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 Neues vom amerikanischen Krebskongress ASCO

Über 25. 000 Teilnehmer aus der ganzen Welt trafen sich auch in diesem Jahr wieder zum jährlichen Symposium der amerikanischen Onkologiegesellschaft (ASCO), um über die aktuellsten Fortschritte in der Krebstherapie zu diskutieren. Besonders hervorgehoben wurden die neuesten Ergebnisse von Angiogenesehemmstoffen sowie zielgerichtete Therapien und Fortschritte bei der adjuvanten (ergänzenden) Therapie von Brustkrebs.

Neues Medikament hilft Patienten mit Lungenkrebs, länger zu leben.

Die Resultate einer Studie, die während des diesjährigen Treffens der amerikanischen Onkologiegesellschaft (ASCO) vorgestellt wurde, zeigen, dass ein Hinzufügen von Bevacizumab zur bisher üblichen Chemotherapie Patienten mit Nichtkleinzelligem Lungenkrebs zu einem längeren Überleben hilft. Bevacizumab verhindert die Angiogenese, das heißt den Prozess, neue Blutgefäße zu bilden, die dem Tumor helfen, zu wachsen und sich auszubreiten.
Bisher ist Bevacizumab für die Therapie bei Tumoren des Dick- und Enddarms zugelassen. In dieser Phase II/III Studie verglichen die Forscher nun den Krankheitsfortschritt und die Überlebensdaten von 434 nicht vorbehandelten Patienten mit nichtkleinzelligem Bronchialkarzinom (Lungenkrebs) der Stadien IIIb und IV, die Bevacizumab plus die Standardtherapie aus Paclitaxel und Carboplatin bekommen hatten, mit 444 Patienten, die nur die gleiche Chemotherapie erhalten hatte.
Die Patienten, die zusätzlich Bevacizumab erhalten hatten, lebten länger als die anderen (12, 5 Monate gegenüber 10, 2 Monate). Außerdem schritt die Krebserkrankungen durchschnittlich erst nach 6, 4 Monaten weiter fort (gegenüber 4, 5 Monate in der Vergleichsgruppe), und der Tumor schrumpfte bei 27% in der Bevacizumabgruppe und nur bei 10% in der Kontrollgruppe.
"Diese Ergebnisse zeigen, dass Arzneimittel wie Bevacizumab, die die Gefäßneubildung hemmen, auch bei Patienten mit Bronchialkrebs einen Platz in der Therapiestrategie haben sollten" sagt der leitende Forscher der Studie. Als häufigste Nebenwirkungen traten Neutropenien, d. h. der Abfall von neutrophilen Granulozyten, einer Untergruppe der weißen Blutkörperchen (24% in der Bevacizumab Gruppe vs. 16% in der Standardgruppe), Thrombenbildung (3, 8% vs. 3%) und Blutungen auf. Selten (bei 1, 2%) kam es in der Bevacizumab-Gruppe zu lebensbedrohlichen Blutungen in der Lunge.

Vorreiter bei den Zielgerichteten Therapien

Nach jahrzehntelanger chemotherapeutischer "Schrotschusstherapie" in der Krebsmedizin zeichnet sich durch die Fortschritte in der Genom- und Proteomtechnologie ein Wechsel hin zu einer individualisierten Krebstherapie ab. Der Tyrosinkinaseinhibitor Imatinib gehört zu den ersten Substanzen, die nicht wie die althergebrachten Chemotherapeutika alle sich teilenden Zellen angreift, sondern gezielt nur die bösartigen, die meist durch genetische Veränderungen entstanden sind.

