| Archiv |     Ausgabe 02/2002

Therapie & Forsch.   
 PD Dr. med. Andreas Granetzny
Was muss ich vor einer Lungenoperation wissen?

So niederschmetternd zunächst auch die Diagnose eines Lungenkrebses sein mag – der betroffene Patient muss sich in seinem Interesse und dem seiner Familie der Situation stellen. Immerhin sollte man bedenken, dass nur etwa 30 % der bösartigen Lungentumoren operiert werden können und dass alle anderen Patienten eine Strahlen- oder Chemotherapie erhalten. Insofern sind die operablen Befunde nicht selten frühe Befunde und endgültig durch den chirurgischen Eingriff heilbar oder zumindest kann eine Lebensverlängerung über viele Jahre erreicht werden. Wie bei anderen Erkrankungen auch ist insbesondere beim Lungenkrebs nicht nur das Ergebnis des chirurgischen Eingriffes von Bedeutung; genauso wichtig ist die Mitarbeit des Patienten vor und nach der Operation. Deshalb möchte ich aus meiner Erfahrung einige Ratschläge geben, die berücksichtigt werden sollten.

1. Die Krebsdiagnose darf weder verdrängt noch zur alles beherrschenden Frage werden. Das offene Gespräch mit dem Arzt – eventuell auch im Beisein der Ehefrau und der Kinder – kann viel dazu beitragen, das Gefühl des Ausgeliefertseins an eine schwerwiegende Erkrankung abzumildern. Suchen Sie dieses persönliche Gespräch und bauen Sie so frühzeitig wie möglich ein Vertrauensverhältnis zum betreuenden Arzt auf. Auch für den behandelnden Chirurgen ist dieses wichtig, weil er nur so auf die vielfältigen Probleme reagieren kann, die während des stationären Aufenthaltes auftreten können.

2. Jede Lungenoperation ist ein großer chirurgischer Eingriff und setzt ein darauf spezialisiertes Team von Ärzten voraus. Informieren Sie sich deshalb bei Ihrem Hausarzt oder auch im Internet über entsprechende Kliniken in der Region, die über ausreichende Erfahrungen verfügen und mindestens 200 Operationen dieser Art pro Jahr durchführen. Aktuelle Studien aus Großbritannien und Amerika haben erneut belegt, wie wichtig dieser Aspekt für einen nebenwirkungsarmen Verlauf und ein gutes Langzeitergebnis sein kann.

3. Jede Lungenoperation ist mit Schmerzen verbunden. Der chirurgische Eingriff wird in der Regel über einen seitlichen Schnitt am Brustkorb durchgeführt. Das Aufspreizen der Rippen mit einem mechanischen Sperrer verursacht nach der Operation z.T. erhebliche Schmerzen. Durch moderne Verfahren der anschließenden Schmerzbekämpfung können diese aber so weit minimiert werden, dass Sie davor keine allzu große Angst haben müssen. Über dieses Thema sollten Sie mit Ihrem Narkosearzt sprechen, der Ihnen die entsprechenden Ratschläge geben wird.


4. Der Körperzustand des Patienten ist ein wesentlicher Faktor für einen möglichst kurzen und komplikationsarmen Heilungsverlauf.

Röntgenaufnahme der Lunge
Die Röntgenaufnahme der Lunge ist auch heute noch eine der ersten diagnostischen Maßnahmen beim Lungenkrebs
Foto: Maconet GmbH
Selbst "technisch gut operable" Tumoren können nicht operiert werden, wenn der allgemeine Körperzustand und die Lungenfunktion dies nicht zulassen. Insbesondere ist die Einstellung des Nikotinkonsums zu fordern. Ich selbst habe viele Patienten erlebt, die schon ein bis zwei Wochen nach Beendigung des Rauchens eine deutliche Verbesserung der Lungenfunktion aufgewiesen hatten und so überhaupt erst behandelt werden konnten. Wundern Sie sich deshalb auch nicht, wenn die Operation nicht gleich am ersten Tag nach der stationären Aufnahme erfolgt. Vielleicht rät Ihnen auch der – in einer guten Thoraxchirurgischen Klinik immer präsente Pneumologe (internistische Lungenfacharzt) – zu einer siebentägigen intensiven Phase mit Atemtraining. Nutzen Sie diese Zeit, sie kommt Ihnen nach der Operation zu gute. Auch wenn Sie bereits am ersten oder zweiten Tag operiert werden sollten, müssen Sie sich mit den Techniken der Atemgymnastik (Atemübungen, Inhalation, Atemtrainer) vertraut machen, weil dieses bereits am Operationstag beginnt und später jeden Tag intensiv weitergeführt wird.
Auch der Ernährungszustand spielt eine entscheidende Rolle: Selbstverständlich hat ein dicker Patient ein höheres Operationsrisiko wegen der damit verbundenen und bekannten Probleme (Herzerkrankungen, Stoffwechselerkrankungen). Andererseits ist aber auch erwiesen, dass eine zu große Gewichtsabnahme vor und nach der Operation ein eigenes Risikoprofil darstellt und z. B. vermehrte Heilungsstörungen des Luftröhrenstumpfes nach sich zieht. Gerade nach dem operativen Eingriff sollte deshalb auf eine hochkalorische Ernährung geachtet werden, die natürlich vitaminreiche Kost beinhaltet.

5. Lungenchirurgische Eingriffe können wie alle Operationen auch Komplikationen nach sich ziehen.

Es gibt eine ganze Reihe von chirurgischen und internistischen Nebenwirkungen, die den Heilungsverlauf beeinträchtigen können. Im Aufklärungsgespräch vor der Operation werden Sie darauf detailliert hingewiesen und Sie sollten in einem solchen Fall das Vertrauen nicht verlieren. Immerhin ist zu bedenken, dass viele unserer Patienten neben dem Lungentumor schwerwiegende Nebenerkrankungen haben. Dies betrifft vor allem Durchblutungsstörungen des Herzens und des Gehirns sowie Stoffwechselerkrankungen wie etwa die Zuckerkrankheit. Auch operativ bedingte Komplikationen können eintreten und so kann beispielsweise ein nicht geheilter Luftröhrenstumpf den Krankenhausaufenthalt erheblich verlängern und in seltenen Fällen sogar eine zweite Operation erforderlich machen. Auch die bei jeder Lungenoperation eingelegte Thoraxdrainage (dünner Schlauch zur Ableitung von Luft und Sekret) muss manchmal statt der geplanten drei bis sieben Tage länger belassen werden. Ich habe oft beobachtet, dass Patienten mit einem komplikationsträchtigen Verlauf den Mut verlieren und damit einen Teufelskreis in Gang setzen, der durch die Folgekomplikationen (z.B. Lungenentzündung bei mangelhafter Bronchialreinigung) auch tödlich enden kann. Andererseits gibt es viele Patienten mit einem starken Willen und v. a. dem entsprechenden Rückhalt in der Familie, die auch langdauernde Komplikationen gut überstanden haben und geheilt entlassen werden konnten.
Bei all den genannten Problemen muss die Wahrhaftigkeit zwischen Patient und Arzt im Mittelpunkt stehen. Es geht weder darum, eine lebensbedrohliche Erkrankung zu bagatellisieren, noch darf es zu einer Überbetonung der Behandlungsrisiken führen. Es ist aus zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten hinreichend belegt, dass Patienten mit einem Lungenkrebs eine reelle Heilungschance haben können, Voraussetzung ist allerdings ein relativ frühes Tumorstadium und der Wille des Patienten, sich einer zugegebenermaßen belastenden Therapie zu unterziehen.