Blutarmut: Ursachen - Diagnostik - Therapie   
 

Blutarmut
Ursachen - Diagnostik - Therapie

Blutarmut als eine mögliche Ursache des in letzter Zeit so viel diskutierten Fatigue-Syndroms ist aber eben nur eine Ursache dieser Begleiterscheinung von Krebserkrankungen und deren Therapie. So vielschichtig wie die Ursachen dieses Syndroms sein können (s. Heft 3/2003), so differenziert können die Ursachen einer Anämie bei Tumorerkrankungen sein.

Ganz allgemein ist Blutarmut (Anämie) der Mangel an roten Blutkörperchen oder an rotem Blutfarbstoff (Hämoglobin). Hämoglobin ist verantwortlich für den Transport von Sauerstoff im System Mensch. Es transportiert den Sauerstoff von den Lungen in alle Organe oder Gewebe des Körpers, die Sauerstoff zum Leben und zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Sind die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) oder der Blutfarbstoff (Hämoglobin) vermindert, kann nicht mehr genügend Sauerstoff transportiert werden. Subjektiv empfundene Folgen sind Müdigkeit, allgemeine Abgeschlagenheit, Konzentrationsschwäche, Schwindel und gelegentlich bei schwereren Anämien auch Wassereinlagerungen mit schweren Gliedern. Und im Extremfall kann es sogar zu einer Minderdurchblutung des Gehirns mit Schlaganfall oder des Herzens mit Herzkrämpfen führen.

Die Behandlung richtet sich nach den Ursachen. Bei plötzlichem hohen Blutverlust oder schwerer Anämie ist die Transfusion von roten Blutkörperchen die einzige zuverlässige Methode. Diese Therapie ist aber kein Ersatz für eine zwingend notwendige differenzierte Diagnostik, sofern als Ursache nicht die Grunderkrankung eine ausreichende Erklärung ist.

Bei Tumorerkrankungen kann die Anämie im Wesentlichen fünf verschiedene Ursachen haben:
  1. Auswirkungen auf die Stammzelle der roten Blutkörperchen hat beispielsweise eine Knochenmarkinfiltration durch die Grundkrankheit, so dass die Blutbildung (Erythropoese) aus Platzmangel im Knochenmark nicht im ausreichenden Maße stattfinden kann. Auch eine originäre (ursprüngliche) Erkrankung der Blutstammzellen kann in einem sogenannten myelodysplastischen Syndrom Ursache einer Anämie sein. Differenziert werden kann die Diagnose in diesen beiden Situationen durch eine Knochenmarksuntersuchung.

    Die chronische Anwendung einer Tumortherapie insbesondere einer Chemotherapie, aber auch eine Bestrahlung von blutbildendem Gewebe, kann eine sogenannte Knochenmarksaplasie bewirken. Hierbei handelt es sich um eine Schädigung der Blutstammzellen, die meist aber auch die weißen Blutzellen (Leukozyten) und die Blutplättchen (Thrombozyten) betrifft. Diese Schädigung ist nur vorübergehend und eine Unterbrechung der Therapie führt in aller Regel schnell zur Erholung des Blutbildes, während bei einer Anämie infolge einer Knochenmarksinfiltration nur eine konsequente Behandlung der Grundkrankheit zu einer Verbesserung der Situation führen kann.


  2. Die verminderte Produktion von roten Blutkörperchen ist in der Regel Folge des Mangels an Nährstoffen. Besonders wichtig sind Eisen, Vitamin (Vit) B12 und Folsäure. Darüber hinaus spielen Vit C, Vit B2 und Kupfer sowie insbesondere ein Hormon, das die Blutzellenproduktion anregt, nämlich Erythropoetin eine Rolle. Auch chronische Krankheiten wie z. B. ein Tumorleiden oder eine chronische Infektion können die Produktion der roten Blutkörperchen behindern.

