| Archiv |     Ausgabe 02/2002

Therapie & Forsch.   
 Prof. Dr. med. Rudolf Schröck
Aktuelle Kontroversen in der Brustkrebsdiagnostik

Einsatz und Qualität verschiedener bildgebender Verfahren sowie die Wahl des richtigen Zeitpunkts und der Häufigkeit von Brustuntersuchungen sind seit Jahren in kontroverser fachlicher und gesundheitspolitischer Diskussion. Die strittigen Bereiche beziehen sich hierbei besonders auf Berechnungen von Aufwand und quantitativem Nutzen einer Verringerung der Sterblichkeit am Brustkrebs. Die endlos erscheinenden Diskussionen erweisen sich zunehmend als hinderlich für den notwendigen medizinischen Fortschritt in der Bundesrepublik Deutschland, wohingegen in einigen anderen Ländern Skandinaviens, Holland oder den USA durch Früherkennungsinitiativen die Brustkrebssterblichkeit laut Studien gesenkt werden konnte.
Wie so häufig werden unter Kostenbetrachtungen und Interessenskonflikten Begriffe und Maßnahmen ungenau dargestellt und damit die Beurteilung durch die Betroffenen sehr erschwert. Dieser Beitrag soll durch Klarstellung den Frauen hilfreich sein, die sich in Vorsorge und Nachsorge für geeignete diagnostische Maßnahmen entscheiden müssen. Die beschriebene apparative Diagnostik darf dabei nur Teil einer umfassenden Diagnosekette sein, die von der Risikoberatung bis zur Nachsorge reicht.
Brustkrebsfrüherkennung:
Hier ist prinzipiell zwischen folgenden Vorgehensweisen zu differenzieren:

1. Vorsorge
Regelmäßige Tastuntersuchungen der Brustdrüsen wie sie vom 20. Lebensjahr an jede Frau einmal im Monat nach Beendigung der Periode selbst durchführen sollte und mindestens einmal im Jahr durch einen erfahrenden Arzt kontrolliert werden sollte. Bei Auffälligkeiten ist eine Ultraschalluntersuchung und, falls Verhärtungen keine Zysten darstellen, auch eine Mammographie erforderlich. Diese in Deutschland kassenärztlich vereinbarte Vorgehensweise hat allerdings in Studien nicht den eindeutigen Beweis erbracht, dass allein dadurch die Brustkrebssterblichkeit der Bevölkerung gesenkt werden kann; wenngleich eine frühzeitigere Krebserkennung und damit Therapie zweifellos vorteilhaft erscheint.

2. Mammographie


Die Mammographie stellt eine wichtige diagnostische Methode in der Brustkrebsbekämpfung dar
Foto: Amgen GmbH

Brustabtastung
Die regelmäßige Brustabtastung ist ein wirksames Mittel zur Früherkennung von Brustkrebs.
Foto: Amgen GmbH


Hier ist zwischen der o.g. weiter notwendigen röntgenologischen Abklärung auffälliger Befunde einer Vorsorgeuntersuchung und einer sog. "grauen Abklärung" bei unauffälligen Brustdrüsen zu unterscheiden: Letzteres wird derzeit bei über zwei Millionen Frauen im Jahr in der BRD durchgeführt und es wird kritisiert, dass diese Mammographien nicht einem umfassenden qualitätsgesichertem Programm mit statistischer Auswertung unterliegen und ursächlich für angeblich ca. 100000 "unnötige" operative Abklärungen sind. Allerdings fungiert diese individuelle Vorgehensweise bislang als Ersatz von Abklärungsprogrammen (s.u.).

