Schwerpunkt: Leukämien und Lymphome   
 Neue Therapiemöglichkeiten beim Multiplen Myelom

In Deutschland leiden etwa 12. 000 Patienten, vorwiegend ältere Menschen, an einem multiplen Myelom. Jedes Jahr kommen ungefähr 3. 500 neue Patienten hinzu. Die Krankheit ist damit die zweithäufigste Blutkrebserkrankung überhaupt und zählt zu den 20 häufigsten bösartigen Erkrankungen.

Das multiple Myelom ist eine bösartige Krankheit, bei der bestimmte Blutzellen, die so genannten Plasmazellen im Knochenmark entarten. Dabei kommt es zu einer unkontrollierten Vermehrung einzelner Plasmazellen. Plasmazellen haben die Aufgabe, so genannte Antikörper zur Abwehr von körperfremden Eindringlingen, wie Viren, Bakterien und Pilze zu bilden. Die entarteten Plasmazellen, die man beim multiplen Myelom findet, produzieren nur noch einen einzigen Antikörper bzw. Bruchstücke davon, so dass die körpereigene Antikörperbildung grundlegend gestört ist und es zu weit reichenden Beschwerden beim Patienten kommt. Hierzu zählt die Zerstörung des Knochens, Blutarmut, erhöhte Infektanfälligkeit, Müdigkeit, Blässe und Leistungsminderung sowie Blutungen und krankheitsbedingte Nierenschäden. Bisher betrug die mittlere Überlebenszeit eines am multiplem Myelom erkrankten Patienten 5 Jahre. Die bisherigen Standardtherapien können das Leben der Patienten verlängern, jedoch verlieren sie im Lauf der Zeit ihre Wirkung. Das multiple Myelom ist damit eine lebensbedrohliche Form des Blutkrebses, für die es bis heute außer der Hochdosischemotherapie und mit allogener Knochenmarktransplantation keine Heilung gibt. Für die die zumeist älteren Patienten ist die Hochdosischemotherapie zu eingreifend. Um das Leben der meisten Patienten so lange wie möglich zu erhalten bemühen sich die Ärzte das Wachstum des Plasmozytoms zu bremsen und so das Fortschreiten der Erkrankung hinauszuzögern. Abhängig vom Gesamtzustand, vom Alter und Allgemeinzustand des Patienten werden verschiedene Behandlungsstrategien verfolgt:

Die Behandlung mit zytotoxischen Substanzen (die das Zellwachstum behindern) erfolgt meist im Rahmen einer normal dosierten Chemotherapie oder auch als Hochdosischemotherapie mit Stammzelltransplantation. In den meisten Fällen werden nach der Hochdosischemotherapie die eigenen Stammzellen zurück transplantiert (autologe Knochenmarktransplantation).

In seltenen Fällen steht nach der Hochdosischemotherapie die Möglichkeit von einem passenden Knochenmarkspender Stammzellen zu transplantieren (allogene Transplantation). Häufig erhalten Patienten mit multiplen Myelom auch eine Strahlentherapie besonders der betroffenen Knochenherde. Mit Hilfe dieser Therapien werden regelmäßig Krankheitssymptome gemildert, das Überleben verlängert und die Lebensqualität deutlich verbessert. Seit Mai 2004 ist in Deutschland ein neues Medikament gegen das Plasmozytom (Multiples Myelom) mit dem Wirkstoff Bortezomib hinzugekommen. Es wirkt über die Proteasomhemmung in der Plasmozytomzelle. Das Proteasom ist ein Komplex aus Eiweißen und kommt in allen Körperzellen vor. Das Proteasom ist zuständig für die Entsorgung nicht mehr benötigter Signalstoffe und spielt eine zentrale Rolle beim Zellstoffwechsel. Krebszellen weisen eine besonders hohe Proteasomaktivität auf. Ziel der Therapie ist es deshalb das Proteasom zeitweise zu hemmen und damit die Vermehrung der Krebszellen zu behindern. Die Entdeckung der Vorgänge um den gezielten Abbau von Eiweißen in der Zelle – ein unverzichtbarer Vorgang des Körpers – wurde 2004 mit dem Chemie-Nobelpreis ausgezeichnet.

