Therapie & Forsch.   
  Bisphosphonate in der Behandlung von Knochenmetastasen

Der gesunde Knochen besteht aus einem geordneten Grundgerüst (Knochenmatrix) , das große Mengen von Kalkmineralien, organischem Material und zahlreiche hochspezialisierte Zellen enthält. Knochen bestehen aus organischen und anorganischen Substanzen. Die organische Grundsubstanz macht etwa ein Drittel der Knochenmatrix aus. Bei den restlichen zwei Dritteln handelt es sich um Mineralsalze, das wichtigste ist Kalzium. Die Knochenzellen, die für den Auf- und Abbau der Knochenmatrix verantwortlich sind, werden nach ihrer Funktion unterschieden in Osteoklasten, Osteoblasten und Osteozyten. Osteoklasten bauen den Knochen ab indem sie dem Knochen Mineralien entziehen, die Knochenmatrix auflösen und eine Vertiefung (so genannte Lakune) bilden. Osteoblasten bauen den Knochen auf. Die in die Lakune einströmenden Osteoblasten bilden eine aus Grundsubstanz und Kollagenfasern (Typ I) bestehende Matrix, welche den resorbierten Knochen ersetzt und die Lakune auffüllt. In die zunächst rein organische Matrix werden wieder Kalkmineralien eingebaut, die dem Knochen seine Härte und Festigkeit verleihen. Eines der beteiligten Hormone ist das Parathormon, das die Nebenschilddrüse produziert, wenn der Kalziumspiegel im Blut sinkt. Es regt die Osteoklasten an, Kalzium aus den Knochen zu lösen und ins Blut abzugeben, damit der Kalziumspiegel wieder steigt. Zur gleichen Zeit bemüht sich der Körper, aus dem Darm mehr Kalzium aufzunehmen. Hierbei spielt das Vitamin D der Niere eine entscheidende Rolle. Ein weiteres Hormon, das Kalzitonin aus der Schilddrüse, wirkt dem Parathormon entgegen. Es bremst die Tätigkeit der Osteoklasten und dient dem Knochenaufbau. Auch die Sexualhormone Östrogen und Testosteron sind an den Umbauprozessen beteiligt, indem sie die Bildung und die Wirkung der für den Knochenstoffwechsel notwendigen Hormone beeinflussen. Beim Mann wie bei der Frau geht der Entzug der Geschlechtshormone langfristig mit einer Schwächung der Knochenstruktur (Osteoporose) einher. Dadurch steigt das Risiko, Knochenbrüche (Frakturen) zu erleiden.

Schaubild Knochen mit Blutgefäßen, Knochenmark und Knochenhaut welche die Osteoblasten enthält
Die Knochen, besonders die gut durchbluteten Knochenmarksräume, bieten ideale Wachstumsbedingungen für die Krebszellen. Verschiedene Tumorarten haben eine unterschiedlich starke Neigung zur Bildung von Knochenmetastasen: Etwa 80 Prozent aller Knochenmetastasen stammen von einem Mamma- oder Prostatakarzinom, aber auch Zellen vom Lungenkarzinom oder vom multiplen Myelom, einem speziellen Blutkrebs, siedeln sich häufig in den Knochen an. Besonders betroffen sind Rippen, Wirbelsäule, Becken, Schädel und die Bereiche der Extremitäten, die an den Körperstamm angrenzen.
Die Knochenmetastasen erhöhen das Risiko für Skelettkomplikationen und können insbesondere im fortgeschrittenen Stadium sehr belastend sein. Es kommt zu starken Knochenschmerzen sowie Einschränkungen der Mobilität und damit zu erheblichen Auswirkungen auf den Alltag. Darüber hinaus drohen Knochenbrüche, wie Schenkelhalsfrakturen im Oberschenkel, Rippenbrüche oder Brüche von Knochen der Wirbelsäule. Im Bereich der Wirbelsäule ist darüber hinaus eine Einengung des Wirbelkanals möglich, die mit Quetschungen des Rückenmarks und Symptomen einer Querschnittslähmung einher gehen kann.

Die frühe Behandlung von Skelettmetastasen kann belastende Schmerzen und ernste Komplikationen vermeiden. Neben den üblichen Krebsbehandlungen, wie Strahlen-, Chemo- oder Hormontherapie, spielen Bisphosphonate in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Sie verhindern direkt den Knochenabbau.

Diese Medikamente lagern sich auf Grund ihrer chemischen Struktur zunächst an der Knochenmatrix ab, werden dann von den aktivierten, Knochen abbauenden Osteoklasten aufgenommen und hindern diese an der weiteren Zerstörung des Knochengewebes. Dadurch lassen sich Folgeerscheinungen, wie Schmerzen, Brüche und erhöhte Kalziumspiegel, deutlich mindern. Darüber hinaus können die Bisphosphonate dazu beitragen, die Notwendigkeit für eine Strahlentherapie, einen chirurgischen Eingriff oder Schmerzmittel zu reduzieren. Die Substanzen sind in den letzten 30 Jahren für verschiedene Knochen- und Kalziumstoffwechselkrankheiten entwickelt und ständig optimiert worden. Moderne Präparate schützen vermutlich nicht nur die Knochen, sondern bekämpfen auch den Krebs. Allen Bisphosphonaten ist gemein, dass sie einem körpereigenen Stoff ähneln, dem Pyrophosphat. Ihre chemische Struktur ist jedoch jeweils leicht verändert, um sie weniger anfällig gegenüber Abbauprozessen im Körper zu machen und damit ihre Wirksamkeit zu verbessern. In diesen chemischen Änderungen, den so genannten Seitenketten des Grundmoleküls, unterscheiden sich die derzeit zur Verfügung stehenden Bisphosphonate. Die Vertreter der ersten Generation enthielten noch einfache Seitenketten ohne Stickstoffatom. Zu den Weiterentwicklungen gehörte zunächst die Einführung eines Stickstoffatoms sowie später einer Stickstoffhaltigen Ringstruktur in die Seitenkette. Mit dem neuesten Bisphosphonat, steht nun der erste Vertreter einer dritten Generation zur Verfügung. Es enthält in der Seitenkette eine Ringstruktur mit zwei Stickstoffatomen. Chemische Änderungen verbessern Wirksamkeit und Verträglichkeit. Durch die chemischen Änderungen ließ sich die Wirkung der Bisphosphonate immer weiter optimieren. Entsprechend ist die zweite Generation der Bisphosphonate unter den bisher bekannten Bisphosphonaten das mit der stärksten. Während osteolytische Metastasen anderer Tumore bereits in der Vergangenheit relativ gut mit Bisphosphonaten behandelt werden konnten, sprechen die osteoblastischen Metastasen des Prostatakarzinoms erst auf die neuentwickelten Bisphosphonate erfolgreich an.

Bei Skelettmetastasen und Tumor-induzierten Hyperkalzämien ist die intravenöse Gabe von Bisphosphonaten die Standardtherapie. Dank der Steigerung der Effektivität war es möglich die Dosis zu reduzieren. So müssen moderne Bisphosphonate beispielsweise nur noch einmal monatlich als Infusion gegeben werden, was normalerweise nicht länger als eine Viertelstunde dauert. Die Einnahme von Bisphosphonaten als Tablette ist möglich, jedoch nicht bei allen Metastasenformen wirksam.