Bericht von der 8. Konsensus-Konferenz St. Gallen 2003 PD Dr. med. C. Jackisch, Klinik für Gynäkologie, Gynäkologische Endokrinologie u. Onkologie, Klinikum d. Philipps-Universität Marburg Woher weiß ich, dass meine Behandlung richtig ist......Bedauerlicherweise haben wir in unserem Lande noch keine flächendeckende Qualitätssicherung für die Brustkrebsbehandlung, die jeder Frau überall zu jeder Zeit die gleiche Behandlung ermöglicht. Die optimale Lösung wird die derzeit überall angestrebte Etablierung von qualifizierten und zertifizierten Brustzentren darstellen. Aber wie funktioniert eigentlich die Mehrung von Wissen, die Integration neuer Erkenntnisse aus Grundlagenforschung und klinischer Forschung in die direkte routinemäßige Krankenversorgung, von der jede Frau überall zu jeder Zeit profitieren kann. Konsensus des amerikanischen National Institute of Health (NIH) Hierzu gibt es seit vielen Jahren in den U.S.A nationale Behandlungsrichtlinien, die vom National Institute of Health (NIH) erarbeitet werden, und ebenso häufig Eingang in unsere Behandlung finden. Diese Empfehlungen wurden zuletzt im November 2000 aktualisiert und veröffentlicht und bildeten den Beginn einer Reihe von weiteren Konferenzen, die mit Hilfe der neuen Medien sehr schnell weltweite Verbreitung und Beachtung erfahren haben. Die wesentlichen Punkte dieser Empfehlungen zur systemischen Therapie des Brustkrebses (adjuvante (unterstützende) Therapie) sind in der folgenden Übersicht zusammengefasst: Prof. Dr. med. J. H. Hartlapp, Klinik f. Onkologie, Hämatologie, Immunologie, Klinikum Osnabrück
Operative Therapie Die operative Brustkrebsbehandlung hat sich in den letzten Jahren sehr verbessert, die Radikalität der Operationen ist, in Abhängigkeit des Tumorstadiums bei Diagnosestellung, deutlich zurückgegangen. Mit Recht kann heute die brusterhaltende Therapie in aller Regel in Kombination mit einer Strahlentherapie angestrebt werden. Sentinel-Lymphknoten-Biopsie Neuerungen sind dagegen durch die Einführung der Bestimmung des "Wächter-Lymphknotens" (Sentinel-Lymphknoten-Biopsie) zu erwarten. Viele Frauen fürchten zu Recht die Folgen der operativen Entfernung der Lymphknoten aus der Achselhöhle und die damit verbundenen Einschränkungen (Lymphödem, Sensibilitätsverluste, Bewegungseinschränkungen, Schmerzen etc.). In den Fällen, in denen bei der klinischen Untersuchung keine vergrößerten Lymphknoten zu tasten sind, ist es möglich mit Hilfe der "Sentinel-LymphknotenBiopsie" einem Teil der Patientinnen die Entfernung der Achsellymphknoten zu ersparen. Bei dieser Methode wird vor der operativen Entfernung des Brusttumors um den Knoten eine geringe Menge eines radioaktiven Stoffes oder auch ein Farbstoff, ähnlich wie bei der Knochenszintigraphie, injiziert und mit einer entsprechenden Sonde zu einem späteren Zeitpunkt im Bereich der Achsel "gemessen". Hat nun der erste axilläre Lymphknoten (Wächter-Lymphknoten) Radioaktivität gespeichert, so kann dieser über einen kleinen Hautschnitt entfernt werden und vom Pathologen untersucht werden. In den Fällen, in denen der Pathologe keine Tumorzellen in diesem (oder diesen) Lymphknoten findet, kann von einer weiteren Entfernung der axillären Lymphknoten abgesehen werden. Finden sich allerdings Tumorzellen in diesen Lymphknoten, so sollte eine operative Lymphknotenentfernung unbedingt durchgeführt werden. Zur Antihormontherapie lesen Sie bitte den Artikel auf Seite 18. Empfehlungen zur Chemotherapie Eine Chemotherapie ist in nahezu jeder Situation von Vorteil, wenn keine Möglichkeit zur antihormonellen Therapie besteht. Das ist immer der Fall, wenn keine positiven Hormonrezeptoren nachgewiesen werden können. Es gibt allerdings auch Situationen, in denen auf eine adjuvante (unterstützende) Therapie (Antihormonbehandlung und / oder Chemotherapie) verzichtet werden kann. Hierfür müssen alle der folgenden Faktoren zusammen vorliegen:
Antikörpertherapie mit Trastuzumab in der adjuvanten (unterstützenden) Situation Das bei der Behandlung des metastasierten Brustkrebs bei HER-2-positiven Tumoren heute unverzichtbar gewordene Medikament Trastuzumab sollte außerhalb klinischer Studien in der adjuvanten Situation derzeit noch keine Anwendung finden. (In Deutschland besteht die Möglichkeit, dieses Medikament in einer dreiarmigen Studie (HERA-Studie) entweder für ein Jahr, oder für zwei Jahre alle drei Wochen intravenös zu erhalten. Ein Drittel der Patientinnen erhält in dieser Studie allerdings kein Medikament. Alle Patientinnen haben aber eine Standard-Therapie (bestehend aus einer Chemotherapie oder einer antihormonellen Therapie) im Anschluss an ihre Operation bereits erhalten.) Ausblick Die Daten, die in diesem Jahr in St. Gallen vorgestellt wurden, haben die Behandlung des Mammakarzinoms ohne Frage bereichert und sicherer gemacht. Es hat sich gezeigt, dass das Prinzip der "Gießkannentherapie" zu Gunsten einer maßgeschneiderten individualisierten Therapie verlassen wurde. Somit können Unter- genauso wie unnötige Übertherapien vermieden werden. Allerdings gilt es zu bedenken: Ein auf einer derart großen Konferenz formulierter Konsens kann immer nur die kleinste gemeinsame Übereinstimmung von vielen Experten beinhalten. Viele, in definierten Situationen zu berücksichtigende Faktoren können unterschiedliche Therapieentscheidungen begründen. Weiterhin gilt aber, dass die vielen offenen Fragen nur durch eine vermehrte Behandlung unserer Patientinnen in klinischen Studien erfolgen kann. Diese Behandlung ist kein Experiment sondern derzeit die optimale Form einer qualitätsgesicherten Therapie, die besondere Qualifikationsanforderungen an die Ärztinnen und Ärzte bedeutet, die Sie behandeln. |