Magenentfernung   
 Magenkrebs - Lebensführung nach Magenentfernung

Deine Nahrung sei dein Heilmittel und dein Heilmittel sei deine Nahrung. Hippokrates 460-370 vor Chr.

Magenkrebs ist mit etwa 1 Million Neuerkrankungen pro Jahr die zweithäufigste Tumorerkrankung in der Welt. In Deutschland erkranken jährlich bis zu 20 Männer und 10 Frauen pro 100.000 Einwohnern an einem Magenkrebs. Die Erkrankung bevorzugt das höhere Lebensalter zwischen dem 60. und 80. Lebensjahr.

Die Ursache des Magenkrebses ist unbekannt.
Als Risikofaktoren gelten besonders frühere Magenoperationen, die Blutgruppe A, Helicobacter-pylori-Infektionen sowie ungünstige Ernährungsfaktoren wie stark gesalzene oder gepökelte, geräucherte oder gegrillte Nahrungsmittel, während naturbelassene Kostformen, obst- und gemüsereiche Ernährung eher vorbeugend wirken.

Diagnostik und Ersttherapie

Der Magenkrebs kann nur durch eine radikale operative Tumorentfernung geheilt werden, wenn er früh genug entdeckt wird. In den meisten Fällen ist eine totale Magenentfernung (Gastrektomie) erforderlich, um einer weiteren Ausbreitung des Tumors vorzubeugen. Vom Operateur kann gegebenenfalls ein Ersatzmagen aus Dünndarm gebildet werden, um wieder ein Nahrungsreservoir zu schaffen und damit die Nahrungsaufnahme zu verbessern. Durch optimierte diagnostische (Gastroskopie) und modernere chirurgische Methoden ist das Risiko an Magenkrebs zu sterben, seit Mitte des vorigen Jahrhunderts um mehr als die Hälfte zurückgegangen.

Das Störungsbild nach Magenentfernung -
Mechanismen einer veränderten Verdauungsfunktion


Die von Magenlosen geklagten Beschwerden sind individuell sehr verschieden (Abb. 1).

Abb.1 Speisenunverträglichkeit

Sie betreffen in der ersten Zeit nach der Operation nahrungsabhängig überwiegend den oberen Verdauungstrakt. Die Nahrungsaufnahme kann infolge des aufgehobenen Magen-Reservoirs Oberbauchbeschwerden wie Völlegefühl, Aufstoßen oder Sodbrennen hervorrufen. Bei Rückfluss des Nahrungsbreis in die Speiseröhre (Reflux), z.B. im Liegen oder bei Bauchpresse, besteht die Gefahr einer Entzündung der Speiseröhre (Oesophagitis).

Zur Reflux-Vorbeugung empfiehlt es sich, unmittelbar vor dem Hinlegen Mahlzeiten, insbesondere flüssige Nahrungsaufnahme, zu vermeiden. Nützlich kann sich auch eine Schrägstellung des gesamten Bettes mit ca. 10 cm Erhöhung der oberen Bettfüße erweisen. Eine Ankippung des Kopfendes allein ist dagegen meistens unwirksam.

Da der Pförtner am ehemaligen Magenausgang fehlt, kommt es häufig zur sogenannten Sturzentleerung ("Dumping") der Nahrungsbestandteile in tiefere Dünndarmabschnitte. Besonders süße, salzige oder hochkonzentrierte Nahrung kann dabei reaktiv einen Flüssigkeitseinstrom aus dem Blutkreislauf in das Darminnere verursachen mit eventuellen Füllungsschmerzen des Dünndarmes, beschleunigtem Speisentransport, Schwindel und Kreislaufsymptomen. Dieses sogen. "Früh-Dumping" tritt gewöhnlich ca. 20 - 30 Min. nach der Mahlzeit auf.