Interessant ist die zukünftige Entwicklung der Mammographie: Ähnlich wie in der Photographie, führt der Weg zu digitalen Aufnahmetechniken. Neben dem Vorteil des Wegfalls von Filmen und Filmentwicklung ist für die zu untersuchenden Frauen die mögliche Röntgendosis-Einsparung von ca. 20% von Bedeutung.
Zwar ist die Auflösung der Darstellung am Monitor derzeit noch nicht ganz so genau und empfindlich wie beim Röntgenfilm, für die genannte Fragestellung jedoch ausreichend. Besonders vorteilhaft scheint dafür die bessere Beurteilbarkeit von dichtem Brustdrüsengewebe und Haut, die Übertragungsmöglichkeit auf elektronischem Weg zu weiteren Experten sowie die einfachere Schulungsmöglichkeit und Kontrollmöglichkeit für die untersuchenden Ärzte.
Dagegen steht derzeit noch der extrem hohe finanzielle Aufwand für die technische Einrichtung.


3. Brustkrebs-Abklärungsuntersuchungen:
In verschiedenen industrialisierten Ländern der Welt konnte in Studien nachgewiesen werden, dass bei Frauen zwischen dem 50. und 69. Lebensjahr durch regelmäßige und bei völlig fehlender Auffälligkeit der Brustdrüsen, durchgeführte Mammographie-Untersuchungen eine deutliche Verschiebung der Brustkrebserkrankungen in frühere Stadien und damit eine deutliche Senkung der Brustkrebssterblichkeit erreicht werden konnte. Für dieses im öffentlichen Gesundheitssystem zu etablierende Verfahren sind z.B. in Holland derzeit 63 Spezialeinrichtungen aufgebaut worden und die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass es bis 2004 wohl erreichbar ist, die Brustkrebssterblichkeit in der genannten Altersgruppe zu verringern, also in einer Größenordnung wie sie durch die gesamten weiteren therapeutischen Maßnahmen der modernen Medizin alleine nicht erreicht werden konnte. Allerdings ist hier festzuhalten, dass ca. 20 % der Brustkrebsfälle auch bei diesem Screening noch übersehen werden können und auch mit dieser Methode keine vollständige Früherkennbarkeit verbunden ist. In Erprobung sind deshalb Verfahren, bei denen alle gefertigten Mammographien durch zwei getrennt beurteilende radiologische ausgebildete Ärzte oder neuerdings auch unter Zuhilfenahme von computerassistierten Diagnoseverfahren Verbesserungen erreicht werden sollen. Ein wichtiges Kriterium ist dabei die frühzeitige Erkennung und richtige Beurteilung sog. Mikrokalkveränderungen.

4. Ultraschalldiagnostik:


Typisches Schallbild einer Brustkrebsgeschwulst mit Aufhebung der Drüsenarchitektur, Einwachsung bis knapp unter die Haut mit Hauteinziehung (oberer Bildrand) unregelmäßiger Randstruktur und absoluter Schallverlust in tieferen Regionen (Struktur im unteren Bildrand schwarz durch fehlende Schalldurchdringung).
Foto: Paracelsus Klinik Scheidegg Allgäu

Mit der immer verfeinerter gewordenen Ultraschalltechnik gelingt es heute nicht nur, Zysten von soliden Tumoren zu unterscheiden, sondern alle auffälligen Raumforderungen und Architekturstörungen der Brustdrüse besser beurteilen zu können. Hierzu helfen insbesondere die Erweiterung der üblicherweise mit 7,5 MHz durchgeführten Untersuchungen auf sog. Hochfrequenzdiagnostik (bis 14 MHz), die Zuhilfenahme von Durchblutungsmessungen und Aufsuchung von sog. Tumorgefäßen sowie bei Unklarheiten die ambulant jederzeit durchführbare ultraschallgesteuerte Punktionsdiagnostik. Gerade bei jüngeren Frauen mit sehr dichtem Brustdrüsengewebe, bei der die Mammographie eine Beurteilbarkeit nur eingeschränkt zulässt, erweisen sich Ultraschallverfahren als hilfreich. Nicht möglich ist jedoch mit diesen Methoden der Nachweis der für die Frühdiagnostik häufig so wichtigen Mikrokalkveränderungen.

