| Archiv |     Ausgabe 02/2002

Therapie & Forsch.   
 Prof. Dr. med. Walter Jonat und PD Dr. med. Norbert Arnold
Genanalyse beim familiären Brust- und Eierstockkrebs

Prof. Dr. med. Walter Jonat
Prof. Dr. med. Walter Jonat
Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
Universitätsklinikum Kiel

Heutzutage ist unbestritten, dass Störungen und Fehlregulierungen im Erbgut als eine von vielen Ursachen der Krebsentstehung angesehen werden müssen und dass Krebs gelegentlich als eine Erkrankung zu betrachten ist, deren Anlage erblich sein kann. Bevölkerungsstatistische Daten weisen darauf hin, dass etwa 10% aller Krebserkrankungen auf eine erbliche Anlage zurückzuführen sind. Je nach Tumorart kann dieser Anteil sogar noch höher liegen.


Bei gehäuftem Auftreten von Brust- und Eierstockkrebs innerhalb einer Familie sind bisher zwei Erbanlageträger bekannt (BRCA1 und BRCA2), bei denen klar nachgewiesen ist, dass eine Erbgutveränderung der Zellen eine Tumorentstehung begünstigt. Allerdings reicht eine Veränderung allein zur Tumorentstehung nicht. Insbesondere beim Dickdarmkrebs konnte die Bedeutung der Abfolge genetischer Veränderungen für Entstehung und Fortschreiten des Karzinoms dargestellt werden. Deshalb führen, wie bei anderen Krebserkrankungen, auch im Falle einer vererbten Anlage für eine Krebserkrankung erst weitere Veränderungen zur Erkrankung.
Kennzeichnend für Tumoren, die auf einer ererbten Veranlagung beruhen, sind ein gegenüber spontan auftretenden Tumoren früheres Erkrankungsalter und oftmals zeitgleiches Auftreten mehrerer Tumorherde. Ein erster und wesentlicher Schritt in der Erkennung, ob es sich um ein familiäres Geschehen aufgrund einer genetischen Veranlagung handelt, ist eine detaillierte Erhebung des Stammbaums mit den Erkrankungsdaten über mindestens drei Generationen hinweg.
Beim familiären Brust- und/oder Eierstockkrebs können auch männliche Familienmitglieder Überträger der Veranlagung sein, ohne selbst zu erkranken. Eine genauere Analyse von gehäuft aufgetretenen Krebserkrankungen in der Familie hilft, Menschen mit erhöhtem Krebsrisiko zu erkennen, die in Untersuchungsprogramme zu Früherkennung eingebracht werden sollten. Mit Unterstützung der Deutschen Krebshilfe wird an 12 Universitätskliniken diesen möglichen Risikoträgern Beratung und Hilfe angeboten.

Nachfolgend eine Zusammenfassung der einzelnen Schwerpunkte
der drei vorgesehenen Beratungsgespräche:

  • Erstes Gespräch
    Klärung der Risikosituation

  • Zweites Gespräch
    Humangenetische Beratung:
    Erstellung des Stammbaums
    Aufklärung über genetischen Hintergrund
    Möglichkeiten und Konsequenzen der Untersuchung
    Gynäkologische Beratung:
    Früherkennungsmaßnahmen
    Vorbeugende Behandlungsmöglichkeiten
    Psychoonkologische Beratung:
    Hilfestellung zur Entscheidungsfindung
    Betreuung während und nach molekulargenetischer Testung

  • Drittes Gespräch
    Befundmitteilung

Das Wissen um eine mögliche Gefährdung ist zweifelsohne eine seelische Belastung und daher besteht zu jeder Zeit für die Ratsuchenden die Möglichkeit, das Verfahren abzubrechen und das Recht auf Nichtwissen in Anspruch zu nehmen.
Diesem Schema folgt auch die Turmorrisikosprechstunde der Universitäts-Frauenklinik Kiel bei ihren vorhersagenden Beratungen zum familiären Brust- und Eierstockkrebs.
Wegen der zahlreichen vielschichtigen mit einer Diagnostik verbundenen Probleme ist eine fachübergreifende Vorgehensweise angezeigt und wurde in den Richtlinien der Bundesärztekammer zur Diagnostik der genetischen Veranlagung für Krebserkrankungen so festgelegt.
Ablauf einer Beratung

Entnommen aus:
Informationsbroschüre der Deutschen Krebshilfe zum familiären Brust- und Eierstockkrebs