Größere Mengen sehr süßer Nahrung ist die Ursache des sogen. "Spät-Dumpings" (ca. 1,5 - 3 Std. nach der Mahlzeit), bei dem es zu überschneller Kohlehydrataufnahme in Dünndarm mit nachfolgender Insulinausschüttung der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) in den Blutkreislauf und einer Unterzucker-Symptomatik (Hypoglykämie) kommt. Die Betroffenen klagen über Benommenheit, Heißhunger, Schwitzen und Pulsbeschleunigung.

Zur Vermeidung der Dumping-Symptomatik empfiehlt sich, nicht unmittelbar beim Essen zu trinken, da ein langsamer Dünndarmtransport zur optimalen Nahrungsausbeute erwünscht ist.Kohlehydrathaltige Getränke und sehr süße Speisen können Dumping-Beschwerden verschlimmern und sollten gemieden werden.

Die Nahrungsverwertung im Dünndarm ist nach Magenentfernung meist infolge des Verlustes des Magensäurereizes auf die Bauchspeicheldrüse und das Gallensystem herabgesetzt. Deren Verdauungssäfte werden nun nicht mehr zeitgemäß und nahrungsgesteuert abgesondert, so dass im Dünndarm eine ungleichmäßige Durchmischung der Nahrung mit Verdauungsenzymen entsteht. Gerade der Hauptkalorienträger Fett, einschließlich der fettlöslichen Vitamine ( A,D,E,K) kann dann nicht mehr ausreichend verwertet werden. Die Passagezeit im Dünndarm ist meist beschleunigt. Da bei noch vorhandenem Magen eine "Säure-Barriere" für die Passage von Bakterien bestand, kann nun auch eine bakterielle Fehlbesiedlung des Dünndarms mit Beschwerden wie Durchfällen eintreten. Daher sollen möglichst nur hygienisch einwandfreie und unbedenkliche Speisen gewählt werden.

Ernährungsziele und Lebensführung

In der Anfangsphase nach Magenentfernung (Anschlussheilbehandlung) kommt es zunächst darauf an, lokale, narbenabhängige Beschwerden zu lindern, schmerzbedingten Schonhaltungen vorzubeugen und durch angemessene Übungsprogramme den Erhalt der körperlichen Leistungsfähigkeit zu fördern. Gleichzeitig ist die Verbesserung der Nahrungsaufnahme und -verwertung im Darm mit dem Ziel einer längerfristigen Gewichtsstabilisierung das Hauptziel nach Tumor-Magenentfernung (Tab. 1).

 Tabelle 1: Allgemeine Ernährungsempfehlungen nach Gastrektomie:

  • Ca. 40 Kcal pro kg Körpergewicht / Tag
  • Bevorzugung leicht verdaulicher Proteine (~15-20% Protein)
  • Bevorzugung fettarmer Lebensmittel, evt lMCT-Fette (~ 30% Fette)
  • Bevorzugung komplexer Kohlenhydrate (~ 50%)
  • Vitamin- und calciumreiche Nahrung
  • Ausreichend Ballaststoffe
  • Substitution von Vit. B12, Eisen , Vitamin D, evt l. Calcium

Etwa 6 bis 10 kleine Mahlzeiten werden fortan über den Tag verteilt. Durch das anfängliche Führen von Ernährungsprotokollen sind zusätzlich Kalorienberechnungen möglich und sinnvoll. Diese können dem Betroffenen helfen, sein tägliches Nahrungsangebot mengenmäßig besser zu strukturieren. Doch nicht nur der Förderung ernährungsbezogener Lebensqualität kommt dabei Bedeutung zu: Lebenswillen und Lebensqualität sind in dieser Situation in hohem Maße von einem unterstützenden sozialen Gefüge abhängig.

Ernährungspsychologisch geht es darum, den Teufelskreis aus vermeidendem Essverhalten, Furcht vor nahrungsabhängigen Beschwerden und verminderter Nahrungszufuhr zu durchbrechen. Gefahr droht in zu einseitiger Ernährung, die zwar "gut vertragen" wird, aber längerfristig zu isolierten Nährstoffdefiziten, Kalorien-Unterversorgung und Untergewichtigkeit (Kachexie) führt (Abb. 3).

