Therapie & Forsch.   
 Aufklärungsgespräch
Ein sensibles Thema zwischen Therapeut und Patient

Im Rahmen des sogenannten Aufklärungsgespräches erfolgt in aller Regel der erste Kontakt zwischen Therapeut und Patient. Obwohl es mittlerweile Studien gibt, die zeigen, dass ein Großteil der Informationen im Erstgespräch beim Patienten verloren gehen, "prägt" das Erstgespräch in vielen Fällen die gesamte weitere Arzt-Patienten-Beziehung. Wichtig ist, dass das Aufklärungsgespräch in ruhiger Atmosphäre ohne Zeitnot durchgeführt wird.

Es sollte nicht durch Telefonate unterbrochen werden oder dadurch, dass der aufklärende Arzt mehrfach herausgerufen wird, um zum Beispiel Therapienentscheidungen oder Patienteneinstellungen vorzunehmen. Ein allgemeine Empfehlung, wie lange das Erstgespräch dauern sollte, kann nicht verbindlich gegeben werden. Selbstverständlich wird eine Standardbehandlung kürzere Zeit in Anspruch nehmen, als beispielweise die Aufklärung über ein multimodales Behandlungskonzept bei einem fortgeschrittenen Lungenkrebs. Auf jeden Fall ist ein Aufklärungsgespräch, das nur 2 bis 3 Minuten dauert, in aller Regel inadäquat. Im Aufklärungsgespräch wird nicht nur über die Behandlung aufgeklärt und über Nebenwirkungen gesprochen; es muss der gesamte Ablauf der Behandlung in verständlicher Form dem Patienten erklärt werden. Sollte es Alternativmethoden geben, die zu ähnlichen Ergebnissen führen, müssen diese dem Patienten genannt werden. Ihr Einverständnis zur Behandlung sollte unbedingt in schriftlicher Form erfolgen. Der Patient hat das Recht, den unterschriebenen Bogen zum Beispiel in Kopie mit nach Hause zu nehmen. Der Patient muss sich auch nicht abgesehen von Notfällen - am selbigen Tage entscheiden; ihm steht das Recht zu, sich eine weitere oder eine dritte Meinung einzuholen. Die Entscheidung, welche Therapie zum Zuge kommt, trifft der Patient; der Arzt vermittelt nur die Information über die einzelnen Behandlungsmöglichkeiten.

Viele Patienten erscheinen zum Erstgespräch mit einem Familienangehörigen oder einer anderen Person ihres Vertrauens und wünschen, dass die Begleitperson am Gespräch teilnimmt. Dies sollte immer akzeptiert werden und ist auch zu empfehlen. Das Aufklärungsgespräch muss für jeden Patienten verständlich sein und die für die Therapieentscheidung wichtigen Informationen enthalten. Dazu kann es im Einzelfall nötig sein, die Aufklärung in mehreren Stufen vorzunehmen, das heißt, auch in mehreren Sitzungen. Teilweise ist dies sogar notwendig, falls Unterlagen fehlen, wichtige Untersuchungen nachgeholt werden müssen oder die Gesamtbehandlung auf einer interdisziplinären Tumorkonferenz abgestimmt werden soll. Wichtig ist, dass das Aufklärungsgespräch von Vertrauen und Wahrhaftigkeit bestimmt ist. Der Patient hat ein Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren und es bedarf viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung des Therapeuten, abzuschätzen, was dem Patienten im Erstgespräch, zum Beispiel bei einer sehr schlechten Prognose, zuzumuten ist. Auch in dieser Situation muss das, was der Arzt sagt, wahrhaftig sein. Dies erfordert nicht, dass der Arzt dem Patienten im Erstgespräch unaufgefordert die schlechte Prognose "vor den Kopf wirft". Viele Patienten brauchen Hoffnung, um weiterleben zu können und um die meist langwierige Therapie zu bewältigen. Diese Hoffnung sollte man dem Patienten nie nehmen, da gerade in der Krebsmedizin prognostische Einschätzungen im Einzelfall mit einer sehr großen Unsicherheit behaftet sind, die niemand exakt einschätzen kann und viele Patienten, die länger leben, als nach der Literatur im Durchschnitt zu erwarten wäre, dies vielleicht nur durch ihren Glauben, ihre Hoffnung, bzw. ihre innere Stärke erreicht haben. Auf der anderen Seite muss einem Patienten, der dezidiert nach der Prognose fragt, diese mitgeteilt werden, auch wenn sie schlecht ist.

Insgesamt gehört das Aufklärungsgespräch zu den wichtigsten ärztlichen Tätigkeiten und sollte ausnahmslos von erfahrenen Ärzten - am ehesten von Fachärzten - durchgeführt werden.