Therapie & Forsch.   
 
Lebensqualität bzw. Lebenszufriedenheit in der Onkologie

Jeder dritte Mensch stirbt heutzutage an einer bösartigen Erkrankung. Deshalb wird Krebs zurecht als eine "Geißel der modernen Menschheit" bezeichnet. In diesem Begriff drückt sich aus, dass die Krebserkrankung den Betroffenen eine Menge Leiden bereitet; ihre Lebensqualität wird in vielfältiger Weise beeinträchtigt. Zum einen bedeutet es eine starke psychische Belastung, wenn jemand mit der Diagnose Krebs konfrontiert wird. Der Patient ist meistens völlig überrascht und sieht sich einer unter Umständen todbringenden Erkrankung ausgeliefert. Diese Perspektive wirft ihn im Alltag, im Berufs- und Familienleben aus der gewohnten Bahn. Ferner muss er sich einer Operation, einer Chemotherapie oder einer Bestrahlung unterziehen, wobei diese Therapien körperlich und psychisch äußerst belastend sind und die Lebensqualität erheblich verschlechtern können.

Die Definition der Lebensqualität bezieht sich in der Medizin im allgemeinen wie auch in der Onkologie im besonderen auf fünf Bereiche:

  1. Körperliche Verfassung
  2. Seelisches Befinden
  3. Soziale Integration
  4. Wirtschaftlicher Status
  5. Funktionsfähigkeit im Alltag
Wenn durch die Therapie keine Heilung der Krebserkrankung erreicht werden kann, ist die Verbesserung der Lebensqualität das oberste Gebot für den Therapeuten. Speziell führt auch die Tumorkontrolle zu einer Verbesserung der Lebenszufriedenheit.

Körperliche Verfassung

Das Krebsleiden kann die körperliche Verfassung durch Schmerzen, Einschränkung der Leistungsfähigkeit, Kraftminderung, Müdigkeit und Atemnot beeinträchtigen. Als Nebenwirkungen der Chemotherapie können Übelkeit und Erbrechen auftreten, ferner Haarausfall, Nervenstörungen, Durchfälle, Knochenmarksveränderungen und dadurch bedingtes Fieber. Ziel einer guten supportiven Krebstherapie, d. h. von stützenden oder begleitenden Maßnahmen, ist es, diese Beschwerden zu verbessern, zu lindern oder gänzlich zu beseitigen. Heute stehen viele potente Schmerzmittel zur Verfügung, so dass eine Schmerztherapie gemäß dem Stufenplan der WHO die meisten Tumorpatienten schmerzfrei machen kann. Auch das Müdigkeitssyndrom, das vor allem bei fortgeschrittenen Tumorerkrankungen vorkommt, lässt sich heutzutage lindern, zum Beispiel durch Einsatz von Bluttransfusionen, Gabe von Erythropoetin oder eventuell auch durch Kortison. Des weiteren können Atemnot, Fieber, Erbrechen und Übelkeit mit Medikamenten wirksam behandelt werden. Durch die Auswahl bestimmter Krebsmedikamente lässt sich der Haarausfall oft verhindern.

Seelisches Befinden

Bei fast allen Betroffenen ist im Laufe einer Krebserkrankung das psychische Befinden beeinträchtigt. Im Rahmen der Krankheitsbewältigung stellen sich häufig Depressionen und Angstzustände ein, eine negative Lebenseinstellung bis hin zur Hoffnungslosigkeit. Positive Gefühle und Empfindungen gehen zeitweise verloren. In dieser Situation sind Psychoonkologen gefordert, dem Patienten zu helfen, wieder eine positive Lebenssicht zu bekommen und aus den Depressionen und Ängsten heraus zu kommen. Die Behandlungen können als individuelle Psychotherapie erfolgen, als Paaroder Familientherapie oder als themenzentrierte Gruppentherapie. In der individuellen Psychotherapie wird auf die aktuelle Krisensituation fokussiert, bei akuten Belastungssituationen wird eine Krisenintervention durchgeführt, emotionaler Stress reduziert und psychische und soziale Ressourcen aktiviert.

Paar- bzw. Familientherapien sind erforderlich, wenn die Angehörigen sich durch die Krebserkrankung besonders belastet fühlen. Jeder Krebskranke ist stark auf seine Familie oder seinen Partner angewiesen. Eine Angehörigenberatung wird insbesondere von den Krebsberatungsstellen angeboten. In der themenzentrierten Gruppentherapie soll die Kommunikation gefördert und der Kranke aus seiner Isolation geholt werden, in die er durch die Krebserkrankung geraten ist. Hier spielen auch Selbsthilfegruppen eine wichtige Rolle.

