Patientenforum   
 MIKADO Selbsthilfegruppe Vechta
Machen Selbsthilfegruppen für Krebspatienten Sinn?

Selbsthilfegruppen bei Krebs: "Das ist ja, wenn Betroffene sich zum Kaffeeklatsch treffen oder dort werden ja immer die gleichen Leidensgeschichten breitgetreten." Solche Meinungen und Vorurteile sind häufig zu hören. Werden Selbsthilfegruppen wirklich benötigt? Ich denke ja. Für Nichtbetroffene wird das Thema Krebs tabuisiert. Schweigen, verschweigen. Erst dann, wenn man selbst betroffenen ist, stellt sich einem die Frage: Wohin sich wenden? Wo gibt es Informationen? etc.

Selbsthilfegruppen sind ein wesentlicher Faktor der zur Genesung beiträgt. Warum? Betroffene beantworten hier Fragen von Betroffenen untereinander. Die Diagnose lässt einen Moment lang alles still stehen und von da ab ist die Welt eine andere.
1000 Fragen, die die Onkologen, Strahlenärzte, Hausärzte und Naturheilkundler nach bestem Wissen beantworten. Fakten, Statistiken, Forschungsergebnisse. Aber wie fühlt sich das an? Wie fühlt es sich an, wenn keine Haare mehr vorhanden sind und nicht nur auf dem Kopf? Wie fühlt es sich an einen BH zu kaufen mit nur einer Brust? Wie fühlt es sich an ,wenn man als Mutter kaputt und schlapp ist und trotzdem für seine Kinder da sein muss? Wie fühlt es sich an Ehefrau/Ehemann mit Krebs zu sein? Wie ist es, wenn die Mitmenschen sagen: "Du siehst ja gut aus, bist ganz wieder die Alte" und man selbst dabei nur müde, traurig und energielos ist. Viele Fragen , die wirklich nur von Betroffenen beantwortet werden können, die gleiches durchlebt haben. Und das Gefühl, da sind andere, die die gleiche Last, die gleichen Probleme haben, das gibt Halt, Kraft und Mut.

Selbsthilfegruppe heißt aber auch Hilfe zu geben in rein organisatorischen Dingen wie beim Ausfüllen von Formularen z.B. für eine Kur oder den Schwerbehindertenausweis. Wie erhält man – trotz Gesundheitsreform – Rezepte für Lymphdrainage und Krankengymnastik? In der Selbsthilfegruppe werden Informationen über Behandlungsmethoden und -erfolge gesammelt, ausgetauscht und nicht selten mit Experten diskutiert. Selbsthilfegruppe heißt auch zusammen fröhlich zu sein, Spaziergänge zu machen, essen zu gehen, zu kochen, Sport zu machen, Karten zu spielen oder andere zum Geburtstag zu gratulieren oder einfach mal so anzurufen. Unsere Selbsthilfegruppe für Frauen mit und nach Krebs in Vechta heißt MIKADO – mit Krebs aber doch optimistisch. Wir treffen uns 4 wöchentlich in einem Lokal in einem separaten Raum. Entweder laden wir Referenten ein zu speziellen Themen wie z.B. alternative Medizin, Sozialgesetze, Ernährung, Kosmetik oder wir klönen über alltägliche Themen wie Kindererziehung, den letzten Urlaub oder das Fernsehprogramm. Einfach normal sein. Ein ganz wichtiger Aspekt. Wir haben Regeln an diesen Abenden: Es wird nur in den ersten 10 Minuten über Krebs gesprochen. Unser Programm sprechen wir für ein halbes Jahr im Voraus gemeinsam ab. Wir machen auch Tagesausflüge mit den gesamten Familien, damit diese sich kennen lernen. Die Kinder sehen, es gibt noch andere Mütter, die betroffen sind. Und Ehemänner können sich austauschen und Kontakte knüpfen. Oft rufen aber auch Frauen an, die nicht zu regelmäßigen abendlichen Treffen kommen wollen. Sie wollen einfach nur reden, weinen, dass ihnen jemand nicht aus ihrer Familie kommend, zuhört. Auch für sie sind wir da. Ansprechpartnerin sein in der Odysee die nun für Neubetroffene beginnt.

In der Gruppe finden sich Frauen zusammen und diesen Aspekt finde ich sehr wertvoll, in verschiedenen Stadien der Erkrankung: Neuerkrankte mit viel Unsicherheit, einige die schon viele Jahre in Behandlung sind wegen Rezidiven oder Metastasen aber auch Frauen, die schon seit Jahren 5, 7, 8 Jahre gesund , geheilt(?) sind. Einige, die erst nach Beendigung ihrer Therapien kommen oder gerade nach den Therapien uns wieder verlassen. Jede sucht sich ihre Zeit, wann sie uns braucht und wann sie Erfahrung, Mut geben kann. Alle bringen ihre Schattierungen und Nuancen ein, die die Gruppe so wertvoll machen. Es gibt eine inneren Zusammenhalt, aber keinen "Vereins-Zwang".

Natürlich gehört zu solch einer emotionalen Verbindung auch die Trauerarbeit, die uns leider immer wieder einholt. Dann sind wir da für die Angehörigen und dies nicht nur in den ersten Tagen der Trauer. Ein Telefonat, ein Brief, ein Gespräch nach Wochen und Monaten hilft auch hier weiter und diejenige, die einen anderen Weg gegangen ist, bleibt somit lebendig unter uns. Wir können den Wert unserer Gruppe nicht daran messen wie viele Betroffene zu den Treffen kommen, nein nur daran messen, wenn jemand sagt: "Es tat gut, dass es euch gab in dem einen oder anderen Moment, schön, dass ich wusste, wohin ich mich wenden konnte mit meiner Angst, meinen Zweifeln und Fragen".

Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass der Begriff "Selbsthilfegruppe" auch übersetzt werden kann mit "Gruppe zur Verbesserung des Selbstwertgefühls" von uns Patienten, die in ihrer körperlichen und seelischen Einheit verletzt worden sind und die jetzt ein anderes Leben leben – leben müssen – als zuvor. Aber nicht unbedingt ein einsameres, Dank der Selbsthilfegruppen.