Spezial Lungenkrebs   
 Behandlungsstandards beim Lungenkrebs

Der Lungenkrebs ist einer der bösartigsten Tumoren des Menschen mit unbefriedigenden Therapieergebnissen. Eine standardisierte Vorsorge bzw. Früherkennung fehlt (wie z. B. die Mammographie beim Mammakarzinom). Die meisten Tumoren werden durch das Rauchen verursacht, so dass die Nikotinkarenz die beste Schutzmaßnahme gegen diesen Tumor darstellt. Auch Raucher, die jahrelang Zigaretten inhaliert haben, besitzen bereits nach wenigen Jahren ein deutlich geringeres Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, wenn sie das Rauchen aufgeben. Sie erreichen jedoch nie das Risikoprofil eines Nichtrauchers. Dennoch lohnt es sich auch nach vielen Jahren mit dem Rauchen aufzuhören, da sich bereits nach wenigen Wochen die chronische Bronchitis und die Lungenfunktion deutlich bessern.

Briefmarke gegen Rauchen: lotta contro il fumo
Liegt ein Tumor vor, ist es wichtig, diesen histologisch-feingeweblich abzuklären. Dazu muss eine Probe aus dem Tumorbereich entnommen werden.

Der Lungenkrebs wird in zwei große Untergruppen eingeteilt, und zwar in den kleinzelligen und nichtkleinzelligen Typ, wobei die meisten Lungenkrebse nichtkleinzellige Bronchialkarzinome sind.
Die Unterscheidung ist wichtig, da beide Untergruppen unterschiedlich behandelt werden.

Nach feingeweblicher Sicherung eines Lungenkrebses wird durch eine entsprechende Umfelddiagnostik aus Blutuntersuchung, Bildgebung – mittels Computertomographie vom Brust- und Bauchraum, Ganzkörperskelettszintigramm, evtl. auch Positronen-Emissionstomographie und Mittelfellspiegelung – festgestellt, inwieweit der Tumor in die Lymphknoten oder in andere Organe gestreut hat.

Bei der Mittelfellspiegelung handelt es sich um einen kleinen operativen Eingriff, der in der Regel mit einer Bronchienspiegelung kombiniert wird. Über einen Hautschnitt am Hals werden alle wichtigen Lymphdrüsen des Mittelfellraums entfernt. Hierdurch erhält man verlässliche Informationen über das Stadium der Erkrankung. Dies ist für die korrekte Behandlungsplanung unerlässlich.

CT-Bilder eines Tumors in der rechten Lunge Tumor in der rechten Lunge. Links CT-Bild des sogenannten "Lungenfensters" und rechts im sogenannten "Weichteilfenster"
Ist dies bekannt, kann der Tumor eingruppiert werden. Es existieren wie bei den meisten Tumorerkrankungen vier Tumorstadien, Stadium I bis Stadium IV. Stadium I bedeutet einen kleinen Tumor ohne Streuung, Stadium IV einen Tumor, der bereits über die Blutbahn in andere Organe ausgebreitet ist. Die Stadien II und III stellen Gruppen dar, bei denen es zu einer Streuung in die Lymphknoten gekommen ist, wobei im Stadium III bereits das Mittelfeld zwischen den Lungen befallen ist. Die klassische Behandlung des Lungenkrebses in frühem Stadium besteht in der Operation. Es gibt verschiedene Operationsverfahren, die individuell aufgrund der Tumorlage, des Alters des Patienten, des Allgemeinzustandes und der Herz- und Lungenfunktion festgelegt werden. Moderne thoraxchirurgische Techniken ermöglichen gewebesparende, jedoch onkologisch radikale Resektionen mit akzeptablem Funktionsverlust. Hierbei wird in den meisten Fällen einer von fünf Lungenlappen entfernt. Aber auch ausgedehnte Operationen bis hin zur Entfernung eines ganzen Lungenflügels werden Dank der Fortschritte der Thoraxchirurgie, Anästhesie und Intensivmedizin mit immer geringerem Risiko durchgeführt.