5. MRT-Diagnostik:
Die Magnetresonanztomographie unter gleichzeitiger Verwendung eines speziellen Kontrastmittels gilt derzeit als das beste Verfahren, gutartige von verdächtigen Veränderungen zu unterscheiden. Insbesondere bei Verdacht auf das Vorliegen mehrerer Krebsherde oder von Vorstufen eines Brustkrebses (nämlich den sog. in situ carcinomen, DCIS und CLIS) wird das Verfahren zunehmend vor operativen Eingriffen eingesetzt. Allgemein wird empfohlen, eine laufende Hormonersatztherapie vier Wochen vor der beabsichtigen Untersuchung abzusetzen, bzw. bei jüngeren Frauen mit Zyklus die Untersuchung in der zweiten Woche des Zyklus durchzuführen. Vielfach wird der Einsatz der Methode auch dann diskutiert, wenn mit Ultraschall und Mammographie keine Klarheit über eine vorliegende Auffälligkeit in den Brustdrüsen erreichbar ist. Allerdings übernehmen derzeit die gesetzlichen Krankenkassen eine MRT-Untersuchung der Brustdrüsen nur bei Vorliegen von zwei Fragestellungen: Entweder eine unklare Befundsituation nach brusterhaltender Operation und Nachbestrahlung eines Brustkrebses oder bei Vorliegen von Lymphknotenmetastasen ohne mit anderen Methoden nachweisbarem Brustkrebs.


Nachsorge
Von den entsprechenden Fachgesellschaften werden als regelmäßige Untersuchungsintervalle nach brusterhaltender Behandlung von Brustkrebs in den ersten beiden Jahren auf der betroffenen Seite halbjährliche Mammographien, auf der gesunden Seite jährliche Abstände empfohlen, danach beidseits jährlich. Leitlinienkonform ist auch die vierteljährliche Anamneseerhebung und klinische Untersuchung durch den nachsorgenden Arzt, bei dem in den Zwischenintervallen der Mammographie auch eine Ultraschalluntersuchung bei auffälligem Tastbefund durchgeführt werden kann.

Ausblick:
Unzweifelhaft ist, dass durch eine qualitativ hochwertige, in ein- oder zweijährigem Abstand regelmäßig durchgeführte Mammographie das Vorliegen eines anderweitig nicht erkennbaren bösartigen Brusttumors so frühzeitig entdeckt werden kann, dass die Heilungsaussichten wesentlich besser sind. Statistisch bewiesen ist dies für Frauen nach den Wechseljahren, also nach dem ca. 50. Lebensjahr. Umstritten ist nach wie vor der regelmäßige Einsatz von diagnostischen Maßnahmen bei jüngeren Frauen ohne Auffälligkeit: Hier wachsen häufig Brustkrebsgeschwülste so rasch, dass sie zwischen die regelmäßigen Untersuchungsinter-valle hineinfallen.
Es ist zu erwarten, dass durch die Kombination der dargestellten Verfahren in einer Diagnostikkette, einen höheren Aufklärungsstand der weiblichen Bevölkerung, die Fortentwicklung der technischen Möglichkeiten sowie die immer differenzierteren operativen Abklärungsverfahren mit großzügigem Einsatz der ambulant möglichen minimal eingreifenden Methoden auch in den nächsten Jahren für die Bundesrepublik Deutschland der Nachweis einer Minderung der Brustkrebssterblichkeit gelingen kann. Notwendig ist hierzu allerdings auch eine höhere Akzeptanz der Frauen gegenüber konsequenten Diagnoseketten in der Vorsorge und der nachgewiesen ungefährlichen Punktionsdiagnostik aller unklaren Befunde.
Mit der Entwicklung der sog. S-3 Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlich medizinischer Fachgesellschaften (AWMF) und der Ärztlichen Zentrale für Qualitätssicherung (ÄZQ) liegt seit 01.03.2002 ein umfangreich abgestimmtes umfassendes Qualitätssicherungskonzept vor.



Weiterführende Informationen im Internet
Leitlinienreport:
www.senologie.org
www.brustkrebskoalition.de
www.krebsinformation.de
www.dkfz-heidelberg.de
www.ago-mamma.de