Schwerpunkt: Palliativmedizin   
 
Palliativtherapie in der onkologischen Praxis

Bei 350.000 neu aufgetretenen Krebserkrankungen pro Jahr können ca. 45% der Erkrankten durch eine Operation, ergänzt durch eine Strahlen- und/oder in zunehmendem Maße durch Chemotherapie geheilt werden.

Bei 55% der an Krebs erkrankten Menschen ist eine Therapie mit dem Ziel einer Heilung nicht mehr möglich, die Behandlung ist dann palliativer Natur. Das Ziel einer Palliativtherapie ist es, Beschwerden durch frühzeitiges Erkennen, richtiges Einschätzen und Behandeln zu lindern und Zeit zu gewinnen, die vom Patienten als lebenswert und gewinnbringend empfunden wird.

Zu unterscheiden ist hierbei zwischen den direkt gegen den Tumor gerichteten Verfahren wie Operation, Bestrahlung, medikamentöse Therapie mit Zytostatika, Hormonen und Antikörpern und den ergänzenden supportiven (unterstützenden) Maßnahmen wie Schmerztherapie, Infektionsbehandlung, Vorbeugung von Übelkeit und Erbrechen, Behandlung einer Blutarmut sowie insbesondere einer psychosozialen Betreuung, die bis zur Sterbebegleitung reicht . Zur Palliativtherapie einer fortgeschrittenen Krebserkrankung gehört eine onkologische Therapie im Sinne einer Chemotherapie, Hormontherapie oder eine Immuntherapie, wenn damit die Chance auf eine Rückbildung oder zumindest auf einen Stillstand eines Tumors verbunden ist. Das Ansprechen ist häufig eine Vorraussetzung für eine Besserung der durch den Tumor verursachten Symptome.

Ohne umfangreiche Kenntnis der Inneren Medizin mit Bewertung begleitender Erkrankungen, der allgemeinen und besonders der internistischen Onkologie, einer langjährige Erfahrungen mit den verschiedenen Therapiemaßnahmen sowie einer Kooperationsbereitschaft mit anderen Fachdisziplinen ist eine gute palliative Behandlung nicht möglich. Mehr als 90% aller palliativ zu versorgenden Krebserkrankungen können ambulant behandelt werden. Die Entwicklung zur modernen ambulanten Tumortherapie wurde durch eine Vielzahl verträglicher Krebsmittel bei guter Wirksamkeit ermöglicht, welche meist als Infusion über Minuten bis mehreren Stunden verabreicht werden, manchmal auch in Tablettenform eingenommen werden können.

Erleichtert, teils erst ermöglicht, wird die Durchführung der Therapie durch den Einsatz implantierbarer Portsysteme, welche unter Schonung der venösen Blutgefäße z.B. an den Unterarmen eine kontinuierliche zytostatische Behandlung über 24 Stunden sicher und komplikationsarm auch in häuslicher Umgebung zulassen.

Fortschritte in der begleitenden supportiven Therapie, über die im letzten Heft dieser Zeitschrift ausführlich berichtet wurde, führten zu einer erheblichen Minderung der Nebenwirkungen, insbesondere von Übelkeit und Erbrechen während der Therapie. Seit Einführung neuer Medikamente Anfang der 90er Jahre sind Brechschalen aus dem onkologischen Inventar weitgehend verschwunden. Bei der Behandlung des verzögerten Erbrechens, welches erst einige Tage nach der Therapie einsetzt, versprechen neu eingeführte Medikamente eine weitere Bereicherung.

Bei verschiedenen Krebsarten ist es sinnvoll, die Therapie nicht in 3-4wöchentlichen Abständen zu verabreichen, sondern gestückelt in wöchentlichen Intervallen. Bei insgesamt identischer Dosis ist die Verträglichkeit besser, die Nebenwirkungen geringer. Eine länger dauernde Verminderung der weißen Blutkörperchen (Leukozyten), welche zu einer erhöhten Infektanfälligkeit führt, wird durch eine kurze Therapiepause vermieden. Meist kann so auf die Gabe von Wachtumsfaktoren, welche die Zeitdauer einer kritischen Leukozytenverminderung verkürzen, verzichtet werden. Bei Auftreten einer fieberhaften Infektionen im ambulanten Bereich sind die Erreger in der Regel empfindliche Keime, die durch Einnahme eines breit wirksamen Antibiotikums rasch zu beherrschen sind.

Regelmäßig muss während der Therapie überprüft werden, ob das Behandlungsziel, eine Verbesserung der Lebensqualität, mit der gewählten Therapie erreichbar ist. Nimmt der Appetit zu, bessert sich das Befinden und nehmen die Schmerzen ab?
Zur Behandlung tumorbedingter Schmerzen sind frühzeitig und ausreichend Schmerzmittel einzusetzen. Die moderne Schmerztherapie erleichtert eine ambulante Behandlung und macht den Patienten unabhängig von Spritzen oder Infusionen. Durch die regelmäßige Einnahme von Schmerzmitteln mit Langzeitwirkung oder dem Aufkleben von Schmerzpflastern auf die Haut, evtl. zusätzlicher Einnahme rasch wirksamer Schmerztropfen, ist eine Linderung, in vielen Fällen eine weitgehende Schmerzfreiheit zu erreichen. Die Wirkung der Schmerzmittel kann durch begleitende entzündungshemmende und stimmungsaufhellende Medikamente ergänzt werden.

Die Angst vieler Tumorpatienten, eventuellen Schmerzen hilflos ausgeliefert zu sein, ist bei den heute verfügbaren vielfältigen Möglichkeiten meist unbegründet.
Zu einer verantwortungsvollen Palliativtherapie gehört auch das Eingeständnis, dass der Tumor nicht oder nicht mehr auf eine kausale Therapie anspricht. Wachsender Gesprächsbedarf in Folge einer ehrlichen Aufklärung über symptomatische, lindernde Maßnahmen tritt dann in den Vordergrund. Die individuelle Begleitung des Patienten und seiner Familie unter Beachtung all seiner Bedürfnisse erfordert auf diesem Weg ein besonders enges Zusammenwirken von Hausarzt, geschulten Pflegekräften und dem betreuenden Onkologen.

Dank des medizinischen Fortschritts können viele Krebsleiden geheilt werden, dank moderner Behandlungsmethoden sind viele Krebsleiden in zunehmendem Maße zu chronischen Erkrankungen geworden, bei denen die betroffenen Patienten teilweise über viele Jahre ganzheitlich schulmedizinisch betreut werden können.

Eine ambulante Therapie ist für viele Krebsbetroffene ein Angebot, welches eine enge beiderseitige Kooperation erfordert, die es dem Patienten ermöglicht, von Beginn der Therapie an einen vertrauten Ansprechpartner und Wegbegleiter unter weitgehender Wahrung des vertrauten häuslichen und sozialen Umfeldes zu haben.

Internet-Adressen niedergelassener Onkologen:
www.bnho.de
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