicin nicht unter einer Äquivalenzdosis von 20 mg pro Woche. Standard kombinationen sind FEC oder FAC, insgesamt 6 Zyklen, also eine Chemotherapie über ein halbes Jahr.

Taxane sollen dann in die adjuvante Therapie mit einbezogen werden, wenn mehr als vier axillare Lymphknoten befallen sind oder generell bei axillaren Lymphknotenmetastasen bei hormonrezeptornegativen Tumoren. Noch einmal wurde betont, dass eine Chemotherapie vor einer Strahlentherapie und vor einer hormonellen Therapie erfolgen soll. Um den Effekt der adjuvanten Chemotherapie nicht zu gefährden, ist eine Unterdosierung zu vermeiden und im Bedarfsfall Wachstumsfaktoren einzusetzen.

Bei der hormonellen Therapie wurden die Antiaromatasewirkstoffe neu in die Empfehlungen aufgenommen, wobei 78 % der Experten dem Einsatz von Antiaromatasehemmern grundsätzlich zustimmten, lediglich 38% eine solche Therapie von vornherein einleiten würden, 72% eine Sequenz von Tamoxifen, und - nach 2 bis 3 Jahren - einen Antiaromatasewirkstoff befürworteten und immerhin noch 46% einen Antiaromatasewirkstoff nach einer fünfjährigen Tamoxifenbehandlung einsetzen würden. Von 93% wurde eine Sequenzbehandlung befürwortet, wenn eine axillare Lymphknotenmetastasierung vorlag.
58% befürworteten eine initiale Tamoxifentherapie, wobei 65% dabei bleiben würden, wenn der Tumor östrogen- als auch progesteronrezeptorpositiv ist, jedoch nur 14%, wenn der Tumor östrogenrezeptorpositiv aber progesteron-rezeptornegativ ist und lediglich 10 % wenn eine HER2-neu-Überexpression vorliegt.