Schwerpunkt: Supportivtherapie   
 Behandlung der Blutarmut gehört dazu

Interview mit Prof. Dr. Hartmut Link, Vorstandsmitglied im Arbeitskreis Supportive Maßnahmen in der Onkologie (ASO) innerhalb der Deutschen Krebsgesellschaft e.V., Leiter der Arbeitsgruppe hämatopoetische Wachstumsfaktoren und Chefarzt der Medizinischen Klinik I der Westpfalz Klinik Kaiserslautern, zur Bedeutung der Anämietherapie bei Krebspatienten

1. Die Verbesserung der Lebensqualität ist eines der Hauptziele beim Einsatz supportiver also unterstützender oder begleitender Maßnahmen in der Krebsbehandlung. Welchen Stellenwert haben diese Maßnahmen?

Der Einsatz von Supportiva ist heute aus der Krebstherapie nicht mehr wegzudenken. Sicherlich ist es richtig, dass die Verbesserung der Lebensqualität dabei eine zentrale Rolle spielt. Allerdings ist es nicht das einzige Ziel. Die Supportivtherapie in der Onkologie umfasst eine Vielzahl von Maßnahmen. Dazu gehören Medikamente gegen Erbrechen und Übelkeit genauso wie die psychosoziale Betreuung, eine Ernährungstherapie oder die Schmerz- und Anämiebehandlung und vieles mehr.


2. Stichwort Anämietherapie: Viele Krebspatienten wissen gar nicht, dass ihre quälenden Erschöpfungszustände - im Fachjargon Fatigue (franz. Müdigkeit) genannt - häufig auf eine erkrankungsoder therapiebedingte Blutarmut (Anämie) zurückzuführen sind und eigentlich gut behandelbar sind. Fehlt eine entsprechende Informations- oder Aufklärungsarbeit bei Ärzten und Patienten?

Das ist grundsätzlich wohl richtig. Allerdings gibt es durchaus Anzeichen dafür, dass sich dies zu ändern beginnt. Bei den Ärzten hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan und manch einer, der früher das "bisschen Müdigkeit" seiner Patienten lapidar abtat, sieht heute ein, dass die Anämie-bedingte Fatigue eine ernst zu nehmende Begleiterscheinung ist, die behandelt werden muss. Schließlich haben zahlreiche wissenschaftliche Studien bewiesen, dass eine Anämietherapie die Lebensqualität der Krebspatienten erheblich verbessern kann. Was die Patienten anbetrifft, da sehe ich durchaus noch großen Informationsund Aufklärungsbedarf. Allerdings gibt es auch hier positive Entwicklungen: so hat der Krebsinformationsdienst in Heidelberg bereits im vergangenen Jahr ein Fatigue Informationstelefon eingerichtet. Dort können sich Patienten drei Mal pro Woche beraten lassen (Tel. am Ende/Anm. der Redaktion). Demnächst wird die Deutsche Krebsgesellschaft eine aktualisierte Fatigue Broschüre vorlegen. Es geht also voran und für viele Patienten ist es einfach wichtig zu wissen, dass sie mit ihren Symptomen nicht allein sind.

3. Was raten Sie Krebspatienten, die vermuten an Fatigue zu leiden, aber unsicher sind, das Thema anzusprechen?

Hier muss die Initiative eindeutig vom behandelnden Arzt ausgehen. Er sollte seine Patienten genau beobachten und im Verdachtsfall konkret nachfragen und entsprechende klinische Untersuchungen vornehmen. Wichtig scheint mir auch, Patienten über Fatigue und seine Ursachen aktiv zu informieren. Denn oft werden die Symptome von den Betroffenen fälschlicherweise als ein Fortschreiten der Krebserkrankung missinterpretiert. Das verursacht unnötige Ängste.

4. Die medikamentöse Behandlung einer anämiebedingten Fatigue verbessert nachweislich die Lebensqualität von Krebspatienten, möglicherweise hat sie sogar einen Einfluss auf die Überlebenszeit. Auf der anderen Seite verunsichert der zunehmende Kostendruck im Gesundheitswesen Ärzte und Patienten gleichermaßen. Gibt es Supportivmaßnahmen wie die Anämiebehandlung bald nur noch für Privatpatienten?

Leider erschwert der Kostendruck im Gesundheitswesen zunehmend den Einsatz von Supportiva, wie zum Beispiel dem Wirkstoff Erythropoetin. Er wird zur Behandlung von anämiebedingter Fatigue eingesetzt. Das Medikament ist nicht gerade billig, aber dafür äußerst wirksam. Man kann sich schon fragen, warum viele Wirkstoffe mit unbewiesener Wirkung oft problemlos erstattet werden, der Einsatz eines hochwirksamen Medikaments, das die Lebensqualität von Krebspatienten nachweislich verbessert, aber manchmal erschwert wird. Meines Erachtens sollten Supportiva mit wissenschaftlich bewiesener Wirkung aus den von Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen festgelegten Arzneimittelbudgets herausgenommen werden. Sie sollten ein eigenes Budget erhalten. Auf der anderen Seite gilt es dann aber auch in der onkologischen Behandlung ein standardisiertes Therapiemanagement zu etablieren, das qualitätsorientiert und kostenbewusst das Wohl des Patienten, egal ob Privat oder Kasse, in den Mittelpunkt stellt.


 Informationen zu Fatigue und zu Supportivmaßnahmen allgemein:
Für Patienten:
Fatigue Informationsdienst am Deutschen Krebsforschungszentrum (FIT)
Mo, Di und Fr 16.00-19.00 Uhr
Tel. 0 62 21 / 42 43 44
Ab Juni 2003: Patienten Broschüre zu Fatigue

Für Ärzte:
www.onkosupport.de, www.onkodin.de
zu beziehen über:
Deutsche Krebsgesellschaft e.V.
Hanauer Landstraße 194
60314 Frankfurt/Main
Tel.: 0 69 / 63 00 96-0
Fax: 0 69 / 63 00 96-66
Email: service@krebsgesellschaft.de
www.krebsgesellschaft.de