Proteinabbau in der Zelle: Ubiquitin ist ein Eiweißmolekül, das in allen kernhaltigen Zellen vorkommt (ubique = lateinisch für überall). Es markiert die nicht mehr benötigten Proteine innerhalb der Zelle, womit diese zum Abbau durch das Proteasom freigegeben werden.Abb. (Ortho-Biotech, Division of Janssen-Cilag)

Wie die Nobelpreisträger Aaron Ciechanover, Technion in Haifa, sein Kollege Avram Hershko und Irwin Rose, University of California in Irvine, in langjähriger Forschungsarbeit herausfanden, ist die Markierungssubstanz Ubiquitin hierbei von besonderer Bedeutung. Ubiquitin ist ein Eiweißmolekül, das in allen kernhaltigen Zellen vorkommt (ubique = lateinisch für überall). Es markiert die nicht mehr benötigten Proteine innerhalb der Zelle, womit diese zum Abbau freigegeben werden – auf diese Weise also eine Art "Todeskuss" erhalten. Anschließend erfolgt dann der eigentliche Abbau durch das Proteasom. Erster Vertreter des neuen Wirkprinzips der Proteasom-Hemmung ist Bortezomib – ein Wirkstoff zur Behandlung des multiplen Myeloms. Die Substanz setzt sich wie ein Keil auf die Proteasomen in den Krebszellen des Knochenmarks und verhindert so, dass die überflüssigen Signalstoffe in die Zellmühle gelangen. Sie können demzufolge nicht mehr abgebaut werden und sammeln sich statt dessen in der Zelle an. Bortezomib blockiert auf diese Weise das Wachstum der Krebszellen und löst den Untergang der Zelle, den Zelltod aus. Bildlich ausgedrückt: Die Krebszelle erstickt an ihrem "eigenen Müll". Da gesunde Zellen eine deutlich geringere Proteasom-Aktivität aufweisen, reagieren sie weniger empfindlich auf deren Hemmung. Sie können sich deshalb in den Behandlungspausen gut erholen.

Bisher beschränkte sich die Therapie mit Bortezomib auf Patienten, die bereits mit zwei verschiedenen Therapien vorbehandelt worden sind und bei denen sich während oder nach der letzten Therapie die Krankheit dennoch verschlimmert hat. Mit der erweiterten Zulassung im April 2005 kann das Medikament jetzt bereits als Monotherapie bei Patienten nach dem ersten Rückfall eingesetzt werden. Die Patienten sollten hierzu bereits eine Knochenmarktransplantation erhalten haben oder sich für diese nicht eignen. Im Vergleich zu anderen Krebsmedikamenten führt die neue Substanz zu weniger unerwünschten Wirkungen wie z. B. Haarausfall oder eine Schädigung der Schleimhäute (Mucositis). Trotzdem ist eine Überwachung dieser Krebstherapie durch Ärzte für Hämatologie und Onkologie nötig. Inwieweit Bortezomib in Zukunft das Behandlungsspektrum bei anderen Krebserkrankungen entscheidend erweitern könnte, wird in ersten Studien untersucht.

Das multiple Myelom - eine häufig erst spät diagnostizierte Krankheit


Eine aktuelle Patienten-Befragung, die im Auftrag der Deutschen Leukämie- und Lymphom-Hilfe e. v. (DLH) und der Arbeitsgemeinschaft Plasmozytom/Multiples Myelom (APMM) mit Unterstützung von Ortho Biotech, Division of Janssen-Cilag GmbH, durchgeführt wurde, verdeutlicht, dass weiterhin dringender Handlungsbedarf hinsichtlich Information und Aufklärung über die Krankheit und ihre Diagnose besteht.

Trotz großer Fortschritte in der Behandlung des multiplen Myeloms gaben immerhin 13 Prozent der Befragten an, die richtige Diagnose erst ein bis zehn Jahre nach dem Auftreten erster Beschwerden erhalten zu haben.


Weitere Informationen zur Studie und zum Thema "multiples Myelom" erhalten Sie auch unter:

Deutsche Leukämie- und Lymphom-Hilfe e. V.

Thomas-Mann-Str. 40
53111 Bonn

www.leukaemie-hilfe.de

und

www.myeloma-euronet.org