Therapie & Forsch.   
 Intensitätsmodulierte Radiotherapie
Eignet sich IMRT für die klinischen Routine?

200 Ärzte, Strahlentherapeuten und Medizinphysiker aus dem Inland sowie europäischen Ausland trafen sich im Septemb er 2004 auf Einladung der Radioonkologischen Klinik des Südharz-Krankenhauses Nordhausen im Thüringischen Schloß Sondershausen, um über den Einsatz von IMRT als klinische Routinemethode zu diskutieren und Erfahrungen auszutauschen.

Die intensitätsmodulierte Strahlentherapie (IMRT) ist eine in Deutschland noch junge, moderne und technisch hochkomplexe Variante der Bestrahlung, bei der sich die Konturen des Bestrahlungsfeldes in exakt vorher berechneter Weise durch die Bewegung der schmalen Bleilamellen im Kopf eines Bestrahlungsgerätes verändern. Hierdurch ist es möglich, die Strahlenintensität über das Bestrahlungsfeld hinweg gezielt zu verändern, also zu modulieren. Strahlungsempfindliches Gewebe gesunder Organe in direkter Nähe zum Tumor, die jedoch im Bestrahlungsfeld liegen, – sogenannter Risikoorgane - bleiben so besser geschützt und durch eine zielgenaue Abgrenzung kann dem Tumor eine höhere Dosis verabreicht werden.

Dies macht den eigentlichen Vorteil der IMRT aus:

1.) Schonung von gesunden Gewebe und Organen in unmittelbarer NäNähe zum Tumor, die für viele Patienten eine praktische Reduktion von Nebenwirkungen bei gleicher Dosis implizieren.

Fast 30 % aller Zielvolumen, also Tumore und Lymphabfluss sind hufeisenförmig geformt und liegen in unmittelbarer Nähe eines Risikoorgans. Zum Beispiel im Kopf-Hals-Bereich die Halswirbelsäule mit dem Rückenmark sowie Tumore im Bauchbereich die sich hufeisenförmig um die Lendenwirbelsäule legen oder aber die Prostata, bei der sich unmittelbar hinter der Vorsteherdrüse, der Darm und sich oberhalb von ihr die Harnblase befindet. Eine Abgrenzung dieser sehr strahlenempfindlichen und bogenförmig verlaufenden Risikoorgane aus dem Bestrahlungsfeld erspart daher Betroffenen äußerst unangenehme Nebenwirkungen.

2.) Möglichkeit der Dosiserhöhung (Dosiseskalation) auf bis zu 76 bis 78 Gy im Gegensatz zur konventionellen Bestrahlungstechnik bei der die Dosis heute im Bereich von ca. 70 Gy liegt. Dieser vermeintlich gering höhere Dosisbereich liegt jedoch genau im steilsten Bereich der Dosiswirkungskurve, die besagt, das pro 2 Gy Dosiserhöhung das biochemische rezidivfreie Überleben um 5-7% steigt. Folglich bringt eine um 8 Gy höhere Dosis 4 x 5 Prozent zusätzliches rezidivfreies Überleben, also insgesamt ein plus von 20 % rezidivfreies Überleben.

Den Nachweis hierfür brachte eine große amerikanische Studie im vergangenen Jahr, die das rückfallsfreie Überleben bei 2.999 Patienten mit Prostatakarzinom nach Durchführung einer Tumortherapie auf die gewählte Therapieform (Prostataspickung, Seed-Therapie, konventionelle Bestrahlung, IMRT sowie die Radikaloperation) hin über einen Beobachtungszeitraum von bis zu 8 Jahren (1990 bis 1998) miteinander verglich. Ergebnis: Heute erreichen die modernen radioonkologischen Behandlungsmethoden absolut identische Resultate im Vergleich zur Radikaloperation.

Komplexität und mögliche Barrieren

Doch so vielversprechend die neue Technologie erscheint, so gibt es doch auch eine Vielzahl an Barrieren, die eine Einführung in die klinische Routine behindern. Aufgrund der Dosiserhöhung im Bestrahlungsfeld des Tumors kommt der Patientenlagerung eine ganz wesentliche Rolle zu. Es gilt, ein dichtes Netz von Qualitäts- und Kontrollmaßnahmen für jeden einzelnen Patienten sowie für die Abläufe und Arbeit in einer IMRT Klinik zu entwickeln und im Alltagsbetrieb zu integrieren.

Auch will die komplexe Technik beherrscht werden. Dies ist jedoch nur durch eine intensive Aus- und Fortbildung von Ärzten, Physikern und Therapie-Assistentinnen möglich. Es existieren jedoch kaum Schulungsunterlagen und dies macht deutlich, dass ein verstärkter Erfahrungsaustausch auch der Kliniken untereinander notwendig ist.

Auch in der Zusammenarbeit zwischen Arzt und Physikern ist anders als bei der konventionellen dreidimensionalen Strahlentherapie ein gleichberechtigtes und verantwortungsbewußtes Miteinander in der Zusammenarbeit zwingend erforderlich, da sich der eine mit seinem unterschiedlichen Erfahrungs- und Kenntnisschatz auf den anderen "blind" verlassen muss.

Schließlich setzt die Einführung von IMRT sehr kapitalintensive Investitionen in Hard- und Software sowie entsprechend qualifizierte Medizinphysiker voraus. Dies alles wird in Deutschland (noch) nicht adäquat vergütet. Vielleicht ist dies der Grund dafür, das es erst wenige Kliniken in Deutschland gibt, die IMRT routinemäßig im Einsatz haben.