Patientenforum   
 Forderung nach stärkerer Patientenmitbestimmung

Patientenbeteiligung verbessert die Behandlungs-Ergebnisse und spart Kosten im Gesundheitswesen – etwa, weil unnötige Untersuchungen oder Doppelbefunde vermieden werden können. Um eine aktive Partnerschaft zwischen Arzt und Patient im Sinne des so genannten "Shared Decision Making" zu erreichen, müssen Betroffene jedoch mitbestimmen können. Dies forderten die Frauenselbsthilfe nach Krebs und die Deutsche Krebshilfe auf einer Pressekonferenz Anfang September 2004 in Magdeburg. An den Gemeinsamen Bundesausschuss appellierten sie daher, den Patientenvertretern nicht nur Rede-, sondern auch Stimmrecht einzuräumen. Dieser Beirat fungiert als Sprachrohr und Anwalt für Krebs-Patienten.

"Eine Patientin, die in jede Entscheidung einbezogen wird, ist motiviert, ihr Therapieziel zu erreichen, bereit, Belastungen und Nebenwirkungen zu verkraften sowie Krisenzeiten zu überstehen. Das fördert ihre Zufriedenheit und den Heilungserfolg", sagte Hilde Schulte, Bundesvorsitzende der Frauenselbsthilfe nach Krebs und Mitglied des Patientenbeirates der Deutschen Krebshilfe, in Magdeburg. Den Prozess, unter gleichberechtigter Beteiligung von Patient und Arzt zu einer gemeinsam verantworteten Entscheidung zu kommen, bezeichnen Wissenschaftler als "Shared Decision Making", auch "partizipative Entscheidungsfindung" genannt. Dass ein solches gemeinsam entschiedenes Handeln einen positiven Effekt auf den Behandlungserfolg hat, ist auch unter Experten mittlerweile unbestritten. Das Bundesministerium für Gesundheit hat daher im Jahr 2001 einen Förderschwerpunkt "Shared Decision Making" gegründet mit dem Ziel, Projekte zu unterstützen, in denen insbesondere Patienten mit chronischen Erkrankungen verstärkt in den medizinischen Entscheidungsprozess einbezogen werden.

"Eigeninitiative und Engagement von Betroffenen auch auf gesundheitspolitischer Ebene haben dazu beigetragen, dass sich die Rolle des Patienten geändert hat - vom Unwissenden und passiv Duldenden zu einem informierten und aktiv Handelnden", sagte Hilde Schulte. Mehr Wissen bedeute aber auch mehr Wollen. So haben sich engagierte Patienten in Selbsthilfeorganisationen zusammengeschlossen und Felder erobert, in denen sie mitreden und ihre Kompetenz einbringen. Dazu gehört etwa die Beteiligung an der Entwicklung von Leitlinien, an der Zertifizierung von Brustzentren, an Disease Management Programmen sowie die Mitarbeit in einzelnen Unterausschüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses. In diesem Ausschuss werden entscheidende Weichen für Patienten gestellt: Er legt fest, welche ambulanten oder stationären Leistungen ausreichend, wirtschaftlich und zweckmäßig sind, und damit letztlich, was die gesetzlichen Krankenkassen bezahlen. Ihm gehören Vertreter der Ärzte, Zahnärzte, Krankenkassen und Krankenhäuser an.

"So sehr wir gerade die Beteiligung in diesem Ausschuss als Meilenstein in der Entwicklung der Patientenbeteiligung ansehen – für eine wirklich gleichwertige Partnerschaft im Sinne des 'Shared Decision Makings' fordern wir gerade in diesem wichtigen Gremium nicht nur ein Rederecht, sondern auch das Recht, mitzuentscheiden", sagte Schulte in Magdeburg.

"Ein erfolgreiches 'Shared Decision Making' stützt sich auf drei Säulen: Aus- und Fortbildung, um ärztliche und pflegerische Gesprächs- und Handlungskompetenz zu fördern, Entwicklung von Entscheidungshilfen, um Information und Förderung der Patientenbeteiligung zu verbessern, und Schulungen, um Patienten auf eine stärkere Beteiligung vorzubereiten", sagte Professor Dr. Marianne Brieskorn-Zinke, Professorin für Gesundheits- und Pflegewissenschaft an der Evangelischen Fachhochschule Darmstadt.