Abb.3 Teufelskreis der zu Untergewichtigkeit führt
Abb.3 nach: Goebell 1978    


Empfohlen werden nach totaler Magenentfernung etwa 40 Kcal pro kg Körpergewicht und Tag, bevorzugt Eiweiße, bei Fettunverträglichkeit fettarme Lebensmittel und dazu überwiegend komplexe Kohlehydrate (Tab. 1)

Eine ausreichende Calcium- und Vitamin-D-Zufuhr ist zur Vorbeugung einer Osteoporose (Knochenkalksalzvermindedrung) besonders für Magenoperierte wichtig, da beide Substanzen im Dünndarm vermindert ins Blut aufgenommen werden. Milchprodukte wie Quark, Joghurt oder Käse können den größten Teil des täglichen Calciumbedarfs decken, werden aber aufgrund ihres verschiedenen Gehaltes an Milchzucker (Lactose) von Magenlosen sehr unterschiedlich vertragen. Grund: Das aus der Bauchspeicheldrüse vermindert abgegebene Enzym Lactase kann den aufgenommenen Milchzucker nicht ausreichend zerlegen, er verbleibt im Darm, wo er abführend wirkt und Durchfälle bewirkt. Daher sollten Milchprodukte mit geringem Lactosegehalt nach Magenoperation bevorzugt werden. Zur Verhinderung einer Blutarmut (Anämie) muss nach teilweiser oder totaler Magenoperation etwa alle 1-2 Monate eine Vitamin-B-12-Injektion intramuskulär erfolgen. Da normalerweise die Eisenaufnahme im Dünndarm säureabhängig ist, nun aber keine Magensäure mehr zur Verfügung steht, kann - abhängig von Labortests - eine bedarfsorientierte Gabe eines Eisenpräparates erfolgen.

Folgende Nahrungsmittel werden von Magenlosen häufig schlecht vertragen:

Unreife, unzerkleinerte Rohobstsorten, Nüsse, grobe Kohlgemüse, Hülsenfrüchte, Sojabohnen, fettgesottene oder scharf gebratene Speisen, frisches Brot, Blätterteig, fette oder süße Backwaren, Süßigkeiten, fette Fleisch- und Fischzubereitungen, Bohnenkaffee, kohlensäurehaltige Getränke, Limonaden, stark saure Fruchtsäfte, panierte oder stark gewürzte Speisen, hocherhitzes Fett.

Dagegen haben sich folgende Kostformen für Magenlose bewährt:
  • Vegetabile Rohkost in verträglicher Form
    Wenig saure Obst-, Möhren-, Selleriesäfte Feingeriebenes, wenig saures Obst, Karotten, Melonen, pürrierte Beeren, geschlagene Bananen, zarte Blattsalate

  • Fette mit niedrigem Schmelzpunkt
    Frische Sahne, Butter, Margarine, Kokosfett, evtl. MCT-Fette (Mittelkettige Triglyceride)

  • Zartes fettarmes Fleisch

  • Vollkornnahrung
    Haferflockenschleim, Müsli, Weizenschrotbrei, Hirsebrei, Vollkornzwieback, Knäckebrot, feinkrumige Brote aus feingeschrotenem, abgelagertem Weizen

  • Röststofffreie Kaffeesorten

 Tabelle 2: 10 Ernährungsregeln für Magenlose

  1. Langsam essen, Zeit nehmen
  2. Gut kauen
  3. 6-10 Mahlzeiten am Tag
  4. Kleines Nahrungsvolumen
  5. Kalorisch hochwertige Kost
  6. Trinken nur zwischen den Mahlzeiten
  7. Nicht zu heiß oder zu kalt
  8. Nicht stark geräuchert oder gepökelt
  9. Nicht zu süß oder zu salzig
  10. Verwendung hygienisch einwandfreier Ware