Therapie & Forsch.   
 Der Tumor ist wieder da - was nun?
Rückfall, Metastasierung, Fortschreiten der Erkrankung
Nach erfolgter Erstbehandlung atmet der Patient tief durch, doch die Angst bleibt. Es folgen Nachsorgeuntersuchungen und plötzlich spricht der Arzt von Rezidiv, Metastasen oder Progression. Was ist jetzt zu tun?

Zuerst einmal muss zwischen den verschiedenen Begriffen, die für eine erneute Tumoraktivität stehen, differenziert werden:

Rezidiv bedeutet, dass der Tumor bzw. Tochtergeschülste sich an der ursprünglichen Stelle oder in unmittelbarer Umgebung neu gebildet haben.

Metastasierung heißt, dass es zu Tumorabsiedelungen, also zu Tochtergeschwülsten in anderen Organen gekommen ist.

Tumorprogression bedeutet, dass der Tumor oder Tochtergeschwülste des Tumors ohne oder trotz Therapie weiter gewachsen ist.

Alle drei Begriffe haben eine andere Bedeutung und sind mit einer unterschiedlichen Prognose behaftet. Ein Tumorrezidiv, also das Wiederaufflackern eines Tumors an selbiger Stelle, muss nicht unbedingt mit einer schlechteren Prognose gleich gesetzt werden. Bei vielen Tumoren lassen sich durch eine erneute Behandlung die Heilungschancen wahren.

Als Beispiel sei eine 69-jährige Patientin mit Brustkrebs auf der rechten Seite benannt. Der Brustkrebs wurde entfernt. Die Brust konnte erhalten bleiben. Lymphknotenmetastasen bestanden keine. Der Tumor war rezeptorpositiv und wurde mit Operation, anschließender Strahlentherapie und einer Hormonbehandlung therapiert. Die Prognose für die Patientin beträgt 90% (5Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit). Zwei Jahre später entwickelte sich in selbiger Brust ein weiterer Tumor, der diesmal durch Brustamputation entfernt wurde. Auch dieser Tumor war langsam wachsend, besaß keine Lymphknotenmetastasen und war rezeptorpositiv, so dass die Prognose bezüglich des Überlebens durch diesen zweiten Tumor für die Patientin nicht verschlechtert wird.

Ähnliches gilt für einen Patienten mit einem Prostatakrebs, der z. B. einen Tumor hatte, der auf die Prostata beschränkt und mit einem geringen Risiko behaftet war. Der Patient wurde radikal operiert. Der Patient besaß danach eine 5-Jahres-Überlebens-Wahrscheinlichkeit zwischen 80% und 90%. 9 Monate später entwickelte sich ein sogenanntes biochemisches Rezidiv, was bedeutet, dass die regelmäßig kontrollierten PSA-Werte wieder anstiegen. In dieser Situation wurde der Patient einer Strahlentherapie zugeführt, die ca. 6-7 Wochen dauerte und die Heilungschancen des Patienten wahrte. Nach der Strahlentherapie sanken die PSA-Werte und der Patient besaß erneut eine 5-Jahres-Überlebenschance, die zwischen 80% und 90% Prozent lag.

Es gibt allerdings auch Rezidive, deren Prognose deutlich schlechter sind. Z. B. wurde bei einem 64-jährigem Rentner ein Lungenkrebs entdeckt. Lymphknotenmetastasen im Mittelfell fanden sich nicht und der Patient wurde operiert. Die 5-Jahres-Überlebensrate betrug statistisch 30% für das entsprechende Tumorstadium. 2 Jahre später entwickelte derselbe Patient einen erneuten Lungenkrebs, diesmal mit Befall der Mittelfelllymphknoten. Er wurde einer Bestrahlung zugeführt. In diesem Stadium beträgt die 5-Jahres-Überlebens nur noch 5%, sie kann aber durch moderne Kombinationsbehandlungen erhöht werden.

Im Gegensatz zum Tumorrezidiv ist die Tumorprogression grundsätzlich bezüglich der Prognose als ungünstiger zu werten.

Hier stehen der Patient und seine Ärzte vor der Entscheidung, auf eine andere Therapieform umzustellen. Als Beispiel: Wenn ein Lymphom, z. B. der Morbus Hodgkin unter laufender Chemotherapie anstatt kleiner zu werden, größer wird, sollte auf andere Medikamente bzw. auf eine andere Behandlungsform umgestellt werden. Derartige Therapieentscheidungen werden üblicherweise im Rahmen interdisziplinärer Tumorkonferenzen gefällt. Aber auch der Patient hat die Möglichkeit und das Recht, sich eine zweite oder dritte ärztliche Meinung einzuholen, bevor er sich auf eine andere Therapie einlässt.

Am ungünstigsten sind grundsätzlich Metastasen zu sehen.

Patienten mit Metastasen, also Tochtergeschwülsten, die über die Blutbahn vom Haupttumor streuen, gelten, von Ausnahmen abgesehen, als nicht heilbar, aber auch hier gibt es erhebliche Unterschiede.

Wichtig zu wissen ist, wo die Metastase sitzt, wie viele Metastasen überhaupt vorhanden sind und von welchem Tumor die Metastasen abstammen. Handelt es sich z. B. um eine einzelne Metastase, die sich im Knochen befindet und als Tochtergeschwulst eines früheren Brustkrebses anzusehen ist, hat die entsprechende Patientin noch eine Lebenserwartung von einigen Jahren. Wenn es sich aber beispielsweise um mehrere Metastasen handelt, die z. B. im Gehirn lokalisiert sind und die von einem Lungentumor abstammen, ist die Prognose deutlich schlechter und lässt sich allerhöchstens auf einige Monate beziffern.


Zusammenfassend sollte auch bei erneut auftretender Tumoraktivität ein kühler Kopf bewahrt werden und der Kampf nicht vorschnell aufgegeben werden. In dieser Situation sollte man sich umgehend informieren, welche Behandlungsmöglichkeiten es noch gibt, mit welchen Nebenwirkungen und mit welchen Chancen zu rechnen ist. Dazu sollte der Patient sich aber unbedingt von einem onkologisch besonders qualifizierten Arzt beraten lassen. Sehr informiert sind in der Regel auch die Selbsthilfegruppen, über die man Kontaktadressen zu entsprechend qualifizierten Ärzten erhalten kann.

Wie aufgezeigt, lohnt es sich tatsächlich in vielen Fällen, noch einmal gegen den Krebs anzutreten und die Hoffnung zu bewahren. Denn man bedenke eines:

"Hoffnungslosigkeit ist die oft vorweggenommene Niederlage."




Glück gibt es nur,
wenn wir vom Morgen
nichts verlangen
und vom Heute
dankbar annehmen,
was es bringt


Hermann Hesse