Charles Sawyers bei der Verleihung des Karnofsky-Preises Verleihung des Karnofsky-Preises an
Charles Sawyers, Mitentwickler von Imatinib
Durch die Verleihung des Karnofsky-Preises an Charles Sawyers, den Mitentwickler von Imatinib, hob die ASCO den Stellenwert der molekularen zielgerichteten Onkologie für die Zukunft der Krebstherapie besonders hervor und würdigte die Erfolge von Imatinib seit seiner Entwicklung. Die genetischen Ursachen der Chronisch Myeloischen Leukämie sind auf eine Veränderung eines bestimmten Gens (bcr-abl) , die von GIST (Gastrointestinale Stromatumoren, d. h. bösartige Tumoren des Verdauungstraktes) auf die Veränderungen eines anderen (c-KIT) zurückzuführen, was jeweils zu unkontrolliertem Tumorwachstum führt. Imatinib hemmt die entsprechenden Rezeptorproteine (bcr-abl- bzw. c-KIT-Tyrosinkinase) spezifisch, was bei beiden Erkrankungen zu sehr guten Ansprechraten bei gleichzeitig guter Verträglichkeit führt.

In diesem Jahr konnten nun neue Daten von Imatinib bei Gastrointestinalen Stroma Tumoren (GIST) und Glioblastom vorgestellt werden.

Imatinib bei Gastrointestinalen Stroma Tumoren (GIST)

Bei ca. 95% aller GIST-Patienten kann die Expression (Ausschüttung) von c-Kit nachgewiesen werden, bei ca. 5% ist der Nachweis von c-Kit jedoch nicht möglich. In einer Studie konnte nun gezeigt werden, dass sich cKit positive und negative GIST unter Imatinib-Therapie bezüglich des progressionsfreien Überlebens, d. h. in der Zeit, in der der Tumor nicht weiterwächst, nicht unterscheiden. Das bedeutet für die klinische Praxis, dass auch c-Kit negative GIST erfolgreich mit Imatinib behandelt werden können.

Wie auch bei anderen soliden Tumoren interessiert außerdem immer wieder die Frage, ob der Gesamterfolg einer Therapie gesteigert werden kann, wenn die Patienten vor und/oder nach der Operation eine Chemotherapie bekommen. In Bezug auf GIST und die Therapie mit Imatinib beschäftigten sich damit zwei Analysen. Die Autoren untersuchten die Daten von 150 bzw. 140 GIST-Patienten. In der einen Studie kam es nach Operation und Chemotherapie mit Imatinib nur bei 12% der Patienten zu einem Fortschreiten der Erkrankung, bei denen ohne weitere Imatinib-Therapie bei 66%. In der zweiten Studie kam es bei keinem der adjuvant (ergänzend) weiterbehandelten Patienten zu einem Rückfall, allerdings bei 80% der nicht mit Imatinib weiterbehandelten. Letztlich zeigen beide Untersuchungen, dass eine Imatinib-Therapie auch nach der Operation sinnvoll ist. Zusätzlich zu den Tyrosinkinasen bcr-Abl- und c-Kit hemmt Imatinib einen weiteren Rezeptor (PDGF) , der u. a. beim Glioblastom exprimiert wird.

Imatinib beim Glioblastom

Das Glioblastom gehört zu den aggressivsten malignen Krebserkrankungen mit einer mittleren Überlebenszeit von ungefähr einem Jahr. Die Behandlung von neu diagnostizierten Glioblastom, die aus Chirurgie und Chemo-/ Radiotherapie besteht, führt bei 11% der Patienten zu einem krankheitsfreien Überleben von zwei Jahren und bei 26% zu einem Gesamtüberleben von 2 Jahren. Die Effektivität einer Monotherapie beim Glioblastom ist sehr begrenzt. Insbesondere beim behandlungsresistenten Glioblastom lag bisher eine sehr ungünstige Prognose vor. Zwischen Juni 2001 und September 2003 wurden 30 Patienten, deren Erkrankung trotz Bestrahlung und einer Chemotherapie aus ACNU und Temozolomid fortschreitend war, mit Imatinib (400 mgTag) und Hydruxyurea (1000 mg/Tag) behandelt. Es zeigte sich auch nach Progression der o. g. Erstlinientherapie noch eine Ansprechrate von 20% (komplette + partielle Remision) und unter Hinzuziehen der Stabilisierung der Erkrankung (SD) sogar ein klinischer Vorteil bei 57%. Die Therapie wurde gut vertragen, Toxizitäten der Grade III und IV traten in keinem Fall auf.