Therapie & Forsch.   
 Behandlung des Mastdarmkrebs

Mit ungefähr 30 bis 40 Neuerkrankungen jährlich auf 100 000 Einwohner in Deutschland ist Darmkrebs eine der häufigsten Tumorarten. Fast ausschließlich ist der Dick- und Mastdarm betroffen, Krebs des Dünndarmes ist sehr selten. Bei ca. der Hälfte der Betroffenen ist der Tumor im Dickdarm, bei der anderen Hälfte im Mastdarm gelegen. Ein kleiner Teil der Dick- und Mastdarmkrebserkrankungen treten familiär gehäuft auf. Die Erkrankungsursache für den größten Teil der Patienten ist jedoch noch nicht eindeutig geklärt. Auffällig ist ein häufiges Auftreten in Ländern der westlichen Zivilisation, wohingegen in Kulturen mit anderen Ernährungsgewohnheiten, wie beispielsweise in Afrika, diese Krebserkrankung ausgesprochen selten vorkommt. Es wird vermutet, dass geographische Unterschiede auf den niedrigeren Anteil an Ballaststoffen in der westlichen Ernährung zurückzuführen sind (siehe auch Prof. Dr. med. G. Pott, Krebsmagazin 1/2003: Dickdarmkrebs).

Chirurgie

Im Mittelpunkt der Behandlung von Darmkrebs steht die chirurgische Entfernung des befallenen Darmabschnittes. Dabei ist die vollständige Operation, also ohne verbleibende Tumorreste, für die Heilungsaussichten entscheidend. Im Bereich des Dickdarmes können solche Operationen meistens mit einer vollständigen Tumorentfernung durchgeführt werden, so dass das Risiko eines lokalen Wiederauftretens der Geschwulst (Rezidiv) gering ist.Größeren Schwierigkeiten sieht sich der Chirurg bei Mastdarmtumoren gegenüber. Die Enge, die im Becken durch Knochen und unmittelbare Nachbarschaft zu anderen Organen vorgegeben ist, kann den Erfolg der Operation einschränken, so dass bei vielen Patienten, insbesondere mit fortgeschrittenen Krankheitsstadien, der Tumor nicht vollständig entfernt werden kann. Das führt dazu, dass häufiger Geschwülste im Becken wiederauftreten. Mit neueren chirurgischen Techniken (totale meso-rektale Exstirpation), die auch die Entfernung des Weichteilgewebes um den Mastdarm einschließen, kann die Häufigkeit von lokalen Rezidiven deutlich gesenkt werden. Trotzdem haben Patienten mit Geschwülsten, die die Darmwand überschreiten oder bei denen bereits Tochtergeschwülste in den Beckenlymphknoten bestehen, ein erhebliches Risiko für ein erneutes Auftreten von Geschwülsten im ehemaligen Tumorbereich (Lokalrezidiv). Neben diesen Lokalrezidiven besteht für Patienten mit Darmkrebs ein Risiko für Tumorabsiedlungen (Metastasen) über die Blutbahn in andere Organe, oft in Leber oder Lunge. Da eine erfolgreiche Behandlung von Lokalrezidiven und Metastasen häufig schwierig ist, ist es wichtig, diese Gefahr zu vermeiden.

Adjuvante Therapie

Das Risiko, nach der Operation des Mastdarmtumors ein Lokalrezidiv oder Metastasen zu entwickeln, wird vor allem durch die Ausbreitung des Tumors in der Darmwand, seine Beziehung zu benachbarten Organen und die Absiedlung von Tumorzellen auf dem Lymphweg bestimmt. Wächst ein Tumor über die Darmwand hinaus in das benachbarte Gewebe oder andere Organe oder liegen Absiedlungen in Lymphknoten vor, wird Patienten mit Mastdarmtumoren vorgeschlagen, eine Kombination aus Bestrahlung des Beckens und Chemotherapie (Strahlenchemotherapie) durchführen zu lassen. Gleiches gilt für Patienten, bei denen der Chirurg Tumorreste im Becken belassen musste. Mit einer solchen zusätzlichen, unterstützenden (adjuvanten) Behandlung verbessert sich das Überleben von Patienten mit Mastdarmkrebs langfristig um ungefähr 15-20%, wobei die Behandlung derzeit entweder vor der Operation oder auch danach durchgeführt wird. Eine Strahlenchemotherapie vor der Operation wird wegen der besseren Verträglichkeit in den letzten Jahren immer häufiger durchgeführt. Vorteilhaft ist dieses Vorgehen insbesondere bei Geschwülsten, die in unmittelbarer Nähe zum Anus liegen. Hier kann der Chirurg häufig den natürlichen Darmausgang nicht erhalten, ohne Tumorreste zu belassen. 4 - 6 Wochen nach einer Strahlenchemotherapie kann sich diese Situation geändert haben: Durch die Verkleinerung des Tumors kann jetzt vollständig operiert werden und so bei vielen Patienten ein künstlicher Darmausgang vermieden werden.