Operative Verfahren kommen grundsätzlich in den Stadien I bis III zum Zuge, wobei das Stadium III aufgeteilt wird in die Untergruppen IIIA und IIIB. IIIA bedeutet, dass nur die Lymphknoten im Mittelfeld auf der betroffenen Seite der Lunge befallen sind, im Stadium IIIB sind die Lymphknoten im gesamten Mittelfeld befallen. Heute wird in den allermeisten Kliniken das Stadium IIIB nicht mehr direkt operiert.

Im Stadium I liegen die 5-Jahres-Überlebensraten bei ca. 70%, im Stadium II, also mit Befall von Lymphknoten im Bereich der Lungenwurzel, werden 5-Jahres-Überlebensraten zwischen 40% und maximal 60% berichtet. Im Stadium III sinken die Überlebensraten nach 5 Jahren auf weniger als 10%, sodass es aufgrund dieser schlechten Ergebnisse in den letzten 20 Jahren zu einem Umdenken gekommen ist. Durch Umstellung der Behandlungskonzepte, durch die so genannte multimodale Therapie, die bedeutet, dass die Operation kombiniert wird mit Chemotherapie und Bestrahlung, lassen sich die Ergebnisse deutlich verbessern. Im Stadium III ist in den meisten Kliniken heute anerkannt, bei Patienten, die allgemeinmedizinisch dazu in der Lage sind, eine kombinierte Radiochemotherapie vor die Operation zu setzen. In der eigenen Arbeitsgruppe konnten dadurch die 5-Jahres-Überlebensraten von unter 10% auf knapp 30% gesteigert werden. In den großen vergleichenden Statistiken der weltgrößten Studien (MetaAnalysen) konnte die Verbesserung der 5-Jahres-Überlebensrate durch die Kombinationsbehandlung bestätigt werden. In den meisten Arbeitsgruppen beginnt die Behandlung im Stadium III mit mehreren Kursen reiner Chemotherapie, meistens Platin-basiert, dann gefolgt von einer Bestrahlung mit oder ohne gleichzeitiger paralleler Chemotherapie, wobei die Bestrahlung 1- oder 2-mal am Tag appliziert werden kann. Auf den letzten strahlentherapeutischen Weltkongressen zeichnet sich ein Trend ab, dass die 2-malige Bestrahlung am Tag möglicherweise effektiver ist. Auf jeden Fall ist sie intensiver und zeitsparender. Im Anschluss an die Bestrahlung erfolgt eine Kontrolle und im Fall, dass der Tumor durch die vorausgegangene Chemoradiotherapie kleiner geworden ist, aber auch in der Situation, wenn es nur zu einem Wachstumsstopp gekommen ist, wird der Patient operiert. Dies gilt für den Tumor genau so wie für die Lymphknoten. Sollte es in der anschließenden histologischen Aufarbeitung der Lymphknoten noch zu verbleibenden lebendigen Tumorzellen innerhalb der Lymphknoten gekommen sein, muss unbedingt weiterbehandelt werden. Dies gilt sowohl für eine Aufsättigung der Strahlentherapie als auch für weitere Kurse Chemotherapie.

Lungentumor ohne Metastasen auf CT-Bild CT-Bild eines Tumors ohne Metastasen in der rechten Lunge mit Darstellung von fünf Bestrahlungsfeldern
Nur die Patienten, deren Lymphknoten frei von Tumorresten sind, haben eine wirkliche Chance auf Heilung. Im Stadium IV, wenn also zum Zeitpunkt der Diagnose schon Metastasen in anderen Organen vorliegen, häufig in Leber, Knochen, Gehirn oder Nebennieren, wird der Patient, wenn er körperlich dazu in der Lage ist, in aller Regel chemotherapeutisch behandelt. In diesem Stadium IV ist eine Heilung nicht möglich. Ziel ist es, die Beseitigung oder Linderung tumorbedingter Symptome und eine Verlängerung des Überlebens zu erreichen.