    Eisenmangel ist ein häufiger Grund für eine Blutarmut und chronische Blutverluste sind sehr häufig auch der einzige Grund für einen Eisenmangel bei Erwachsenen. Normalerweise ist die Aufnahme von Eisen durch eine gesunde Ernährung gewährleistet, die allerdings auch genügend Vit C beinhalten sollte, da Vit C die Eisenaufnahme aus dem MagenDarm-Trakt fördert. Bei einem nachgewiesenen Eisenmangel gilt es, eine chronische Blutungsquelle zu erkennen und als Ursache für den Eisenmangel auch zu beseitigen. Nur symptomatisch ist die Zufuhr von Eisen in höheren Mengen gerechtfertigt. Dies allerdings nur, wenn eine echter Eisenmangel vorliegt, und das ist selten!

    Im Routinelaborprofil wird normalerweise nur die Konzentration von Eisen im Blut untersucht, nicht aber, ob ein echter Eisenmangel vorliegt, denn hierzu müsste routinemäßig auch Ferritin im Serum bestimmt werden. Nur bei einem echten Eisenmangel ist auch Ferritin erniedrigt. Bei einer Anämie mit erniedrigtem Eisen im Serum bei einem Tumorleiden liegt allerdings häufig nur eine Eisenverteilungsstörung im Körper vor. Das heißt, der Körper enthält genügend Eisen, aber das Eisen lagert unter Umständen im sogenannten retikuloendothelialen System (Milz, Leber, Knochenmark) und steht auch dort für eine ausreichende Blutbildung prinzipiell zur Verfügung. Eine unkritische Zufuhr von Eisen allein aufgrund eines erniedrigten Eisenwertes im Blut ohne Bestimmung von Ferritin führt hingegen zu einer Eisenüberladung des Körpers, mit Krankheitsfolge.

    Für Patienten mit einem Tumorleiden ist daher zu fordern, dass Eisenzugaben nur erfolgen, wenn auch der Ferritinspiegel im Blut eindeutig erniedrigt ist.

    Ein Vitaminmangel insbesondere ein Mangel von Vit B12 und Folsäure führt zu einer sogenannten megaloblastären Anämie. Megaloblasten sind ungewöhnlich große rote Blutzellen, die bei Patienten auftreten, deren Magen beispielsweise wegen einer Krebserkrankung operativ entfernt wurde. Vorsorglich sollten daher Patienten nach einer derartigen Operation Vit B 12 durch regelmäßige intramuskuläre Einspritzung vor einem derartigen Problem bewahrt werden. Aber auch die regelmäßige Einnahme von Zytostatika zur Behandlung eines anderen Krebsleidens kann zum Mangel von Vit B 12 und Folsäure führen. Zu nennen sind Methotrexat, Fluorouracil und Cytosinarabinosit. Bei Anämie infolge des Einsatzes derartiger Medikamente oder des auch sonst nachgewiesenen Mangels an Vit B 12 und Folsäure ist der begleitende Einsatz von derartigen Präparaten grundsätzlich nicht kontraindiziert (gegenangezeigt), allerdings muss bedacht werden, dass dadurch die Wirkung der Zytostatika u. U. auch behindert werden kann.

    Gewisse Regulationsstörungen der Blutbildung können eine Begründung in einem Mangel an Erythropoetin haben. Erythropoetin ist ein primär in der Niere gebildeter, inzwischen aber auch außerhalb eines lebenden Organismus' herstellbarer Wirkstoff, der die Blutbildung anregt. Bei nachgewiesenem Mangel an Erythropoetin im Körper kann die regelmäßige Zufuhr von Erythropoetin eine derartige Anämie beseitigen. Auch eine prophylaktische Gabe kann bei therapiebedingter drohender Anämie sinnvoll sein.

    Ein besonderes Problem stellt die Anämie als Folge chronischer Erkrankungen dar. Eine derartige Anämie findet sich häufig in Begleitung von Krebserkrankungen aber auch in Begleitung von chronischen Entzündungen und unabhängig von einer Grunderkrankung bei älteren Menschen. Bei ausreichend nachweisbarem Speichereisen im Körper nehmen die sich im Knochenmark bildenden roten Blutzellen nicht genügend Eisen auf, um die Fähigkeit zum Eisentransport im ausreichenden Maße zu erhalten.