Unterstützende psychoonkologische Maßnahmen haben in der letzten Zeit eine zunehmende Bedeutung erlangt. Von Onkologischen Arbeitskreisen, Tumorzentren, Krebsstiftungen und Psychoonkologen werden den Betroffenen verstärkt Angebote unterbreitet, um ihnen bei der Bewältigung der Krankheit zu helfen:

  • Dazu gehören kreative Therapien wie Malen, Töpfern, Musizieren, Dichten und Schreiben. Kreative Therapien sind eine sehr gute Möglichkeit, wieder zu sich selbst zu finden und innere Kräfte zu mobilisieren.
  • Meditation und Imagination: Der Patient soll dadurch zur inneren Entspannung und Loslösung von seinen Problemen kommen.
  • Bewegungstherapie: Sport, Tanz, Feldenkreis-Methode, T´ai-Chi und Qigong sowie Yoga
  • Passive Bewegungsübungen, die von einem Therapeuten durchgeführt werden, z.B. Boyesen-Therapie und Osteopathie.
  • Gesellschaftliches Zusammensein, gemeinsame Theaterbesuche, Kartenspiele, gemeinsame Ausflüge.
Soziale und wirtschaftliche Faktoren

Eine weitere Einschränkung der Lebensqualität des Krebskranken hängt mit sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Faktoren zusammen. Kurzfristigesoder langfristiges Ausscheiden aus dem Beruf, der Verlust unterschiedlicher Aufgaben in der Familie oder der Gesellschaft, die Störung der Beziehungen zu Freunden und Partnern sowie Einkommenseinbußen führen zu einer Herabsetzung der Lebenszufriedenheit. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Rehabilitation oder Berentung, die Ausschöpfung aller sozialen Möglichkeiten sowie die Befreiung aus der gesellschaftlichen Isolation von großer Bedeutung.

Funktionsfähigkeit im Alltag

Ein weiterer Bereich der Lebensqualität betrifft die Funktionsfähigkeit im Alltag. Je nach Schwere der Erkrankung kann diese Funktionsfähigkeit derart eingeschränkt sein, dass ein Berufsleben nicht mehr möglich ist, Hobbys und Sport nicht mehr ausgeübt werden können oder sogar die Selbstversorgung eingeschränkt und der Patient damit auf fremde Hilfe angewiesen ist. Die medizinische Behandlung ebenso wie eine Reihe unterschiedlicher Rehabilitationsmaßnahmen zielt auf die Wiedererlangung der Funktionsfähigkeit ab. Bei fortschreitender Krebserkrankung lässt sich dieses Ziel jedoch häufig nicht mehr erreichen; dann muss dem Kranken eine Pflege zuteil werden.

Messung der Lebensqualität

Um die Lebensqualität im medizinischen Bereich näher zu beurteilen bzw. zu messen, wurden verschiedene Fragebögen entwickelt. Die wichtigsten sind: der EORTC QLQ-C30 Bogen, der Sendera Quality of Live Index und (in Deutschland) der Hornheider Fragebogen. Die Beurteilung der Lebensqualität erfolgt zum einen durch den Patienten und zum anderen durch den Arzt. Fragen zum persönlichen, subjektiven Befinden sowie zu sozialen, familiären und wirtschaftlichen Problemen sind zu beantworten. Durch Auswertung der Fragebögen erkennt der Therapeut, wo beim Patienten die Defizite vorliegen und wie er ihm bessere Hilfestellung geben kann. Es ist wünschenswert, dass diese Fragebögen verstärkt Eingang in die Therapie finden.

Zusammenfassung

Durch die Tumorerkrankung und durch die erforderliche Therapie dieser Krankheit wird die Lebensqualität des Betroffenen häufig stark eingeschränkt. Eine Verbesserung dieser Problematik hin zur Normalisierung der Lebenszufriedenheit lässt sich

  1. durch eine wirksame Behandlung der Krebserkrankung
  2. durch begleitende medizinische, pharmakologische und psychoonkologische Maßnahmen sowie
  3. durch verschiedene begleitende Projekte erreichen.
Ärzte, Psychologen, Sozialarbeiter und medizinisches Personal müssen dabei eng zusammenarbeiten, um dem Patienten wieder ein glückliches Leben zu ermöglichen. Nicht selten führt die Krebserkrankung dazu, dass der Patient letztendlich durch bewusstes und intensiviertes Leben für sich einen inneren Gewinn erzielt.