Beim kleinzelligen Lungenkarzinom, das in
Bezug auf die Wachstumsgeschwindigkeit noch bösartiger ist als der bisher beschriebene nichtkleinzellige Typ, ist eine Heilung in fortgeschrittenen Stadien selten möglich. Auch hier sind die Therapiekonzepte in den letzten Jahren verändert worden. Beim umschriebenen, nicht metastasierenden Tumor (limited disease) wird heute mit Chemotherapie begonnen, um dann möglichst rasch mit der Strahlentherapie fortzufahren (Up-front-Radiotherapie). Anschließend erfolgen noch mehrere Kurse Chemotherapie, wobei bisher nicht geklärt ist, ob eine anschließende Operation die Therapieergebnisse zusätzlich verbessern kann. In unserer Arbeitsgruppe wird die Operation im Frühstadium regelmäßig durchgeführt. Beim fortgeschrittenen kleinzelligen Bronchialkarzinom besteht die Behandlung in mehreren Kursen Chemotherapie. Sollte es dadurch zu einer kompletten Rückbildung kommen, was häufig ist, da das kleinzellige Bronchialkarzinom sehr gut auf eine Chemotherapie anspricht, wird konsolidierend nachbestrahlt und zwar sowohl der ehemalige Tumorbereich und das Zwischenfell, als auch der gesamte Schädel, da es beim kleinzelligen Bronchialkarzinom in 40 – 50% der Fälle zur Entwicklung von Hirnmetastasen kommt. Diese Metastasen lassen sich durch eine Chemotherapie nicht ausreichend beeinflussen, da zwischen Blut und Hirnwasser eine Schranke besteht und die chemotherapeutischen Substanzen nicht in ausreichender Konzentration in die Metastasen des Gehirns eindringen können. Sollte es durch eine Chemotherapie beim fortgeschrittenen kleinzelligen Bronchialkarzinom nicht zu einer kompletten Rückbildung des Tumors kommen, wird ebenfalls nachbestrahlt, aber dann nur im Bereich des Tumors selbst.

Was gibt es Neues?

Seit ca. 3 Jahren ist bekannt, dass auch in Frühstadien, abgesehen vom Stadium IA, eine postoperative Chemotherapie die Überlebensrate verbessern kann. Dies ist durch eine postoperative Strahlentherapie, die bis dahin häufig durchgeführt wurde, nicht möglich. Außerdem wurden in den letzten Jahren weitere Zytostatika – Docetaxel und Pemetrexed – sowie Antikörper entwickelt, wobei die Antikörper eine ganz andere Wirkung als die klassischen Chemotherapeutika besitzen. Hier sind die Wirkstoffe Gefitinib, Erlotinib, Cetuximab und Bevacizumab zu nennen. Erlotinib – ein sogenannter Thyrosinkinaseinhibitor ist zur Behandlung des Bronchialkarzinoms zugelassen. Ziel der Behandlung ist nicht die primäre Tumorrückbildung sondern eine Stabilisierung im Krankheitsverlauf mit besserem und längeren Überleben. In einer großen randomisierten Studie an 731 Patienten konnte gezeigt werden, dass tumorbedingte Symptome wie Husten, Luftnot und Schmerzen durch diese Therapie, die in Tablettenform durchgeführt wird, gegenüber einem Scheinmedikament (Placebo) deutlich gelindert werden und das Fortschreiten der Erkrankung verzögert wird. Das Gesamtüberleben wurde von 4,7 auf 6,7 Monate signifikant verlängert. Nach einem Jahr leben noch 31% der Patienten unter Erlotinib gegenüber 22% in der Placebogruppe (siehe auch Artikel Prof. Hartlapp).

Weitere Hoffnungen werden auf die Antikörper Cetuximab und Bevacizumab gesetzt, die zur Behandlung gastrointestinaler Tumoren bereits zugelassen sind und hier eine deutliche Verbesserung gezeigt haben, wobei Bevacizumab die Gefäßneubildung des Tumors, die er zu seiner eigenen Versorgung braucht, unterdrückt und damit ihn zum Untergang bringt.