Abb. 1: Körperquerschnitt eines Patienten mit Mastdarmtumor in der Kernspinuntersuchung vor (links) und am Ende einer Strahlenchemotherapie (rechts): Deutliche Verkleinerung des Tumors mit verbesserten Operationsmöglichkeiten nach der Behandlung
Quelle: Klinik Dr. Hanken


Derzeit wird die Strahlenchemotherapie bei den meisten Patienten nach der Operation durchgeführt. In dieser Situation wurde bereits die Tumorausbreitung vom Pathologen am Operationspräparat bestimmt, so dass der Chirurg Patienten mit hohem Risiko eines Krankheitsrezidives eindeutig erkennen und zu einer unterstützenden Therapie vorstellen kann. Die Strahlentherapie erfordert einige Vorbereitungsschritte, um auf der einen Seite die ehemalige Tumorregion mit dem Lymphabstromgebiet im Becken vollständig und gleichmäßig zu erfassen und andererseits nicht befallene Organe, insbesondere Blase und Dünndarm, weitgehend zu schonen. Dazu wird eine Computertomographie des Beckens durchgeführt, auf deren Grundlage Arzt und Strahlenphysiker einen detaillierten Bestrahlungsplan erstellen.
Teil eines Bestrahlungsplanes in einem computertomographischen Querschnitt: Das grün markierte Körpervolumen erhält die verschriebene Bestrahlungsdosis (rote und orange Linien), gesunde Organe wie die Harnblase erhalten nur geringe Dosisanteile (blaue Linie). Teil eines Bestrahlungsplanes in einem computertomographischen Querschnitt: Das grün markierte Körpervolumen erhält die verschriebene Bestrahlungsdosis (rote und orange Linien), gesunde Organe wie die Harnblase erhalten nur geringe Dosisanteile (blaue Linie).


Nach Abschluss der Bestrahlungsplanung, die meistens einige Tage in Anspruch nimmt, wird die eigentliche Behandlung eingeleitet. Die Strahlentherapie dauert 5 - 6 Wochen und wird im allgemeinen fünfmal in der Woche durchgeführt. In der ersten und fünften Woche der Strahlentherapie erhalten die Patienten gleichzeitig Chemotherapie mit dem Medikament Fluorouracil, das in den meisten Kliniken als kontinuierliche, intravenöse Infusion über 5 Tage gegeben wird. Weitere Chemotherapiegaben schließen sich in vierwöchentlichem Abstand an die Strahlenchemotherapie an.

Nebenwirkungen

Trotz genauer Bestrahlungsplanung sind Nebenwirkungen der Strahlenchemotherapie in gesundem Gewebe nicht vollständig zu vermeiden, nur selten treten aber gravierende Beschwerden auf. Während der Bestrahlung haben viele Patienten Durchfälle, Beschwerden beim Wasserlassen und gelegentlich auch Hautveränderungen in den Bestrahlungsfeldern. Durch die Chemotherapie kann die Bildung von Blutzellen vorübergehend beeinträchtigt werden. Allerdings sind diese Veränderungen nur selten behandlungsbedürftig. Langfristige Nebenwirkungen beschränken sich weitgehend auf Veränderungen der Stuhlgewohnheiten, manchmal kombiniert mit einer Unverträglichkeit für bestimmte Speisen. Langanhaltende Nebenwirkungen an Blase oder Knochen sind glücklicher Weise sehr selten.

Forschung

In einer aktuellen Untersuchung wird derzeit die Strahlenchemotherapie vor und nach der Operation verglichen. Weitere Studien beinhalten den Einsatz neuerer Medikamente in der Strahlenchemotherapie des Mastdarmkrebs. Endgültige Ergebnisse dieser neuen Behandlungsansätze liegen noch nicht vor.