Therapie & Forsch.   
 Längeres Überleben bei Lungenkrebs
Erlotinib verlängert das Überleben unheilbarer Patienten

Seit Jahren sind Krebsforscher auf der Suche nach neuen Wirkstoffen, die ausschließlich die Krebszellen zerstören und gesunde Zellen verschonen.

Ein solcher Wirkstoff, der gezielt Krebszellen angreift, ist Erlotinib. Er ist ein sogenanntes "Small Molecule", das gegen den humanen epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor 1 (HER1) gerichtet ist. HER1 ist einer der wesentlichen Faktoren für das Zellwachstum bei zahlreichen Krebserkrankungen. HER1, auch EGFR genannt, ist eine wichtige Komponente des HER-Signalwegs, der an der Entstehung und dem Wachstum zahlreicher Krebsarten beteiligt ist. Erlotinib blockiert HER1/EGFR durch Hemmung seiner Tyrosinkinase-Aktivität innerhalb der Zelle, was zu einer Hemmung des Tumorzellwachstums führen kann.

Die Wirksamkeit dieser innovativen, zielgerichteten Therapie – in der Fachsprache als "targeted therapy" bezeichnet – wurde nun in einer großen klinischen Studie belegt. Insgesamt 731 Patienten mit nicht kleinzelligem Bronchialkarzinom nahmen an der Studie teil, die ein vielbeachtetes Highlight auf dem diesjährigen Kongress der Amerikanischen Krebsgesellschaft (ASCO) war. Die Patienten hatten bereits ein oder zwei Chemotherapien erhalten und befanden sich in einem weit fortgeschrittenen Krankheitsstadium, also in einer Situation, in der eine weitere Therapie der Grunderkrankung nicht zur Verfügung steht. Sie wurden nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe erhielt täglich eine Tablette Erlotinib, die andere ein Plazebo (Scheinmedikament). Weder die Patienten noch die behandelnden Ärzte wussten, wer den neuen Wirkstoff bekam und wer nur das Scheinmedikament erhielt. Entscheidendes Studienziel war, das Überleben der Patienten in den beiden Gruppen zu vergleichen.

Während der Tumor bei 9% der Patienten, die Erlotinib erhielten, ganz oder teilweise zurückging, wurde ein Tumorrückgang in der Plazebogruppe bei weniger als 1% der Patienten beobachtet. Dabei war das Ansprechen auf Erlotinib unabhängig von Art und Anzahl der vorausgegangenen Chemotherapien und auch unabhängig davon, ob die Patienten auf die vorausgegangenen Therapien angesprochen hatten oder nicht.

Beim Gesamtüberleben wurde eine Verlängerung der Überlebenszeit durch Erlotinib um 43% erreicht. Der Unterschied war statistisch hochsignifikant. Nach einem Jahr lebten noch 31% der Erlotinib-Patienten gegenüber 22% der Plazebo-Patienten. Die Überlebensverlängerung wurde ohne Einbußen an Lebensqualität erreicht, denn Erlotinib war sehr gut verträglich und bedeutete nicht zuletzt aufgrund der einfachen Einnahme als Tablette für die Patienten keine Einschränkung. Typische Krankheitssymptome wie Husten, Luftnot und Schmerzen konnten unter Erlotinib häufiger und über einen längeren Zeitraum gelindert werden als unter Scheinmedikament. Die Lebensqualität der Patienten in der Erlotinib-Gruppe war auch deshalb sogar deutlich besser als die der Plazebo-Patienten.

Man darf gespannt sein, was die Substanz bei primär unbehandelten Bronchialkarzinom-Patienten zu leisten im Stande ist.