| Archiv |     Ausgabe 02/2002

Therapie & Forsch.   
 Prof. Dr. med. Wolfgang Wagner
Kombinierte Behandlungen beim fortgeschrittenen Lungenkrebs

Auch heute gehört der Lungenkrebs zu den häufigsten bösartigen Tumorerkrankungen.
Bei den meisten Patienten wird der Tumor erst in einem fortgeschrittenen Stadium entdeckt, wenn bereits Lymphknotenmetastasen, also Tochtergeschwülste im Mittelfell aufgetreten sind. Bei Lymphknotenmetastasen im Mittelfell auf der Seite der befallenen Lunge spricht man vom Stadium IIIA; auf der Gegenseite vom Stadium IIIB.
In diesen Stadien können viele Patienten nicht mehr radikal operiert werden und wurden deshalb in der Vergangenheit einer Strahlentherapie zugeführt, die ca. 6- 7 Wochen dauerte. Die Ergebnisse der alleinigen Strahlentherapie waren schlecht; nach 5 Jahren lebten ungefähr noch 5% der so behandelten Patienten, das bedeutet, dass 95% am Tumor starben. Diese Ergebnisse liegen nicht in der Ineffektivität der Strahlentherapie begründet, sondern an der erheblichen Bösartigkeit dieses Tumors, der bei 80% aller Patienten im Verlaufe der Erkrankung Metastasen in anderen Körperregionen bilden kann, die durch eine örtliche Behandlung, wie sie die Strahlentherapie darstellt, nicht in den Griff zu bekommen sind. Aufgrund dieser äußerst schlechten Therapieergebnisse fand in den letzten Jahren ein Umdenken statt; viele Arbeitsgruppen versuchten, die Ergebnisse bei fortgeschrittenen Tumoren durch eine Änderung des Therapiegesamtkonzeptes zu verbessern.

Heute wird bei fortgeschrittenen Tumoren oftmals eine kombinierte Chemo-/ Strahlentherapie der Operation vorangesetzt. Die Chemo-/ Strahlentherapie soll den Tumor verkleinern, so dass anschließend eine Operation möglich ist. Die Chemotherapie soll zusätzlich mögliche Mikrometastasen, die auf normalen Röntgen- oder Computertomographie-Bildern noch nicht zu sehen sind, vernichten und bei gleichzeitiger Gabe zur Bestrahlung letztere in ihrer Wirkung verstärken.
Durch diese Behandlungsform konnten in den letzten Jahren die Tumorrückbildungsraten deutlich verbessert und die Überlebensraten angehoben werden. In einer Studie, die wir in unserer Arbeitsgruppe in den 90-er Jahren begannen, ist das Gesamtüberleben 3x mal so hoch wie nach einer alleinigen Strahlentherapie. In unserer Studie wurden 2 Kurse Chemotherapie einer Strahlentherapie vorangesetzt. Die Strahlentherapie wurde dem Patienten innerhalb von 3 Wochen 2x am Tag verabreicht. Während der Strahlentherapie wurde jeweils 1x in der Woche eine weitere chemotherapeutische Substanz gegeben. Nach Abschluss der Strahlentherapie erfolgte die Operation innerhalb von 4 Wochen, um narbige Veränderungen, bedingt durch die Strahlenbehandlung, zu umgehen. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass diese Kombinationsbehandlung mit mehr Nebenwirkungen behaftet ist als eine alleinige Strahlen- oder Chemotherapie, so dass insbesondere ältere Patienten mit möglichen Begleiterkrankungen nicht immer für diese Behandlung in Frage kommen.
Unklar ist bis heute, welche Chemotherapiekombinationen am besten sind.
Man geht davon aus, dass auf jeden Fall die Substanz Platin in der Kombination enthalten sein sollte. Unklar ist des weiteren, ob eine mehrfach am Tag verabreichte Strahlenbehandlung einer konventionellen Behandlung, die ca. 6 Wochen 1x am Tag gegeben wird, überlegen ist.
Nicht sicher erwiesen ist ebenfalls, inwieweit auch eine alleinige Chemotherapie vor der Operation mit nachgeschalteter Bestrahlung die gleichen Ergebnisse erbringen kann.

Dies alles wird zur Zeit noch untersucht, was bedeutet, dass der Stellenwert der präoperativen kombinierten Radio-/ Chemotherapie bis heute noch nicht eindeutig definiert ist, obwohl in den meisten Studien sowohl die Tumorrückbildungsraten als auch die Überlebensraten deutlich verbessert worden sind.