| Archiv |     Ausgabe 02/2002

Nachsorge   
 Dr. med. Dierk Rosemeyer
Rehabilitation bei Krebserkrankungen des Magen-und Darmtraktes

Was ist Rehabilitation? Rehabilitation bezeichnet die umfassenden Bemühungen, einen Menschen nach gesundheitlichen Schädigungen, hier eine Operation wegen Krebs, möglichst vollständig in sein Alltags- und Privatleben einzugliedern und gesundheitliche Defizite so weit möglich auszugleichen oder zu lindern.
Rehabilitation unterscheidet sich von einer Kur, die in erster Linie der Vorsorge und Erhaltung der Gesundheit dient. Kennzeichen einer Rehabilitation ist die gleichzeitige Behandlung mehrerer unterschiedlicher Problemfelder (Multidimensionalität), zumeist durch Mitarbeiter verschiedener Medizinberufe (Multidisziplinarität). Dabei kommen neben rein medizinischen Gesichtspunkten insbesondere psychosoziale Aspekte zum Tragen sowie die Sport- und Bewegungstherapie (Physiotherapie). Ggf. erfolgt eine spätere Überleitung in berufliche Reha-Maßnahmen.



Bei wem ist ein Rehabilitationsverfahren angezeigt?
In Deutschland werden pro Jahr etwa 57.000 Patienten an Krebs im Darm- und Enddarmbereich operiert und 18.500 Patienten an Magenkrebs, die beiden häufigsten Krebsformen im Magen-Darm-Trakt. Rehabilitation kann auch angezeigt sein bei Patienten nach einer Operation wegen Bauchspeicheldrüsenkrebs oder Tumorerkrankung der Speiseröhre, Gallenwege und Leber. Alle diese Krebsformen sind heute stadienabhängig heilbar. Jede Therapie stellt für den Betroffenen einen erheblichen Eingriff dar, zumal die Patienten oft die Mitte ihres Lebensalters überschritten haben. Eine Rehabilitation ist dann sinnvoll, wenn eine gesundheitliche Verbesserung möglich ist und der Patient aktiv daran mitwirken kann.


Wie geschieht der Zugang zur Rehabilitation?

Bewegungstherapie im Wasser
Bewegungstherapie ist in der Nachsorge von Krebserkrankungen ein wichtiger Bestandteil der Rehabilitation
Foto: Klinik Rosenberg Bad Driburg

In mehr als der Hälfte aller Fälle wird schon im Krankenhaus kurz nach der Therapie durch den behandelnden Arzt eine Rehabilitation vorgeschlagen und zumeist durch Sozialarbeiter eingeleitet. Sie kann aber auch später notwendig werden und wird auf Antrag von der Rentenversicherung oder Krankenversicherung gewährt. Eine medizinische Notwendigkeit wird durch Bescheinigung des Hausarztes oder eines Gutachters attestiert. Eine Zuzahlung von 9 € ist in manchen Fällen notwendig, eine Befreiung hiervon kann in vielen Fällen erfolgen, insbes. im Anschluss an eine Krankenhausbehandlung ist sie nicht mehr notwendig. Die stationäre Reha-Dauer ist gesetzlich auf durchschnittlich 3 Wochen festgelegt, doch kann bei medizinischer Notwendigkeit eine Verlängerung auf 4 Wochen und in seltenen Fällen auch für weitere Zeiträume genehmigt werden. Mancherorts stehen gleichwertige Reha-Möglichkeiten auch ambulant zur Verfügung.

Was sind die Inhalte?
Die Probleme nach einer Krebsoperation sind unterschiedlich und vielfältig und es werden zu Beginn eines Reha-Verfahrens individuelle Reha-Ziele in einem Gespräch zwischen Patient und Arzt festgelegt. Der Arzt steuert den Ablauf der stationären Rehabilitation und kümmert sich insbes. um die medizinische Versorgung, die notwendige medikamentöse Behandlung. Dazu gehört evtl. eine Chemotherapie, entweder vorsorglich zur Verhinderung des evtl. Auftretens von späteren Absiedlungen (Metastasen) oder auch zur Minderung und Bremsung des Wachstums evtl. verbliebener Krebsabsiedlungen. Das weitere Behandlungsprogramm im Rahmen einer entsprechenden Nachsorge wird mit dem Patienten besprochen und notwendige Zeitpläne ihm ausgehändigt. Zugleich und oft noch dringlicher ist die psychosoziale Betreuung, um mit dem zumeist überraschenden und einschneidenden Problem einer Krebsoperation fertig zu werden. Dazu helfen Psychologen in Einzelgesprächen oder Gruppensitzungen, um mit dieser neuen Situation besser fertig zu werden und oft vorhandene Angst und Niedergeschlagenheit durch Verhaltens- oder Gesprächstherapie zu bessern.


Gerade bei Operationen im oberen Verdauungstrakt (Speiseröhre, Magen, Bauchspeicheldrüse) kann es durch Verlust von Organen und einen häufig geänderten Speiseweg zu Problemen der Nahrungszufuhr kommen. Eine diätetische Beratung durch Diätassistenten oder Ökotrophologen hilft, eine ausreichende und schmackhafte Kost zusammenzustellen; ob die notwendige Menge zugeführt wird, kann gemessen werden und auch, ob alles Gegessene ausreichend aufgenommen wird.
Evtl. Schluckstörungen und Beschwerden beim Essen können auf ihre Ursache untersucht und durch unterschiedliche medizinische Maßnahmen (Medikamente, Dehnungsbehandlung von narbigen Verengungen in Speiseröhre und Magen, Behandlung von Schleimhautentzündungen oder Verbesserung der Verdauung) aufgebessert werden. Nach Darm- und Enddarmoperationen kommt es oft zu Problemen der Ausscheidung, die ebenfalls durch Veränderung der Stuhlbeschaffenheit und Stuhlhäufigkeit gebessert werden können. Ist ein künstlicher Darmausgang notwendig geworden, kann der Patient in die nötige eigenständige Versorgung eingewiesen werden und ggf. mit speziellen Verfahren (Irrigation = Darmspülung) einen möglichst ungehinderten Tagesablauf erfahren. Adressen von Selbsthilfegruppen werden mitgegeben. Die allgemeine körperliche Schwäche im Gefolge einer Operation wird gezielt durch Physiotherapeuten verbessert durch Übungen zur Muskelkräftigung, Beweglichkeit und zum Kraftzuwachs. Ein Sozialarbeiter kümmert sich um Hilfen in der neuen Situation, sei es Hilfen zur Selbständigkeit zu Hause oder Hilfen zur beruflichen Eingliederung. Ziel ist die möglichst weitgehende Selbständigkeit und Aktivität im privaten und beruflichen Umfeld so wie sie vorher gewesen ist. Dies gelingt – unabhängig vom Alter – in erfreulich hohem Maße.

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