    Da sich diese Art von Blutarmut relativ langsam entwickelt, sind die entsprechenden Patienten an eine Blutarmut gewöhnt und leiden selten. Es handelt sich bei dieser Anämie also in der Regel um eine asymptomatische Laboranämie, die - da es keine spezifischen Maßnahmen zur Behandlung gibt - nur durch Behandlung der Grundkrankheit gebessert werden kann. Eine Eisentherapie oder Vitaminzufuhr kann nicht helfen. Bei schwerer Blutarmut können in dieser Situation nur Bluttransfusionen helfen, unter Umständen aber auch die Gabe von Erythropoetin, das die Produktion von Erythrozyten im Knochenmark anregen kann.


  3. Der beschleunigte Abbau von roten Blutkörperchen (Hämolyse) ist in Begleitung einer bösartigen Grunderkrankung möglich, aber auch durch Medikamente und andere äußerlich wirksamen Einflüsse wie z. B. Infektionen, künstliche Herzklappen u. a auslösbar.

    Normalerweise haben die roten Blutkörperchen eine Lebensdauer von ungefähr 120 Tagen. Werden sie vorzeitig zerstört, kann dies infolge einer zu geringen Nachbildung zur Blutarmut führen. Eine Nachproduktion im Knochenmark ist begrenzt, so dass bei rasantem Abbau von roten Zellen schwerwiegende Anämien die Folge sein können. Derartige Anämien sind erfreulicherweise selten. Zusätzlich zu den bekannten oben bereits genannten üblichen Anämiesymptomen können weitere Beschwerden und Symptome auftreten: Fieber, begleitet unter Umständen von Schüttelfrost, Magen-Darm- Beschwerden, Rückenschmerzen, Gelbsucht und dunkel gefärbter Urin. Nicht selten ist die Milz vergrößert, was Bauchschmerzen auslösen kann.

    Oftmals werden derartige Auflösungsprozesse von Erythrozyten durch Immunreaktionen ausgelöst, die durch eine hochdosierte Cortisontherapie (als das Immunsystem unterdrückende Maßnahme) verhindert bzw. unterbrochen werden kann. Die Behandlung der Grundkrankheit muss allerdings zusätzlich oder anschließend erfolgen, weil eben die Grundkrankheit Mechanismen des beschleunigten Abbaus roter Blutkörperchen bewirkt.


  4. Die akute oder chronische Blutungsanämie hat häufig eine Ursache in einer offensichtlichen akuten oder nur schwer diagnostizierbaren chronischen Blutung. Hier ist häufig eine intensive endoskopische Diagnostik erforderlich, um die Quelle des Übels zu erkennen und somit die Ursache beseitigen zu können.

    Folge dieser unter Umständen starken Blutverluste kann ein Eisenmangel sein, der auf der Basis der Bestimmung von Eisen und Ferritin im Blut nachgewiesen sein muss, bevor eine Eisensubstitution regelhaft erfolgt.

    Akut gilt es aber sicherlich in dieser Situation, durch Bluttransfusionen zu helfen, insbesondere wenn Beschwerden seitens der Anämie bestehen. Mindestens genauso wichtig ist aber auch die Suche nach der Ursache.


  5. Nebulös mag bei dieser Beschreibung das "Hyperspleniesyndrom" erscheinen. Bei einer Vielzahl von Erkrankungen kann die Milz anschwellen und wenn sie vergrößert ist, ist sie das Organ, das Erythrozyten auch in vermehrtem Maße zerstört. Und je größer sie ist, um so mehr Zellen werden zerstört, was zwangsläufig, aber in aller Regel nur langsam zu einer Blutarmut führt. Bei soliden Tumoren ist ein derartiges Hyperspleniesyndrom selten, bei hämatologischen Erkrankungen aber nicht ganz ungewöhnlich. Die operative Entfernung der Milz kann ggf. Hilfe bringen.

    Blutarmut ist ein vielschichtiges Problem in Begleitung von Tumorerkrankungen. Eine gezielte Therapie verlangt zuvor eine differenzierte Diagnostik. Ein polypragmatischer Einsatz von verschiedenen Substanzen, die geeignet sein könnten, eine Anämie zu verhindern oder zu bekämpfen, ist ohne diese Diagnostik nicht gerechtfertigt.
Stellen Sie Ihren Arzt auf den Prüfstand, wenn Sie unter einer Anämie leiden.